Klassenkampf in der Finanzbranche: Sparkassen schimpfen lautstark über ihre Konkurrenten, die Großbanken, deren Macht sei unerträglich. Versicherer sorgen sich um die reißerische Reklame der Investmentfonds und fürchten die Pläne der Bundesregierung, Lebensversicherungen zu besteuern. Und die Investmentbranche dringt mit neuen AS-Fonds (Altersvorsorge Sondervermögen) in das traditionelle Terrain der Assekuranz ein. In die jahrzehntelang ruhenden Märkte kommt Bewegung.
Am härtesten trifft es die Versicherungswirtschaft. Bislang hatte sie faktisch ein Monopol auf die private Altersvorsorge: "Lebensversicherung" hieß die allgemein bekannte Antwort auf die Geldfragen der 20- bis 50-jährigen. Langfristige Sparprodukte der Banken und Sparkass
nken und Sparkassen wirkten gegenüber der Lebensversicherung unattraktiv, und Aktien sowie Investmentfonds sind den meisten Bundesbürgern bis heute mehr als suspekt. Allein im vergangenen Jahr wurden hierzulande mehr als 7,4 Millionen neue Versicherungsverträge verkauft, von der klassischen Kapital-Lebensversicherung bis zur fondsgebundenen Rentenversicherung. Die Kundschaft zahlte 1998 Beiträge in Höhe von 115 Milliarden DM.Seit November vergangenen Jahres sind die AS-Fonds in die Domäne von Versicherungen und Banken eingedrungen. Bei ihnen handelt es sich um spezielle Varianten von Aktienfonds, versehen mit minimalen staatlichen Auflagen. Möglich wurden diese Sonderfonds - wie viele Modernisierungen auf dem deutschen Kapitalmarkt auch - erst durch im Mai 1998 vollzogene Novellierung des Aktienrechts. Inzwischen sind mehr als 40 AS-Fonds auf den Markt marschiert, weitere Investmentfirmen haben beim Bundesaufsichtsamt einen Zulassungsantrag gestellt. Damit sind die neuen Produkte flächendeckend in der Branche präsent. Das verwaltete Vermögen beträgt unter zwei Milliarden Mark - im Vergleich zu den Versicherungseinnahmen (noch) Kleingeld. Was andauert, ist jedoch die aggressive Attacke auf den bis dahin nahezu unangefochtenen Heimatmarkt der Versicherungswirtschaft. Und dass die Fondsbranche mit ihren vielfältigen Anlageprodukten im Kommen ist, zeigt sie seit Mitte der neunziger Jahre. Mittlerweile verwalten 1.400 Publikumsfonds ein Vermögen von mehr als 600 Milliarden DM.Die zweite Attacke auf das traditionelle Feld der Lebensversicherungen kommt aus Berlin. Die geplante Steuerreform der Bundesregierung will das Privileg der Versicherungsverträge brechen und Erträge versteuern. Bislang sind die Gewinne aus Lebensversicherungen nach einer Laufzeit von zwölf Jahren steuerfrei. Trotz vergleichsweise mäßiger Rendite kann sich daher eine Lebensversicherung für den Kunden lohnen. Und mit diesem Steuerprivileg garnieren 400.000 Außendienstler, Versicherungsvermittler und Makler seit Jahrzehnten ihre Verkaufsgespräche. Damit wäre Schluss, wenn die Bundesregierung diesmal hart bliebe - in der Vergangenheit waren Regierungen mit ähnlichen Plänen immer wieder eingeknickt vor der Versicherungslobby. Diesmal nutzt die Branche den politischen Ansturm zum eigenen Gegenangriff. Medialer Reklamerummel und konzerngesteuerte Verkaufsoffensiven treffen sich in dem einen Argument: "Jetzt noch schnell abschließen, bevor die Steuerfalle zuschnappt!" Das (Schein-) Argument zieht: Die Umsatzkurve geht rasant noch oben. Verbraucherschützer warnen jedoch vor übereilten Vertragsabschlüssen, meistens seien andere Geldanlagen günstiger.Auch zwischen den Kreditinstituten gibt es reichlich Konfliktstoff. "Private Großbanken greifen das öffentlich-rechtlich Kreditwesen an", warnt die Sparkassenorganisation in ganzseitigen, knallroten Zeitungsanzeigen. Sparkassen und Landesbanken sehen ihre Grundlagen bedroht durch eine schwebende Klage in Brüssel. Das Ziel der Großbanken-Angriffe sei klar: "Weniger Wettbewerb, stärkere Marktkonzentration, Steigerung der eigenen Gewinne."Akuter Reibungspunkt ist eine seit 1994 anhängige Beschwerde der privaten Banken bei der Europäischen Kommission. Die Klage zielt auf das Eigenkapital der Sparkassen und damit auf den höchstmöglichen Umfang von Krediten und Finanzanlagen, denn es gilt der Grundsatz: "Je höher das Eigenkapital, desto größer das erlaubte Geschäftsvolumen." Der Vorwurf der privaten Institute lautet, Sparkassen würden Vermögen als Eigenkapital bewerten, das keines sei, oder es werde von den staatlichen Eigentümern zu billig bereitgestellt. Damit entstünden irreguläre Wettbewerbsvorteile.Auslöser der Klage ist die Überschreibung der nordrhein-westfälischen Wohnungsbauförderungsanstalt auf die Westdeutsche Landesbank (WestLB), die jene heute als Eigenkapital nutzt. Das Bundesland habe der WestLB dieses Vermögen zu einem Dumpingzins überlassen - und so faktisch eine Subvention von 1,6 Milliarden DM gezahlt. Im Juli erklärte die EU-Kommission den Fall zu einer unzulässigen Beihilfe, wodurch die WestLB bis zum Jahresende die 1,6 Milliarden "zurückzahlen" müsste. Die Sparkassen wollen dagegen alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, schließlich sei die Entscheidung "grob fehlerhaft" - und geht ans Eingemachte.Der neue EU-Wettbewerbskommissar Monti versprach schon vor seinem Amtsantritt, sich der Sache alsbald anzunehmen. Das verheißt nichts Gutes für die Sparkassen, die sich zurecht als anti-oligopolistisches Gegenwicht in der Geldwelt begreifen. Freilich wird letztlich der Kampf in der Finanzklasse nicht juristisch entschieden werden. So lässt der Vertrag von Amsterdam genügend Spielraum für die Auffassungen beider Seiten. Der Rest ist Politik.Die akute Hektik der gesamten Finanz-Szene erklärt sich auch aus Umbrüchen am Markt. Einerseits sind die Geschäftsanteile scheinbar zementiert, Bankkunden wechseln selten ihr Konto. Neugeschäft ist nur mühselig und kostenintensiv zu akquirieren. Zudem stagniert das Marktvolumen insgesamt. Anderseits drängt internationale Konkurrenz auf den zweitgrößten Finanzmarkt der Erde, wächst eine moderne und unverbindliche Kundengeneration heran und steigen die eigenen Ansprüche der Finanzdienstleister: Eine Eigenkapitalrendite von 20 Prozent wie bei der Deutschen Bank erfüllt längst noch nicht alle Wünsche.Trotz prachtvoller Profitabilität sind die nächsten Ziele im Massengeschäft nur durch weitere Rationalisierungen zu erreichen. Solche Rationalisierungen setzen aber größere Betriebseinheiten und daher weitere Fusionen voraus. Vor diesem Hintergrund sind Gedankenspiele, wie ein Zusammenschluß von Dresdner und Deutscher Bank oder die Übernahme von Sparkassen, zu bewerten. Dann könnten kostenintensive Filialen geschlossen, Datenverarbeitungen zentralisiert und Vermögensverwaltungen zusammengelegt werden. Hinter dieser Fassade der Kapitalfusionen sind die Vertriebsgrenzen dabei, sich aufzulösen. Banken verkaufen immer mehr Versicherungspolicen und Fondsanteile, der Assekuranz gehört ein Drittel des Umsatzes der Investmentfonds und die übrige Investmentbranche ist hierzulande - anders als in den USA - ohnehin ein Ableger der Banken.