Am 1. Juni, Punkt 12.30 Uhr, soll es auf der Expo richtig knallen. "Araw Lkhil" brüllt der Marokkaner. "Zehn in weiß gekleidete Reiter richten sich im Sattel auf und feuern ihre Salven ab." Ein paar Meter weiter stampfen "120 peitschenschwingende" Schweizer auf die Menge zu. "Sie tragen Masken, geisterhafte, dämonische Masken", während südlich der Messehalle II "300 koreanische Kämpfer mit schweren Eichenbohlen" aufeinander losgehen. Ja, die Eröffnungsveranstaltung der 1. Weltausstellung auf deutschem Boden wird tiefe Einblicke in die Streitkulturen der Welt ermöglichen. Da wollen sich die Gastgeber natürlich nicht lumpen lassen. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sehen der Weltausstellung mit Freude entgegen", erklärte Hannover Polizeipräsident Hans Dieter Klosa. Und der Mann meint, was er sagt.
Um 200 Punker daran zu hindern, ihre traditionellen Chaostage zu begießen, verhängte Klosa 1996 den "Belagerungszustand", besetzte Autobahnzufahrten und Ausfallstraßen und ließ 6000 schlagstockbewehrte Beamte durch Hannover paradieren. Es sah aus wie eine Invasion vom Mars. Wo man hintrat, grüne Männchen. Wenn "Deutschland die Welt empfängt", werden gleich 7000 Polizisten und BGS-Männer "Präsenz zeigen", damit sich solche "Vorgänge wie beim IWF-Gipfel in Seattle nicht wiederholen". Bundesinnenminister Otto Schily, der die Truppen letzte Woche inspizierte, zeigte sich hochzufrieden. Wer sich einbilde, die Weltausstellung zu stören, "der wird schnell ein anderes Quartier in Hannover finden - nämlich hinter Schloss und Riegel".
Stimmt. Vier Wochen vor dem Startschuss konnten die Organisatoren endlich das erste schlüsselfertige Expo-Gebäude präsentieren: den so genannten Expo-Knast. Getreu dem Weltausstellungsmotto "Mensch-Natur-Technik" ein Top-Projekt in jeder Hinsicht. Für rund 17 Millionen Mark wurde die ehemalige "Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber" am Flughafen auf den modernsten Stand der Sicherheitstechnik gebracht. Besonders stolz ist Anstaltsleiter Lieske auf die Qualifikation seines Personals. Da man überwiegend mit "internationaler Kundschaft" rechnet, wurde bei der Einstellung auf Fremdsprachenkenntnisse geachtet. Die Schließer sprechen "Polnisch, Rumänisch, Russisch und sogar Arabisch".
Dass solche Verlautbarungen nicht gerade von guten Manieren zeugen, weil diese Idiome vor allem auf den Baustellen des Expo-Geländes häufig zu hören sind, stört niemanden. Underdog bleibt Underdog, da liefert die Expo ein getreues Abbild unserer schönen neuen Welt. Ganz Afrika beispielsweise wurde kurzerhand in Halle 12 gezwängt, damit sich Expo-Partner (und Geldgeber) wie Bertelsmann, IBM, Siemens, Daimler, Coca-Cola, Sony und die deutsche Elektrizitätswirtschaft im besten Licht präsentieren können. Angesichts dieser Interessenlage herrscht auch an der inneren Sicherheitsfront Bereitschaftsstufe eins. Vorsorglich hat der Niedersächsische Verfassungsschutz 294 neue Mitarbeiter eingestellt, um die Weltausstellungskritiker auszuspähen. Ob sich diese Ausgabe für den Steuerzahler lohnt, bezweifelt allerdings selbst Verfassungsschutzpräsident Peter Minnier. Seit 1999 sei "der Widerstand nicht in die Hufe gekommen". Und dass am 27. Mai und 1. Juni zwei Anti-Expo Demonstrationen stattfinden, wie Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling am Montag gewichtig der Presse meldete, stand schon monatelang im Internet. Außerdem ist der Protest angemeldet und behördlich genehmigt. Viel zu tun wird es für die Ordnungsmacht ohnehin nicht geben. Bei einem ersten Protest-Radeln fanden sich gerade mal 40 Sportler ein.
Viel eher ist damit zu rechnen, dass sich die Expo-Veranstalter selber ein Bein stellen. Im April während der High-Tech-Messe CEBIT, allgemein als organisatorischer Probelauf zur Expo apostrophiert, legte ein simpler Programmierfehler das Computernetz des öffentlichen Nahverkehrs lahm. In der Stadt ging gar nichts mehr. Auch bei den Architekten auf dem Expo-Gelände sieht man eher finstere Mienen. Sie werden einfach nicht fertig und bestellen neuerdings containerweise bunte Planen, mit denen sich die Baugruben und Gerüste bis in den Juli hinein verhängen lassen.
Da ist Hannovers Oberbürgermeisterdenkmal Herbert Schmalstieg schon besser vorbereitet. Die Expo soll Hannover endlich bescheren, was das Leinestädchen von jeher entbehrt: Glück, Metropolenglanz und weltweiten Ruhm. Deshalb hat der ehemalige Sparkassenangestellte seit einem Jahr Drogenabhängige und Penner aus der Innenstadt entfernen lassen; immer unterstützt vom Sicherheitsdienst der Bahn AG, denen die Trebegänger die Mietpreise im frischfrisierten Drive-and-Shopping-Center verdarben und vom Meinungsmonopolisten Madsack, dessen zwei Tageszeitungen gern und regelmäßig zum großen Halali auf Obdachlose und "Bettelzigeuner" blasen. Selbst der grüne Koalitionspartner wurde eingenordet. Die erklärten Expo-Widerständler mutierten mittlerweile zu "kritischen Begleitern". In dieser Eigenschaft segneten die Ökos trotz städtischem Einstellungsstopps einstimmig Schmalstiegs neuste Personalie ab. Sie heißt Mr. Clean, ist Pantomime und nötigt Passanten im Clownskostüm zum Plattenputzen. Motto: "Sauberes Hannover".
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