Treuester unter den Treuen

Polen Aus moralischen Gründen will Präsident Kwasniewski die USA im Irak nicht im Stich lassen

Die Zuverlässigkeit, auf die George Bush bei den in Warschau Regierenden rechnen darf, ist nur schwer zu erschüttern. Nach wie vor steht ein polnisches Korps im Namen der westlichen Zivilisation auf Wacht gegen den "internationalen Terrorismus" an Tigris und Euphrat. Seit Beginn des US-Angriffs unter Teilnahme der polnischen Rangereinheit GROM, über die einzelnen Etappen der Okkupation bis in diese Tage hinein, betet Präsident Aleksander Kwasniewski beflissen nach, was ihm die US-Regierung an Argumenten vorgibt. Kreativ wird es höchstens beim Vokabular. Es heißt für den Staatschef nicht Krieg, sondern "Koalitionsteilnahme", vermutlich deshalb, weil für einen Kriegseinsatz im Irak laut Verfassung der Sejm hätte zustimmen müssen. Da der aber nicht gefragt wurde, findet derzeit auch keine "Okkupation", sondern eine "Stabilisierungsmission" statt. Zuletzt hatte Paul Bremer, George Bushs Prokonsul in Bagdad, souffliert, Polen könne seine Soldaten zurückziehen, sollte nach dem 30 Juni die neue "irakische Regierung" dies wünschen - woran allerdings zu zweifeln sei.

Die Tatsache, dass sich buchstäblich alle offiziell aufgebotenen und von der Regierung - gegen den demoskopisch erfassten Volkswillen - akzeptierten "Argumente" für einen polnischen Beitrag im Irak als glatte Lüge erwiesen, hat die politische Klasse in Warschau bisher nicht sonderlich beeindruckt. Der Präventivschlag sei für den Frieden im Nahen Osten notwenig gewesen, daran zu zweifeln vollkommen deplaziert. Auch gäbe es moralische Gründe, um gerade jetzt an der Seite Amerikas zu bleiben. Wenn man zur Stabilisierung ins babylonische Land gezogen sei, dürfe man nicht plötzlich - wie die Spanier - zur Destabilisierung beitragen, ließ Verteidigungsminister Jerzy Szmajdzinski in einem Interview mit der Trybuna wissen. Auf die Frage, ob für ihn überhaupt Grenzen existierten, die man als Gehilfe der USA nicht überschreiten dürfe, hieß es: "Die Grenze ist durch unsere Interessen und unsere Zuverlässigkeit als Verbündeter Amerikas gezogen". Damit fegte er die gerade erst in Zycie Warszawy geäußerte Vermutung vom Tisch, Polen habe sich übernommen und könnte daher bis zum Jahresende der irakischen Wüste den Rücken kehren. "Der Irak - das ist unsere Sache", sprang ihm Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz bei. Polen sei als Alliierter immer treu gewesen, Verpflichtungen müssten eingehalten werden. Nur hat das Land überhaupt keinen Beistandsvertrag mit den USA. Verbündet ist man durch die NATO, doch die hält sich erklärtermaßen zurück. Insofern ist die "Verpflichtung" gegenüber Amerika nur geopolitisch zu deuten und "historisch-moralisch" zu werten. "Unsere Haltung ist die Konsequenz unserer freiwilligen Untertänigkeit gegenüber Amerika", schrieb Mitte Mai der Philosoph Bronislaw Lagowski in der Trybuna über die reflexartigen atlantischen Affinitäten seiner Regierung.

Weshalb dann aber aus den lukrativen Irak-Geschäften, von denen man in Warschau vor einem Jahr träumte, nichts wurde, müsste eigentlich der einstige Stellvertreter Paul Bremers in der US-Zivilverwaltung und Chef des Council for International Coordination in Bagdad, Professor Marek Belka - derzeit designierter Premierminister Polens ohne parlamentarische Mehrheit - am besten wissen. Als Favorit von Aleksander Kwasniewski, dem er als Wirtschaftsspezialist zur Seite stand, als Berater der Weltbank, des IWF wie auch der JP Morgan Chase Bank für Mittel- und Osteuropa konnte der begabte, frühere US-Stipendiat offenbar nicht alle Interessen unter einen Hut bringen.

Für ihn stehe außer Frage, dass der Fahrplan - Regierungsbildung Ende Juni 2004 und Wahlen im Januar 2005 - eingehalten werden müsse, meinte Belka jüngst vor dem Sejm, "damit wir unsere Mission ehrenvoll erfüllen und unsere Jungen gesund nach Hause kommen können". Angesichts der realen Lage im Irak wohl ein frommer Wunsch, der auf die Angabe realistischer Stationierungsfristen vorsorglich verzichtet.


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