Für Daniel Richter und viele weitere zeitgenössische Künstler steht fest, dass es die romantische Idee nicht mehr geben würde, dass der Künstler ein verrückter Zeitgenosse sei, der verrückte Sachen machen würde. Stattdessen werden von den Kunsthochschulen Leistungsnachweise verlangt, wie viele erfolgreiche Künstler sie pro Periode produzieren würden. Dieses Phänomen wird oftmals als "Neoliberalisierung" des Kunstmarktes beschrieben, da auf ein Objekt Wettbewerbs- und Leistungsprinzipien angewendet werden, das als Kunstwerk grundsätzlich durch keine objektiven Kriterien messbar zu sein scheint. Hierzu ein Beispiel: Jonathan Meese gilt heute für viele Kunstinteressierte als angesagter Künstler. Wer jedoch ein Werk von Meese bei sich zu Hause hat, der muss wissen, dass Meeses Werke eine Vermengung der Kunststile von Jean-Michel Basquiat und Anselm Kiefer darstellen. Da das in der Regel nicht erkannt wird, gehört Meese zu den überbewerteten Künstlern. Daniel Richter ist der Auffassung, dass die Kunst zwar ein bisschen gesellschaftliche Kritik und Reflexion üben dürfe, aber die Kunst dürfe nicht sagen: "Die Gesellschaft ist scheiße, ihr seid scheiße, ihr widert mich an, ihr Drecksfaschisten." Zugegeben, die Kunst sollte so etwas nicht sagen. Dennoch bedeutet der Wettbewerbsdruck auch, dass es häufig Nachahmungseffekte innerhalb der Kunstszene gibt. So sagt Jonathan Meese: "Ich sehe ja jetzt schon Leute an den Kunsthochschulen, die benutzen SS-Symbole und Hakenkreuze, zeigen mir das und sagen, das hätten sie von mir. Dabei ist das gar nicht von mir und verkommt so zu Design, zu Mode." Nein Danke, mit so einem Bruderschaftsfaschismus will man nichts zu tun haben, und schon gar nicht, wenn es "nur" zu Design und Mode verkommen ist. Die Neoliberalisierung des Kunstmarktes hat allerdings dazu geführt, dass Künstler, die sich als "Marken" begreifen und dementsprechend ihr Image "pflegen" auf bestimmte Strukturen im Kunstmarkt zurückgreifen können, die einen solchen Kommunikationsmodus selber praktizieren. Künstler wie Damien Hirst, Takashi Murakami, Elisabeth Peyton, John Currin und viele mehr sind daher nicht nur im handwerklichen Sinne "Künstler", sondern vor allen Dingen auch Markentingfachleute des Kunstmarktes.
Kommentare 3
Hier ist Gerhard, hier kaufe ich ein ...
Meese als Beispiel ist etwas alleinstehend. Man könnte den an Kunst überaus uninteressanten Neo Rauch z.B. mal diskutieren, der eine Schule gegründet zu haben für sich in Anspruch nimmt und damit ganze Kunstmärkte übergreifend mit sich selbst paralysiert.
Zum "Bruderschaftsfaschismus" mit Verlaub: Es ist unerheblich, den Fascismus mit dem Bruderwort voran zu versehen. Die Liktoren - später (add.) die Prätorianer stellen bereits eine solche "brüderliche" Vereinigung dar.
Lieber Gill Bost,
Kunst braucht meiner Meinung nach kein politisches Statement wie beispielsweise gegen Drecksfaschisten, das sich Daniel Richter offenbar wünscht. Denn Kunst muss nicht politisch, religiös oder sonstwie ideologisch motiviert sein. Ansonsten reden wir von Staatskunst (bspw. Sozialistischer Realismus) oder von Kirchenkunst (bspw. biblische Darstellungen).
Und zum "Bruderschaftsfaschismus": Ich hatte hier einen Blog beim Freitag gelesen, der unter dem Titel "S.S. Bruderschaft" Thilo Sarrazin und Peter Sloterdijk als faschistische Brüder im Geiste aus meiner Sicht etwas beleidigt hat. Ich fand das extrem unpassend, auch wenn beide Autoren sicherlich problematische Referenzen zulassen.
Ich erlebe es auch hin und wieder, dass ich als rassistisch oder homophob bezeichnet werde und wundere mich immer nur, wie wenig solche Behauptungen belegt werden.
In diesem Sinne meine ich nur: Es gibt ja die so genannten "Burschenschaften", und all diese anderen etwas brüderlich anmutenden Bünde, die mir immer dann etwas problematisch erscheinen, wenn der gemeinsame Zusammenhalt vorwiegend durch einen gemeinsamen Gegner hergestellt wird. Es ist dann oftmals so, dass die Bruderschaft erst durch einen gemeinsamen Feind begründet wird, und daher meine ich, auch der Bruder an deiner Seite kann ein Konkurrent sein. Man sollte keinen gemeinsamen Feind brauchen, um das vergessen zu lassen. Ich möchte eine Bruderschaft also nicht hauptsächlich von einem gemeinsamen Feind abhängig machen.