Arabisch

A–Z Heute sind Arabischkurse Wochen vorher ausgebucht, und jedes Kind weiß: Das H in Hommus ist ein stimmloser Rachenreibelaut. Unser Lexikon der Woche
Ausgabe 39/2015

A

Alif Alif ist der erste Buchstabe des arabischen Alphabets und dem Namen nach offensichtlich mit dem hebräischen Aleph und dem griechischen Alpha verwandt. Im Schriftbild erscheint es nur im Anlaut und als langes A, denn im Arabischen werden nur lange Vokale geschrieben. Das Alif ist ein langer, vertikaler Strich, in der Schreibschrift wird es nur zu seinem rechten Nachbarn verbunden, damit man es von einem L unterscheiden kann. Oft steht es nicht allein, sondern hat einen kleinen Hut: Im Arabischen wird ein sogenannter Glottisschlag mit dem Vokalzeichen Hamza im Schriftbild wiedergegeben. Ein Glottisschlag ist das einmalige Öffnen und Schließen der Stimmlippen, wie wir es bei dem Wort „unumgänglich“ zwischen dem „un“ und dem „um“ machen. In der Kalligrafie ist das Alif leicht gebogen, wie ein Riedgras im Wind. Es hat in den meisten Schrifttypen die exakte Länge von drei Punkten. Nur einmal erscheint ein langes A nicht als eigener Buchstabe, sondern als Vokalzeichen: in dem arabischen Wort für Gott, Allah. Sophie Elmenthaler

D

Diwan Derzeit erreichen Tausende Syrer Deutschland. Viele sorgen sich, dass ihre Integration nicht gelingen wird. Dabei haben die Deutschen arabische Wörter schon vor Jahrhunderten erfolgreich bei sich aufgenommen: „Admiral“ stammt von amir und bedeutet Befehlshaber, „Kaffee“ von qahwa und heißt „anregendes Getränk“. Auch aus dem Persischen haben es Wörter (➝ Papillon) nach Europa geschafft: „Diwan“ steht für Sammlungen von Poesie und Prosa. Goethe verwendete den Ausdruck in seinem West-östlichen Divan. Die meisten dieser Wörter wanderten in Folge der Kreuzzüge und der daraus resultierenden intensiveren Beziehungen zwischen Abend- und Morgenland nach Europa ein. Die Europäer setzten sich mit den arabischsprachigen Wissenschaften auseinander und stießen dabei auch auf die antiken griechischen Werke. Die orientalischen Gelehrten hatten sie zu Zeiten der Völkerwanderung germanischer Gruppen nach Südeuropa übersetzt und so vor dem Verschwinden bewahrt. Behrang Samsami

E

Entstehung Was heute weltweit als Arabisch gilt, war einst der Dialekt von Mekka, in welchem um 610 dem Propheten Mohammed durch den Erzengel Gibril (Gabriel) Allahs Koran verkündet wurde. Da Mekka schon in vorislamischer Zeit ein wichtiger Wallfahrtsort war, wurde die Sprache des Korans (➝ Alif) von vielen Stämmen der arabischen Halbinsel gut verstanden. Aber die meisten Völker des Nahen Ostens sprachen damals Aramäisch oder nutzten es wenigstens als Lingua franca. Als solche war es vom Arabischen schon 100 Jahre später weitgehend verdrängt. Ab 711 wurde sogar auf der iberischen Halbinsel Arabisch gesprochen. Mit der Expansion des Islam verband sich das Arabische mit anderen Sprachen und zerfiel in viele Dialekte. Daher kennt man im Arabischen an die 100 Wörter für den Löwen und Koranschüler müssen sich den Sinn mancher Passage mühevoll erarbeiten. Sabine Kebir

F

Fantasmen Die große Odaliske – Gemälde von Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867), „Landschaft des Leibes“, Traum von Schönheit, abendländisch-männliches Fantasma. Wer hat sie in den Harem welches Sultans oder Kalifs verbracht? Da liegt sie, dem Betrachter abgewandt, die schöne, trügerisch Verfügbare, denn sie gehört ihrem Sultan allein. Odalisken nannte man in Europa geraubte und im Orient versklavte Frauen. Vielleicht wurde der Reisende aus dem Abendland (Hermann Fürst von Pückler Muskau) ihrer von ferne ansichtig. Kurzfristig einer Welt der monogamen Zwänge entkommen, dachte er an sie mit Sehnsucht und kaufte sich in Ägypten eine Sklavin. Das Schlagerwesen bemächtigte sich in trivialer Form des Themas. Bill Ramsey hat in den 60er Jahren die Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe besungen, die am Ende Elfriede aus Wuppertal heißt, und die „mancher Wüstensohn schon als Fata Morgana gesehn“ hat. Man hört förmlich in der Ferne den „Araberchor“. Die edlen, ungebändigten Wüstensöhne durchqueren tapfer das sandige Meer. Die kölsch-arabische Karnevalsvariante der Fantasmen. Magda Geisler

Fernreise Seit mehr als zehn Jahren lerne ich nun schon Hindi. Mit über 30 noch ein neues Alphabet in die Gehirnwindungen zu massieren, war nur eine der Herausforderungen. Jetzt allerdings zahlt sich die Mühe ein wenig aus. Für meinen bevorstehenden Trip in den Iran habe ich begonnen, das arabische ABC zu lernen, um vor Ort zumindest ein paar Schilder erfassen zu können. Klar, dort wird Persisch gesprochen, aber die Buchstaben ähneln sich doch sehr. Wie helfen mir nun meine Hindikenntnisse dabei? Nach der Trennung Indiens und Pakistans im Jahr 1947, die das Ende der britischen Kolonialherrschaft markierte, separierten sich nicht nur Hindus und Muslime, sondern auch die Sprachen beider Länder. In Pakistan wird heute Urdu gesprochen, das in den Vokabeln und der Grammatik dem Hindi sehr ähnlich ist. Nur wird im Urdu das perso-arabische Alphabet genutzt, im Hindi die Devanagari-Schrift. Hindi- und Urdu-Sprecher können sich im Alltag mühelos verständigen. Traditionell gilt Urdu als die gehobenere der beiden Sprachen und wird auch als „Sprache der Dichtkunst“ bezeichnet. Urdu enthält einen großen Anteil an Lehnwörtern aus dem Persischen und Arabischen. Das Wort Buch heißt beispielsweise sowohl auf Hindi als auch auf Urdu, Türkisch, Persisch und Arabisch kitab. Ich muss demnach nur noch die Buchstaben lernen. Ein Klacks. Elke Allenstein

H

Hommus Es gibt ihn neuerdings in jedem Supermarkt zu kaufen. Und er schmeckt gut. Man sagt auch, er soll gegen alle möglichen Zipperlein helfen: von eingewachsenen Zehennägeln bis zu depressiven Verstimmungen. Es wird also Zeit, dass Deutsche lernen, dieses wichtige Wort korrekt auszusprechen. Das H in Hommus ist ein scharfes, „gehecheltes“ H (ein stimmloser Rachenreibelaut). Aber die Beherrschung dessen verlangt ja keiner. Was man verlangen kann, ist dass Hommus nicht als „Huumus“ oder „Humus“ ausgesprochen wird. Die Betonung liegt nämlich auf den beiden M. Am besten schließt man an das erste M direkt das zweite an: „Hom_mus“. Die Vokale bleiben kurz gesprochen. Das O ist nur fast ein U. Man sollte sich von niemandem eine andere Aussprache einreden lassen, weder von Griechen noch von Israelis, die fälschlicherweise behaupten, den Hommus erfunden zu haben (was übrigens Thema einer uralten Kabbelei zwischen Arabern und Israelis ist). Dabei schaffen diese es noch nicht einmal zu ordentlichen eigenen Schimpfwörtern, weshalb sie die arabischen Flüche auch noch stehlen müssen. Aber wenn wir ehrlich sind, ist Hommus fast schon wieder out. Jeder Spießer mag ihn. Das neue Ding wird Mtabbal sein, auch Baba Ghanouj genannt: ein Püree aus gebackenen Auberginen. Houssam Hamade

L

Langenscheidt Der Verlag Langenscheidt bietet seit ein paar Wochen einen kostenlosen Zugang zu seinem Onlinewörterbuch für Deutsch–Arabisch. Man wolle damit „allen Hilfesuchenden ein praktikables und benutzerfreundliches“ Nachschlagewerk zur Verfügung stellen, wie Langenscheidt mitteilte, und „Flüchtlinge bei der Überwindung von Kommunikationsbarrieren“ unterstützen. Beim SWR lobte man die Aktion: „Flüchtlingshelfer finden die richtigen Worte.“ Andere Journalisten formulierten bewusst vage, dass nun endlich der arabisch- wie der deutschsprachigen Seite geholfen sei. Das ist Humbug. Denn andersherum hat es kein Angebot gegeben. Deutsch-arabische Onlinewörterbücher existieren längst, zum Beispiel lessan.org oder glosbe.com. Der Reiseverlag Know-How bietet zudem Kauderwelschsprachführer (auch: Dari, Paschto, Romani) für Menschen in der Flüchtlingsarbeit als Gratisdownload an. Auch Analphabeten finden auf pons.de übrigens Abhilfe, mit einem Bildwörterbuch und Audioaussprachemustern. Doch es fehlt bislang an der Arabisch-Deutsch-Variante. Wo bleibt die Aktion „Flüchtlinge finden die richtigen Worte“? Tobias Prüwer

N

Na’ieman Im Arabischen gibt es ein eigenes Wort für jemanden, der sich gerade mittels Rasur oder Haarschnitt, durch eine reinigende Dusche oder ein Bad frisch gemacht hat: Na’ieman. Man spricht dem Gegenüber damit einen Segen aus. Die Aussage wird unter Männern meist begleitet von einem freundlichen „Patsch“ in den Nacken. Na’ieman wird mit Allah jin’am aleek beantwortet, was den Segenswunsch erwidert. Nun ist das eine sehr freundliche Sitte, die von ganz allein zu vermehrter Reinlichkeit motiviert und den Alltag verschönert. Inhaltlich ließe sich das Wort vielleicht mit „Ich gratuliere dir zu deiner neu erlangten Sauberkeit. Sie behagt mir sehr!“ übersetzen, aber es möchte sich ja keiner den Mund fusselig reden. Was könnte also ein griffiger deutscher Begriff sein, der diesem nahekommt? Hier ein Vorschlag: Das bayrische „Sauber!“ wirkt zwar ein wenig bäuerlich, dennoch birgt die Vorstellung, aus der Badewanne zu steigen und mit einem schallenden „Sauber!“ gesegnet zu werden, ein gehöriges Maß an Leichtherzigkeit. Das ist eindeutig ein unterschätzter Wert in dieser schmutzigen Zeit. Houssam Hamade

P

Papillon Als Kind hielt ich diese Wörter ganz selbstverständlich für aserbaidschanische: cott und zipp, pappjonn und assansor. Und sie gehörten derart fest in den Wortschatz meiner Familie, dass es mir erschien, als hätten wir sie Mitte der 1980er Jahre aus dem Nordwesten des Iran, wo Aserbaidschanisch gesprochen wird, mit nach Deutschland gebracht. Ihr Klang bedeutete mir immer Heimat. Erst zu Beginn des Gymnasiums, als ich anfing, mich für Sprachen zu interessieren, wurde ich skeptisch: Komisch, die Briten benutzen ja ähnlich klingende Wörter, coat und zip. Die Franzosen sagen zur Fliege nœud papillon und zum Aufzug ascenseur (➝ Entstehung). Die Entzauberung kam, als ich im Deutschunterricht die Bedeutung von Lehnwörtern verstand. Im Iran hielten diese Wörter Einzug, weil sie Dinge bezeichneten, die es bis dato dort noch nicht gegeben hatte – und dann auch, weil sie chicwurden. Das war auch ganz im Sinne der seit 1925 im Iran despotisch regierenden Pahlawi-Dynastie, die den Plan verfolgte, das öl- und gasreiche Land zu modernisieren. Die Kompromisslosigkeit und das hohe Tempo der Verwestlichung stießen aber auf Widerstand. 1979 wurde die Pahlawi-Dynastie gestürzt und die islamische Republik ausgerufen. Das Schah-Regime ging, cott und zipp, pappjonn und assansor blieben. Behrang Samsami

Z

Zweitsprache Die Volkshochschule (VHS) des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg schrieb kürzlich kostenlose Arabisch-Workshops für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer aus. Die im Oktober beginnenden Seminare waren ganz schnell ausgebucht. Bis Arabisch zur Zweit-, Dritt- oder Viertsprache der Freiwilligen wird, brauchen diese selbstredend länger, als das die dreistündigen Schnellkurse ermöglichen (➝ Langenscheidt). Fürs Erlernen einfacher Sätze wie Begrüßung, Essensreichung, Erkundigen nach Nöten reicht es. Das Beispiel könnte Schule machen. Hilfsnetzwerke wie die neue Nachbarschaft Berlin-Moabit geben Crashkurse in Selbstorganisation, die VHS Unterallgäu gewährt Helfern den Arabischkurs zum halben Preis – und sozialpädagogischen Unterricht. Tobias Prüwer

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Geschrieben von

Houssam Hamade

War lange Partymaus und Türsteher. Nun ist er Sozialwissenschaftler, schreibt Bücher über menschliche Grenzfragen und Texte für diverse Zeitungen.

Houssam Hamade

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