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Um 15:15 wird am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus der Countdown herunter gezählt: 3..2..1. Dann setzt sich der Tross der Demonstranten unter allgemeinem Betätigen der Fahrradklingeln lautstark in Bewegung. Schnell leert sich der gerade noch gut gefüllte Platz. Wo eben noch einige hundert Demonstranten mit Fahrrädern und Inline-Skatern standen, laufen jetzt nur noch ein paar Touristen herum. Die Demonstranten überqueren mit ihren Fortbewegungsmitteln unterdessen schon die Museumsinsel.
Kurz nach dem Aufbruch der Demonstration schlug das Wetter um. Es regnete in Strömen. Doch auch diese Umstände ließen keinen der Anwesenden davon absehen, den knapp 22 Kilometer langen Rundkurs der Demonstration auf sich zunehmen. Zu wichtig war ihnen allen, an diesem Sonntag gemeinsam ein fahrendes Zeichen gegen die Stadtpolitik des Berliner Senats zu setzen. Ein Zeichen gegen die geplante Erweiterung der A100 von Neukölln bis zum Treptower Park.
Die Gegner kritisieren, dass durch den Bau die Verkehrsprobleme Berlins nicht gelöst werden. Im Gegenteil: In den betroffenen Gebieten würde der geplante Neubau zu einem deutlich höheren Verkehrsaufkommen führen. Gleichzeitig fällt dem Bau in Neukölln u. a. eine 12 Hektar große Kleingartenanlage zum Opfer. Und das für nur drei Kilometer Autobahn. Die wiederum gibt es zum Schnäppchenpreis von zurzeit geschätzt 500 Million Euro. Das Autobahnteilstück hat sich damit schon längst einen Namen gemacht: Die teuerste Autobahn Deutschlands.
All diese Punkte zeigen vor allem eines: Die große Differenz zwischen weiten Teilen der Bürger und dem Senat bezüglich der Vorstellung, wie die Stadt des 21. Jahrhunderts auszusehen hat. Während die meisten Bürger der Meinung sind, dass auf die gegenwärtigen weltweiten und stadtinternen Probleme mit modernen und zukunftsorientierten Problemlösungen reagiert werden muss, hat sich ein derartiges Denken auf Seiten der Stadt noch nicht durchgesetzt.
Diese predigt zur Lösung städtischer Probleme weiterhin infrastrukturelle Großprojekte à la Autobahnbau, denen als Legitimation aber noch der überkommene, industrielle Fortschrittsglaube der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts dient. Das bedeutet nichts anderes, als auf die Probleme von morgen mit den Lösungen von gestern zu reagieren.
"Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." (Albert Einstein)
Statt also auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zu setzen, betoniert man lieber weitere Flächen in der Stadt zu, um sie durch noch mehr Kohlendioxid-Schleudern befahren zu lassen. Gleichzeitig handelt es sich bei den zu bebauenden Flächen größtenteils um Kleingartenanlagen. Dabei sollten eigentlich gerade solche Anlagen nach dem Leitbild einer modernen Stadt gefördert werden, sind diese doch Naherholungsgebiet, Orte der privaten Nahrungsmittelversorgung und grüne Lunge der Stadt in einem.
Von der Bedeutung derartiger Orte, ist beim Senat bisher jedoch immer noch nichts angekommen. Dies ist jedoch kein Grund mit Aktionen wie der gestrigen Demonstration aufzuhören. Im Gegenteil, kann doch nur weiterer öffentlicher Protest den Druck auf die Verantwortlichen erhöhen, doch noch von diesem reaktionären stadtpolitischen Projekt Abstand zu nehmen.
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Kommentare 7
aber, aber, lieber huj,
weißt du denn nicht, dass autobahnen ein hort der freiheit sind? dass sie hierzulande freie fahrt für freie bürger bedeuten? und befreiung der millionen vom konto der bürger?
sowas darfst du doch nicht ugly finden. oder mit schrebergärten vergleichen.
die pharaonen ließen pyramiden bauen, ihre demokratisch gewählten nachfolger im amt lassen autobahnen und abschussrampen für turis und superbahnhöfe unter tage schaffen. unterschied: in 5000 jahren ist nichts mehr davon übrig.
Also solche Geschichtsvergessenheit aber auch!
Dabei hat der Reichsautobahnbau doch in Berlin eine so schöne Tradition:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0a/Bundesarchiv_B_145_Bild-020683%2C_Reichsautobahnbau_bei_Berlin.jpg
Gegen die Asphaltlobby helfen nur total leere öffentliche Kassen - leider sind da noch Groschen übrig.
Nicht mal das Milliardengrab WBA stoppt die Planierraupen - wobei die Autobahnen zahlt der Bund - wann sind endlich alle Kassen leer?
Nur die totale Pleite stoppt den Wahnsinn.
(die Oligarchen bauen sich dann Landeplätze für ihre Luftquirle - und streiten sich dann über den Lärm - da ja der Quirl vor dem Haus landet und die Ghettos nicht ewig voneinander platzierte Villen aufweisen - siehe Hamptons bei NY)
Meine Heimat wurde leider auch schon total mit schwarzem Bitumen verschönt - man muss in die Wälder flüchten, dort gibt es den Borkenkäfer und wenn nicht gerade ein wildgewordener Mechanist mit seinem Monstertraktor über die Feldwege donnert auch relative Ruhe..... - über allen Wipfeln ....gute Nacht...)
.... dazu noch das Argument - Kleingartenanlagen - ups.
Da bleibt nur zu sagen, einem Politschranzen dürfte die Vorstellung solche Horte kleiner Freiheit zubetonieren lassen zu dürfen, ein süffisantes Lächeln entlocken - das Massentier Mensch sollte am besten in verdichteten, abgeschotteten Wohnsilos vorgehalten werden, in Belchdosen 3 Stunden zur Arbeit hin und 3 Stunden zurück im Stau langsam ersticken - ansonsten brav irgendwelche halbdebilen Beschäftigungsmodelle bevölkern und ansonsten einfach schlafen - gerne auch saufen, Chips fressen und TV-glotzen.
Mich wundert es seit nunmer gefühlten 4000 Jahren, dass sich die Menschen tatsächlich so billig domestizieren lassen - ob sie nun das Halseisen oder die monatliche Gehaltsüberweisung vom Aufbegehren abhalten - im Grunde sind sie wirklich leicht zu führen.
"Die große Differenz zwischen weiten Teilen der Bürger und dem Senat ......"
Weite Teile der Bürger? Und wieso kommen nur ein paar Hundert zu dieser Demo.
Ich weiss es nicht genau aber ich bezweifle, dass wirklich weite Teile der Bevölkerung gegen den Ausbau der Autobahn sind. Im ersten Momant sagen zwar viele, man müsse den öffentlichen Nahverkehr fördern und finden die Stadtgärten ganz toll. Das heisst aber nicht, dass sie gegen den Ausbau der Autobahn sind. Am Wochenende wollen sie eben auch ganz schnell mit dem Auto ins Grüne und das ohne Stau.
Tja...Khale hat Recht, die Mehrheit will ne Autobahn. Mobilität ist wichtig und Berlin hat eh zuviel unkontrolliertes Grün...ich sag nur Wildschweine!!
Mit jeder neuen Betonfläche heizt sich die Stadt vor allem im Sommer weiter auf. Etwas, was die Verkehrsplaner gar nicht auf dem Schirm haben. In der FAZ standen dazu ein paar interessante Hintergründe: http://www.faz.net/aktuell/wissen/stadtklima-die-reinste-sauna-11852956.html