Neun Jahre ist es her, dass Rübeland bundesdeutsche Politikgeschichte schrieb. In dem 1500 Einwohner zählenden Ort im Harz wurden 1999 anscheinend Feuer und Wasser vereint: Im Gemeinderat bildeten CDU und PDS ihre erste Koalition. Während in den ostdeutschen Landtagen die letzten Schlachten des Kalten Krieges gefochten wurden, schmiedeten in dem durch seine Höhlen bekannten Touristenort fünf Abgeordnete ein Zweckbündnis, um die SPD-Dominanz im Gemeinderat zu brechen. Der Pakt sorgte kurzzeitig für regen Journalistenauftrieb in dem Gebirgstal - und funktionierte dann fünf Jahre geräuschlos und zur allgemeinen Zufriedenheit.
Als eine Gemeindefusion die schwarz-rote Rübeländer Politehe nach fünf Jahren beendete, wurde sie dennoch als
nnoch als skurrile Ausnahme belächelt. Ein voreiliges Urteil: Aus gleichen Motiven wie in der Harzgemeinde arbeiten heute in vielen ostdeutschen Kommunen Abgeordnete der CDU mit ihren Kollegen von der Linkspartei zusammen - und strafen so prinzipielle Aussagen in einem jetzt veröffentlichten Geschichtspapier ihrer Partei Lügen. "Wir lehnen", heißt es dort in grundsätzlichem Ton, "die Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke, den politischen Erben der totalitären SED, ab." Wer "unsere Gesellschaftsordnung überwinden will und nicht auf dem Boden unserer freiheitlichen Grundordnung steht", wird im gleichen Atemzug ausgeführt, "kann kein Partner von demokratischen Parteien werden".Das sind mannhafte Aussagen - die aber mit der Realität in Ostdeutschland nicht mehr das Geringste zu tun haben. Dort ist ein unverkrampfter Umgang zwischen Politikern von CDU und Linkspartei inzwischen vielerorts an der Tagesordnung. Zwar bewirkt CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer noch aufgeregtes Rascheln im Blätterwald, wenn er neben einem Lob für die "sehr intensive Basisarbeit" der Linkspartei für die ferne Zukunft auch politische Bündnisse in Aussicht stellt: "Wenn demokratische Parteien nicht grundsätzlich koalitionsfähig sind", gab Böhmer unlängst zu Protokoll, "schaffen wir die Demokratie ab."In seinen Kreisen steht der 72-jährige Arzt mit dieser altersweisen Sicht noch recht allein. Sein 23 Jahre jüngerer sächsischer Amtskollege Stanislaw Tillich etwa macht unmissverständlich klar, dass ganz links weiter nur der politische Feind steht. Der Chef der CDU-Fraktion im dortigen Landtag, Steffen Flath, plädierte unlängst sogar für eine Gleichbehandlung der Linkspartei und der NPD. "Anträge von Parteien am rechten und linken Rand sind generell abzulehnen", heißt es in einem umstrittenen Thesenpapier Flaths.Eine Etage tiefer, in den Kommunen im Osten, ist von derlei Fundamentalismus aber nicht mehr viel zu spüren. Immer wieder verbünden sich dort Abgeordnete von CDU und Linker - und sei es nur, um der Konkurrenz von der SPD eins auszuwischen. Besonders gern werden solche Zweckbündnisse bei Personalwahlen geschmiedet: In Magdeburg wie in Chemnitz, beide mit SPD-Oberbürgermeister, halfen sich Schwarze und Rote gegenseitig bei der Wahl von Beigeordneten - was die Sozialdemokraten entsprechend in Rage brachte. Dirk Panter, sächsischer SPD-Generalsekretär, warf der Union "Doppelmoral" vor, weil sie offiziell jede Zusammenarbeit mit der Linken ablehne, sich ihrer beim "Postengeschacher" aber bediene: "Wer rechts blinkt und dann links überholt, braucht sich über Unfälle nicht zu wundern."Ausnahmen waren die Bündnisse in den beiden Großstädten aber nicht. Im sächsischen Zwickau paktierten CDU und Linke bei einem Bürgerbegehren. In Wahlbündnissen bei OB-Wahlen waren beide Parteien 2006 in Cottbus und unlängst in Hettstedt vereint - wenngleich jeweils ohne Erfolg. Als in Sachsen im Sommer neue Kreistage gewählt wurden, schickte die Linkspartei in Hoyerswerda den vormaligen CDU-Chef ins Rennen.Dass die in Bund und Ländern noch undenkbare Zusammenarbeit in den Ost-Kommunen so regelmäßig klappt, hat Gründe. Die auch mit dem jüngsten Geschichtspapier beförderte Selbststilisierung der CDU zur Statthalterin des DDR-Widerstands funktioniert dort nicht. Während Flath von der Ost-CDU als "Zufluchtsort" fabuliert, kennen die Abgeordneten in Stadträten und Kreistagen ihre Pappenheimer und deren DDR-Leben. Wo, wie in Stendal, ein DDR-Grenzoffizier oder, wie in einer sächsischen Gemeinde, gar ein Ex-IM für die CDU das Rathaus führt, kommt so mancher erbittert geführten Geschichtsdebatte der Gegenstand abhanden.Es sind allerdings nicht nur Machtspiele und eine teilweise gemeinsame Vergangenheit, die Abgeordnete von CDU und Linker im Osten zueinander führen. Auch politisch gibt es manche Schnittmengen. Die werden zwar von den Parteien auf beiden Seiten eher verschämt zur Kenntnis genommen. Im Stadtrat Dresden, wo ein Teil der gespaltenen früheren PDS-Fraktion stillschweigend mit der CDU koaliert bildet, führt das zu Zerwürfnissen bei den Genossen, und als der auch im Landtag aktive Finanzpolitiker Ronald Weckesser dort aus der Fraktion flog, lautete das vernichtende Fazit, er stehe der CDU "menschlich und politisch näher" als der eigenen Partei. Auch die Union hebt hervor, die Pragmatiker der Dresdner Linksfraktion.PDS hätten wenig mit der eigentlichen Linken gemein.Dass sich aber die vermeintlichen Antipoden auch anderswo oft nahe kommen, hat Gründe, glaubt Wulf Gallert, Fraktionschef der Linken im Magdeburger Landtag. Zum einen sei in einigen Ländern "die Rechts-Links-Reihung von CDU und SPD nicht mehr eindeutig": Während die SPD weiter treu der Agenda 2010 anhänge, besetze die Union geschickt populäre soziale Themen. Zugleich beobachtet er bei Teilen der Linken wie der CDU eine stark strukturkonservative Ausrichtung: "Man will Dinge erhalten." Gelegentlich sei das Bündnis fruchtbar und solle, wenn sich die Linke dafür nicht verbiegen müsse, eingegangen werden, sagt Gallert. Das sei freilich nicht immer der Fall: "Wir müssen uns ab und an fragen, ob es nicht auch an uns liegt, wenn wir näher bei der CDU als bei der SPD sind". Schließlich sei auch bei linken Kommunalpolitikern ein Phänomen zu beobachten, dass "Wandel durch Anbiederung" heißen könnte: die Versuchung, sich dem Bürgermeister und dessen Hausmacht anzudienen - oft also der CDU.