Viel Feind, viel Ehr? Im Falle der Sparkassen und Landesbanken hat dieser Satz möglicherweise seine universelle Gültigkeit verloren. Dabei mangelt es denen wahrlich nicht an "Feinden", weder von außen noch von innen. Die privaten Banken klagen gegen deren Privilegien. Die Europäische Kommission geht gegen die Westdeutsche Landesbank (WestLB) vor, weil der in Gestalt der nordrhein-westfälischen Wohnungsbauförderanstalt eine unzulässige Eigenkapital-Subvention im Umfang von 1,6 Milliarden Mark zugeflossen sei. Viele Stadtkämmerer denken über den Verkauf ihrer kommunalen Geldinstitute nach. Und nun auch noch der Filz mit der Politik, der in den nordrhein-westfälischen Himmel stinkt.
Zwar werben die öffentlichen Geldinstitute nicht mit dem Slogan "Die Geburtstagsfeier zahlt ihre Sparkasse", aber hinter den Kulissen scheint weniger Zurückhaltung üblich. Und das bereits seit längerem und nicht nur in NRW. Lange bevor publik wurde, dass sich der heutige Bundespräsident Rau einst durch die WestLB Stehempfang und Sekt sponsern ließ, wurde immer wieder über Filz und Vorteilsnahme berichtet. Das SPD-Büro im achten Stock des örtlichen Sparkassenhochhauses, der Bürgermeister im Verwaltungsrat und mit üppigem Reiseetat oder der Kartenverkauf öffentlicher Museen über die Filialen der örtlichen Finanziers, die dafür wohl überteuerte Tantiemen einstrichen - solche Sumpfblüten weckten immer wieder Miss trauen, ließen finstere Gerüchte kursieren oder handfeste Vorwürfe laut werden. Vorläufiger Höhepunkt ist die Vermutung, der nordrhein-westfälische Finanzminister Schleußer habe eine geplante Durchsuchung seitens der Steuerfahndung "rechtzeitig" an seine Spezis von der WestLB verraten. Die Fahnder sollen dort nur noch klinisch reine Akten vorgefunden haben. Ob justiziabel oder nicht, dass mögen im Einzelfall die Gerichte entscheiden. Politisch betrachtet, hat der öffentliche Banksektor in Deutschland längst seine Unschuld verloren.
Visite in Rom
Der Mafia-Experte Werner Raith berichtete vor mehr als einem Jahrzehnt über eine merkwürdige Einladung durch einen Polizeisprecher in Rom. Die erste Überraschung kam mit der schriftlichen Bestätigung des Termins: Nur zwei Polizisten sollten dabei sein und ansonsten acht Journalisten sowie ein Sparkassendirektor und sein Vize - so stand es auf dem offiziellen Papier just dieser Sparkasse. Tatsächlich kam dann, im Mai 1987, die Crème de la Crème der örtlichen Polizeireporter, dazu ARD, ZDF, RTL und Bild, alle untergebracht im feinen Hotel Forum, freigehalten von den Bankern.
"Ich stellte meinen Vortrag ganz darauf ab, wie in Italien die Einnistung der Mafia begann: mit einer immer engeren Verfilzung derer, die einander eigentlich kontrollieren sollten, von Politikern, Beamten, Geschäftsleuten, Journalisten - so lange, bis dann jeder jeden in der Hand hatte." Keiner der damaligen Rom-Reisenden kam auf die Idee, dass auch er gerade, diesen Worten lauschend, in eine solche Verfilzung hineinlief. "Wie wollen diese Polizisten denn nun im Zweifelsfall gegen diese Bank ermitteln, wie sollen diese Journalisten kritisch über Polizei oder Sparkasse berichten, wenn sie fürchten müssen, dass sie dann jemand an ihre nur notdürftig als Infofahrt kaschierte Vergnügungsreise auf Sparkassenkosten erinnert?", fragte Raith damals in seinem Buch "Meine Mafia - deine Mafia".
Solche Veranstaltungen wären mittlerweile auch hierzulande denkbar. Von bayerischen Amigos über Kohls Parteispenden, von Bodo Hombachs Haus bis zur sparkassenfinanzierten Rau-Fete zieht sich eine Spur politischer Amoral durch das moderne Establishment. Dabei geht es bisher nicht um organisierte Kriminalität, um Mafia und geheimbündelnde Strukturen von Kriminellen. Eher steht zu vermuten, dass die Akteure sich schuldlos wähnen und an das systematische Geben und Nehmen gewöhnt haben.
In diesem Filzsystem bilden die Sparkassen einen Sonderfall mit besonders langer Tradition. Ihre Entstehung geht auf Reformbestrebungen des städtischen Armenwesens im 18. Jahrhundert zurück. Sparen für die Not lautete das Motto, ein anderes Hilfe zur Selbsthilfe. So ist die Sparkassengeschichte auch teil der sozialen Geschichte in den USA, Frankreich oder Deutschland. Ihre Wurzeln finden sich sowohl in der bürgerlichen "Harmonielehre der Nationalökonomie" - wie es noch in den fünfziger Jahren in einer gewerkschaftlichen Geschichte der Volkswirtschaft abschätzig heißt - als auch in radikaleren Traditionen der Arbeiterbewegung. Zu den Gründern von Sparkassen gehörten auch Gewerkschaften und Konsumvereine.
Deutscher Sonderweg
Möglicherweise hat diese Ambivalenz, zwischen systemtragender Reform und reformistischer Revolte, den Sparkassen - wie auch Konsumvereinen und diversen Genossenschaftsformen - zum Durchbruch verholfen. Und möglicherweise ist diese vielleicht typisch deutsche Ambivalenz auch der Grund dafür, dass Sparkassen sich insbesondere und fast ausschließlich in Deutschland durchsetzen konnten, während sich in den USA aus den Finanzinstituten für kleine Leute eher kommerzielle Sparbanken entwickelten und im übrigen Europa genossenschaftliche Geldhäuser. Bezeichnenderweise wandelten sich Frankreichs Sparkassen im Dezember in "demokratischere" Genossenschaften um.
In Deutschland bedurfte es der etatistischen Unterstützung. Im 19. Jahrhundert erhielt das Sparkassenwesen vor allem in Preußen seinen entscheidenden Auftrieb durch eine fördernde Gesetzgebung. Und als sich 1909 aufgrund einer Finanzreform das Sparkassennetz ausweiten konnte, wurden auch die Aufgaben, welche bis dahin Spar-, Darlehens- und Sterbekassen der Lohnabhängigen und Gewerkschaften ausfüllten, von den öffentlichen und kommunalen Sparkassen übernommen. Staat und Sparkassen waren dadurch eine enge Liason eingegangen, bis heute.
Lange bevor die privaten Banken in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts die Massen als Kundschaft entdeckten, hatten sich Sparkassen um die sichere und verzinsliche Anlage kleinerer Geldbeträge - vor allem von Handwerkern oder Händlern - gekümmert. Sparkassen waren es dann auch, die erstmals Darlehen an "kleine" Leute verliehen. Von Anfang an waren sie gemeinnützige Einrichtungen und somit nicht an maximalen Gewinnen orientiert.
Grün-Schwarze Gefahr
Das ist vom Grundsatz her bis heute so geblieben. "Der Kern dieses öffentlichen Auftrages", so das Bundesfinanzministerium, "ist die Präsenz in allen Regionen und Kundengruppen." Keine Selbstverständlichkeit, denn wer würde auf dem flachen Land eine Ein-Mann-Filiale unterhalten, wenn nicht Sparkassen oder Genossenschaftsbanken? Und viele private Banken zielen längst nur noch auf das Top-Viertel der Einkommensbezieher. Kein Wunder also, dass Kommunen und Länder, denen die meisten Sparkassen gehören, immer noch mehrheitlich an dieser öffentlich-rechtlichen Institution festhalten. Sparkassen sollen die regionale Wirtschaft stützen, der Kommune günstige Finanzierungen sichern und als nobler Sponsor für Sport und Kultur auftreten. Stadt, Gemeinde oder Land sichern im Gegenzug durch die sogenannte Gewährsträgerhaftung ihren Bestand.
Viele Kommunalpolitiker von den Grünen bis zur CDU träumen allerdings vom Verkauf ihrer Sparkasse. Das liegt im wirtschaftsideologischen Trend und würde den Städten und Gemeinden neue finanzielle Spielräume eröffnen. Dennoch wären solche Verkäufe reichlich kurzsichtig. Mit ihren 50 Millionen Kunden bilden Sparkassen und Landesbanken ein stabiles Gegengewicht gegen die privaten Großbanken, wenigstens für die Mehrheit der Verbraucher. Festgelegt in den Sparkassengesetzen der einzelnen Bundesländer erfüllen sie damit einen öffentlichen Auftrag. Tatsächlich haben sie in der Vergangenheit eine lokal-regional orientierte Geschäftslogik praktiziert, die sich hinreichend von den national-international ausgerichteten privaten Banken unterscheidet. Manifestiert hat sich der Unterschied im Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen. Viele von ihnen haben Krisensituationen im vergangenen Jahrzehnt nur überlebt, weil der Kredithahn nicht sofort zugedreht wurde, nachdem erste Signale der Schwäche ertönt waren. Solche Zugeständnisse haben natürlich auch ihren Preis. So sind die Sparkassen von der andauernden Pleitewelle im deutschen Mittelstand besonders betroffen.
Hinzu kommt eine weitere ökonomische Schwäche. In über 19.000 Filialen haben die insgesamt 579 Sparkassen im vergangenen Jahr eine Bilanzsumme von zusammen rund 1.800 Milliarden Mark erwirtschaftet. Die Deutsche Bank dagegen verfügt nur über ein Zehntel der Niederlassungen, schafft damit aber ein ähnlich großes Geschäftsvolumen. Man müsse die Kräfte bündeln, um Kosten zu sparen und eine gewisse Marktgröße zu erreichen, fordert deshalb der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hoppenstedt. Dagegen aber sperren sich Traditionalisten. Sparkassenvorstände und Verbandsobere fürchten um ihre Posten, und die kommunalen Eigentümer der Sparkassen bangen um ihren Einfluss. Zudem könnte ein radikaler Rationalisierungskurs die Harmonie mit Beschäftigen und Gewerkschaften sprengen. Schon sprechen Branchenbeobachter von "einem Weg, wie die Großbanken ihn beschreiten". Die Sparkassen müssten aufpassen, nicht ihre eigentliche Stärke zu verlieren: die kommunale Verankerung.
Andere Experten hoffen, dass die Sparkassen statt dessen ein Beispiel geben, wie der Weg in die Zukunft sozialverträglich und kundenfreundlich beschritten werden kann. Diese Retter der Sparkassen und damit des Wettbewerbs werden allerdings nur dann gute Karten haben, wenn sie gleichzeitig den systematischen Filz schonungslos bekämpfen.
Zum Weiterlesen: Hermannus Pfeiffer, Die Zähmung des Geldes - Finanzplatz Deutschland gegen den globalen Crash, Rowohlt-Verlag, DM 16,90 (erscheint im März 2000)
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