Ende dieser Globalisierung

Szenario II Der Verfall der Rohstoffpreise könnte ganze Länder in den Ruin treiben, doch nicht nur das. Die Auswirkungen der Krise haben das Potential die Globalisierung zu gefährden

Die Globalisierung mag über Finanzkrisen und Weltrezession hinwegschreiten, sinkende Rohstoffpreise könnten sie jedoch stoppen. Jeder Bürger in einem Industriestaat verbraucht in seinem Leben 1.000 Tonnen an Rohstoffen: Nur ein kleiner Teil davon sind Öl und Gas, mehr als Dreiviertel mineralische Rohstoffe, Erze und Sande. Der Exportweltmeister Deutschland ist vom Import von Rohstoffen existenziell abhängig. Damit nicht alle Räder und Rechenmaschinen still stehen, müssen Metallrohstoffe sogar zu 100 Prozent eingeführt werden. Weltweit sind die Ressourcen endlich und noch weit knapper sind die heute zugänglichen Reserven.

Vor fünf Jahren begann ein rasanter Preisanstieg, der einen jahrzehntelangen Niedergang der realen Rohstoffpreise umkehrte. Eine Folge war, dass nach neuen, technisch aufwendigen und daher teuren Lagerstätten Ausschau gehalten wurde. Gas aus der Tiefsee, Mineralien aus dem tibetischen Hochland oder Tantal fürs Handy aus Kriegsregionen wie dem Kongo ist nicht billig zu haben. Seit der zweiten Phase der Finanzkrise, als Washington im September 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers stürzen ließ, sinken die Preise wieder ins schier Bodenlose. Der Index für Industrierohstoffe sank von 270 auf 170 Punkte; Tendenz weiter fallend. Der Rohölpreis sackte von einem Höchststand von über 140 Dollar auf unter 40 Dollar. Aber nur bei einem langfristigen Preis von über 100 Dollar zahlen sich Erforschung und Exploration von Ölfeldern im Nordatlantik oder der Antarktis für die Konzerne aus. Ähnlich sieht es bei wichtigen Indu­strierohstoffen aus. Übrigens würde ein Preisverfall auch den bislang kostspieligen Öko-Alternativen wirtschaftlich den Hahn zudrehen.

Kampf um Rohstoffe

Das tiefe Wellental der Krise dürfte sich noch 2010 hinziehen und damit der Verfall der Rohstoffpreise. Die Folge wird eine kapital-induzierte Knappheit sein, die den Schwung im nächsten konjunkturellen Auf bremsen wird. Worunter bekanntlich vor allem das untere Drittel der Gesellschaft leiden dürfte. Stagnation und Eurosklerose zeichnen sich bereits ab, und der Kampf der Industriestaaten um die knappen Rohstoffe wird härter werden.

Auch Atolle der Globalisierung werden untergehen. Ihren Aufstieg zu Wirtschaftsmächten verdanken Brasilien und Russland hohen Rohstoffpreisen. Die Einnahmen der kleineren Schwellenländer werden einbrechen, Millionen Menschen verelenden. Der Ölreichtum Arabiens sinkt auf Siebziger-Jahre-Niveau, Millionen „Gastarbeiter“ werden wieder nach Bangladesh, Indien und Indonesien verabschiedet. Selbst der Bauboom etwa in Dubai, wo der weltgrößte Hafen, das weltgrößte Hotel und der weltgrößte Golfplatz entstehen, endet abrupt, weil die Ölquellen verstopfen. Welcher OPEC-Boss will den dickflüssigen Reichtum kommender dynastischer Generationen für einen Appel und ein Ei verplempern? Kein Öl, kein Geld, kein Import. Einseitig auf den Export fixierte Volkswirtschaften wie Japan und Deutschland werden kollabieren. Dadurch bricht auch der Import der chinesischen Billigwaren zusammen. Die Fabrik der Welt schließt ihre Tore. Diese Globalisierung wäre dann am Ende.

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