Kein Diener des globalen Crashs

DEUTSCHE BANK Der designierte Vorstandssprecher Josef Ackermann will dem Credo Alfred Herrhausens folgen. Er gilt nicht als Anhänger des amerikanischen Shareholder-value-Gebarens

Nachfolgefragen werden heute frühzeitig beantwortet. Dies ist beim Deutschen Fußballbund - Stichwort: Bundestrainer - ebenso wie bei der Deutschen Bank. Im Mai 2002 wird ein Schweizer den wichtigsten Posten in der deutschen Wirtschaft übernehmen. Josef Ackermann löst dann Rolf Breuer an der Spitze der Deutschen Bank ab - so die Vorstandsentscheidung von Ende September. Der Schweizer galt bereits seit Monaten als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge des derzeitigen Vorstandssprechers.

Bereits mit 33 Jahren avancierte der bekennende Klavierspieler zum Chef des Zahlungsverkehrs der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA). Bis dahin hatte Ackermann auch einige Fusionserfahrungen sammeln können: Die SKA kaufte nämlich mit ihrem schier unstillbaren Appetit Konkurrenten auf. Durch den Erwerb der Bank Leu - es handelte sich um das älteste Institut des Alpenlandes - und der Nummer vier in der Schweiz, der Volksbank, setzte die SKA zum großen Sprung nach vorn an. Dabei erhielt der geradlinige Karriereweg Ackermanns jedoch einen Schlenker, der zum Absturz hätte führen können. Der inzwischen als globaler Investmentspezialist geltende Schweizer hatte Probleme im Tochterunternehmen CS First Boston zu meistern - außerdem stand eine radikale Reform des Geldkonzerns auf der Tagesordnung.

Der schließlich in Credit Suisse (CS) umbenannten Großbank drohten Mitte der neunziger Jahre die gleichen Probleme wie sie heute die Deutsche Bank heimsuchen. Dem rasanten Wachstum des Instituts fehlte es an interner Qualität - gemessen am weltweiten Wettbewerb beschäftige man zuviel Personal, seien die Milliardengewinne zu klein, hieß es. Im Branchenjargon galt »Restrukturierung« als gebührende Antwort auf das beklagte Dilemma, gemeint waren die altbekannten Rationalisierungsrezepte: Filialen schließen, die geschäftlichen Schwerpunkte auf besonders lukrative Felder - Stichwort: Investmentbanking - verlagern, Arbeitsplätze streichen (von 3.500 war 1996 die Rede). Ob sich Ackermann seinerzeit einer »Restrukturierung« der Investmentbank CS First Boston rühmen durfte oder dabei schwächelte, darüber sind sich Beobachter in der Schweiz bis heute nicht einig. Letztlich zog er von dannen. »Strategische Differenzen« mit dem eigentlichen Herrscher des Geldgiganten, Rainer E. Gut, führten zum Rücktritt. Es spricht für den Banker, dass seinerzeit Gerüchte in der Presse kursierten, der Kunstfreund habe sich gesträubt, einen radikalen Personalabbau durchzuziehen. Danach wechselte Ackermann in den Vorstand der Deutschen Bank - die Internationalisierung von Vorständen und Aufsichtsräten war in der zweiten Hälfte der Neunziger en vogue. Seither sahen viele Beobachter in dem noch relativ jungen Aufsteiger den Kronprinzen des Hauses. Als Vorbild des 52-jährigen gilt Alfred Herrhausen, der 1989 bei einem Attentat ermordete Deutsche-Bank-Chef. Keine Überraschung, blickt doch in manchem Vorstandszimmer der intern umstrittene Herrhausen aus einem Fotorahmen auf die Besucher herab - ein Intellektueller, der sich dem Klischee des bornierten, manisch geldfixierten Bankiers widersetzte. Noch in seinem Todesjahr hatte er einen Vortrag in St. Gallen gehalten und für einen einheitlichen europäischen Finanzmarkt plädiert - als Unterbau globaler wirtschaftlicher Expansion. Herrhausen wäre nicht der selbst von seinen Kritikern geschätzte Stratege gewesen, wäre es ihm allein um Profitmaximierung gegangen: »Man täte der europäischen Integration Unrecht, wollte man sie lediglich als Mittel zum Zweck, für eine bessere weltwirtschaftliche Positionierung begreifen«, meinte er damals. Nein, ein integriertes Europa habe einen »hohen Eigenwert«, sei eine historische wie politische Notwendigkeit, auch wenn es keine globalen Effekte gäbe. Ackermann sieht sich wohl als Erbe eines solches Credos. Wie Herrhausen scheint auch er dem amerikanischen Shareholder-value-Gebaren eher mit Skepsis zu begegnen: »Ich bin kein Anhänger einer vollkommen unkontrollierten Allokation von Kapital.« Die Dynamik von Geld und Kapital bedürfe der gesellschaftlichen Unterfütterung. Das Modell Deutschland mit seinem sozialpolitischen Konsensbedarf lässt grüßen. Beobachter in Frankfurt halten sich dennoch in Reserve: »Ob die Berufung gut ist, muss sich noch zeigen«. Einig ist man sich, in Ackermann einen der Stillen im Lande zu sehen. Das müsse nichts Schlechtes heißen. Alles in allem gilt er doch mehr als »unbeschriebenes Blatt mit Vorschusslorbeeren«. Solche hatte im Mai 1997 auch Rolf Breuer eingeheimst, als er die Spitze des Hauses übernahm. Wie Ackermann stand er im Geruch des global denkenden Investmentbankers. Heute bleibt an ihm eine geplatzte Fusion hängen - die kläglich gescheiterte Übernahme der Dresdner Bank, vielleicht das größte Desaster in der über 125-jährigen Firmengeschichte. Mitverantwortlich dafür war jedoch auch Ackermann. Zwar gilt im DB-Vorstand längst nicht mehr in jedem Fall das strikte Konsensgebot, aber der gescheiterte Fusionsplan wurde dennoch einstimmig beschlossen.

Hermannus Pfeiffer ist Autor des jüngst bei erschienenen Buches Die Zähmung des Geldes. 16,90 DM.

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