Im Mega-Supermarkt. Der Einkaufswagen ist voll, ich verfrachte reichlich Lebensmittel auf das Band. Der Kassierer begrüßt mich und murmelt etwas Unverständliches, das klingt, wie: „Haben Sie auch alles bekommen?“, oder so, dabei reckt er seinen Kopf zum leeren Einkaufswagen. Doch es geht ihm gar nicht um eventuell darin Verbliebenes. Vielmehr zeigt er auf eine Nummer an der Seite des Wagens und tippt diese in die Kasse ein, danach erfasst er meine Waren.
Dieses kleine Schild am Wagen war mir gar nicht aufgefallen. Es ist so eine gestanzte Metallplakette mit einer handgeschlagenen, demnach singulären Zahl, eine Art Nummernschild. Während ich die Käufe wieder in den Wagen lege, frage ich mich: Wozu braucht ein Einkaufswagen eine individuelle Nummer – und warum ist sie für das Kassieren meiner Einkäufe von Bedeutung?
Okay, vielleicht für die Wartung: wenn der Wagen ein Makel hätte, könnte man melden, „bei Nummer 7142 schleifen und eiern die Räder“; oder „die Klappen für den Kindersitz machen Sperenzchen“. Mein Einkaufswagen ist aber vollkommen in Ordnung, ich muss nichts monieren. Wofür also tippt der Kassierer diese individuelle Wagennummer im Zusammenhang mit meinem Einkauf ein?
Wird vielleicht der am häufigsten benutzte Wagen ausgezeichnet, als Wagen des Monats? Oder bekommt der mit dem meisten Umsatz, mit den meisten Waren pro Fahrt eine Art Belohnung? Misst der Wagen vielleicht mit einem Meterzähler die zurückgelegte Strecke und das wird dann ins Verhältnis zu den eingekauften Waren gesetzt, um anhand einer ausgeklügelten Shopping-Erlebnis-Formel das Verhältnis von Gesamtverkaufsfläche zu Kundenstrecke zu Einkaufswagenvolumen und gekauften Waren pro Einkauf zu errechnen? Und wenn – wozu das alles?
Dann sehe ich auf dem Band diese Packung neuartiger „Cerealien“, die hatte ich weder auf dem Einkaufszettel noch benötige ich sie wirklich. Wenn ich es genau überlege, weiss ich eigentlich gar nicht wieso ich die … ?
Da macht es auf einmal Klick bei mir: Natürlich!
Diese modernen Einkaufswagen sind wahrscheinlich viel intelligenter und autonomer, als wir es ahnen.
Ich meine, jeder kennt das: Mitten im Einkauf stellt man seinen Wagen in irgendeinem dieser hinteren Milchprodukte-Gänge ab, weil man im Gemüseabteil noch etwas besorgen muss, also zum Eingang. Oder wo auch immer die Gemüseabteilung gerade wieder ist. Und wenn man zurück kommt, steht der Wagen plötzlich ganz woanders. Klar, man erinnert sich falsch oder vielleicht hat ein anderer Kunde ihn nur kurz zur Seite geschoben oder er stand einem Auspacker im Weg … denkste!
Wahrscheinlich fahren die Wagen ganz alleine dort hin! Weil ihnen das nämlich durch gewievte „Shopping-Experience-Consultants“ vorher einprogrammiert wurde. Geleitet von Induktionsschienen im Fußboden stellen sie sich genau dort in Position, wo Neuheiten, Angebote und Promotionartikel platziert sind – damit ich als Kunde diese auf jeden Fall sehe und dann zugreife.
Ist mir völlig klar: gerade in diesen riesigen Megamärkten gibt es eine Vielzahl an Gängen, da kommt man an bestimmten Regalen oder Truhen oder Tischen praktisch nicht vorbei. Und das finden weder die Produkthersteller noch die Händler gut. Also arbeiten sie an immer wieder neuen Tricks, wie diesem: Autonome Einkaufswagen.
Und wenn man den Wagen nun gar nicht abstellt? Dann zieht er die für ihn vorgesehene Route natürlich trotzdem durch. Und zwar führt er einen mit sanftem, motorgetriebenem Druck zu den vorprogrammierten und von den Lieferanten zusätzlich bezahlten „Hot-Stop-Spots". Dieses Führen geschieht so unmerklich, dass man es für eine Art intuitiven Impuls hält, dem man nachgibt, ohne ihn zu hinterfragen. Und auch das kennt man: nach einer Weile in so einem Riesenladen biegt man unwillkürlich und letztlich irrational mal in jenen Gang ab oder macht abrupt eine Kehrtwende zu diesem einen Regal. Aber jetzt ist es mir klar: Keine innere Stimme leitet uns dorthin sondern der Einkaufswagen selbst! Natürlich ist die Route für jeden Wagen anders, ansonsten liefen ja alle wie die Skilangläufer in einer unsichtbaren Loipe hintereinander – das fiele sofort auf.
Ja, unser Einkauf wird auf subtile Art und Weise fremdgesteuert. Und wenn wir dann (endlich) an die Kasse kommen, gleicht die Kassensoftware anhand der Wagennumer und der eingekauften Waren ab, an welchen der vorprogrammierten „Must-see“-Stationen wir tatsächlich zugegriffen haben. Aus diesen Daten ziehen die superwichtigen Supermarktvisoren haufenweise Erkenntnisse über unser Kaufverhalten, die Art der Warenpräsentation – und über die Programmierung der Einkaufswagen-Routen. Eigentlich ein sehr, sehr geiles Konzept, denke ich …
„Ähem, Entschuldigung!“ Der Kassierer reisst mich aus meinen Gedanken und bittet freundlich um's Bezahlen. Beim nachfolgenden Umpacken der Einkäufe in meine Taschen sehe ich mir noch einmal das Nummernschild des Einkaufsagens an; unter der Ziffernfolge steht der Schriftzug „i-Kart – Unser Weg ist das Ziel“. Und plötzlich erinnere ich mich deutlich, was der Kassierer vorhin gesagt hatte: „Haben Sie auch alles genommen?“
Ha! Damit hat er sich verraten. Ich weiß Bescheid, Leute!
Kommentare 9
Meines Erachtens haben die Nummern nur den Zweck, die Kassierer zu nötigen, den unteren Teil des Wagens zu betrachten (in dem man idR auch Waren unterbringen kann). Ist zumindest meine Vermutung, auf diese Weise können die das nicht vergessen, weil sich die Kasse sonst nicht öffnet.
Aber autonome Einkaufswagen wären nicht schlecht, solange die immer nur kaufen was ich brauche :-)
Leichte Paranoia im Anmarsch?
Was denn nun? Was hat die die Kassiererin denn wirklich gefragt: „Haben Sie auch alles bekommen?“ oder „Haben Sie auch alles genommen?“
Hey, das dürfen Sie entscheiden! (Auch das mit der Paranoia ;-)
Die Nummern an den Wagen bei Kaufland sind lediglich dazu da, dass der Kassierer einen Blick auf den Wagen werfen kann (er muss ja die Nummer suchen um sie dann einzutippen) um zu kontrollieren, ob nichts im Wgaen verblieben ist. Das will man aber nicht so offensichtlich gestalten, damit der Kunde nicht denkt, man unterstelle ihm Diebstahl. Die Nummern werden einfach eingetippt, es passiert nichts damit und sie sind bedeutungslos. Wurde mir von einer ehemaligen Kassiererin erzählt (Kaufland beschäftigt viele Studenten als Kassierer, die Wahrscheinlichkeit ist groß, mal jemanden zu treffen, der den Job schon gemacht hat). Bei penny wiederum sind sie da offener, man wird aufgefordert, den Wagen mal kurz zur Kasse zu drehen, damit die Kassiererin schauen kann ob der denn leer ist. Ich witzel dann immer rum, dass ich den Rest im Rucksack habe - die nehmen das durchaus mit Humor. Neulich grinst einer und meint dann "Ok, da schlagen dann die Hunde draußen an".
Meines Erachtens haben die Nummern nur den Zweck, die Kassierer zu nötigen, den unteren Teil des Wagens zu betrachten (in dem man idR auch Waren unterbringen kann).
That's it!
http://forum.chip.de/smalltalk/erfasst-kaufland-einkaufswagennummern-1071999.html
Hest's Geschichte ist aber auch sehr gut. Man könnte sie freilich noch weiter spinnen. Z.B. dass in das Nummernschild ein Chip integriert ist, der den Wageninhalt erkennt und an die NSA meldet, die auf diese Weise erfährt, was der Deutsche so frisst, damit die Amis beim Aushandeln für TTIP schon vorher wissen, mit welchem Chlorhähnchenverbrauch sie rechnen können. Oder so.
Danke für den Link (zum Forum auf Chip.de), sehr aufschlussreich; bis vor kurzem gab es in meiner Nähe kein Kaufland und ich war auch erst zweimal dort. Dass die das schon sechs Jahre so praktizieren, es aber anscheinend keine Nachahmer gibt, spricht ja auch für sich. Und die Theorie mit dem TTIP-Chip klingtabsolut plausibel. Setze ich auf die Agenda für unseren nächsten Stammtisch, am 31. Juni in der Verschwörungskneipe „Stein und Bein“ ;-)
Angesichts der Tatsache, dass alle Welt mit Karte zahlt (die gekauften Waren also leicht einer Person zugeordnet und mit ziemlicher Sicherheit irgendwo gespeichert werden können) wäre das ein überflüssiger Aufwand :-)
Einige geben per Payback ja auch noch freiwillig ihre persönlichen Daten an den Supermarkt weiter (der normalerweise nur die Kontonummer bekommen sollte).
An der Verteilung der Wagennummern kann man sehen, ob die Kassierenden auch wirklich immer geschaut haben, Nummern ausdenken oder immer 333 fällt auf.
Aber eigentlich ist es für die Gesundheit, hält den Kreislauf in Schwung und den Knorpel geschmeidig. Senkt den Krankenstand. Vielleicht.
gestern zu zweit einkaufen und meine begleitung bringt "schon mal" den wagen weg. da wurde ich ganz aufgeregt, weil dann kann ja keiner auf die nummer schauen, das geht doch nicht. dann fiel mir ein. doch geht. ging auch.