Die Saarland-Wahl – Eine Bilanz

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38,4%: Ein Spitzenergebnis, mit dem das Ergebnis der letzten Wahl im Saarland sogar noch einmal um 6 Prozentpunkte verbessert werden konnte. Doch trotz dieses klaren Sieges und einem Ergebnis, mit dem man fast mit der wohl kommenden Schwarz-Roten Koalition mithalten kann, ist da niemand der sich freut. Keine große Wahlparty. Keine Anhänger, die beim Verkünden der Hochrechnungen zu feiern beginnen. Denn es gibt nichts zu feiern.

Die 38.4% sind der Anteil der Nichtwähler bei der gestrigen Wahl im Saarland. Dafür, dass es so viele sind, gibt es gute Gründe: Konkret geht es dabei vor allem um den Wahlkampf der SPD. Diese hatte von vornherein offen auf eine Große Koalition gesetzt und dabei gehofft bei diesem Elefantenrennen kurz vor der CDU ins Ziel zu kommen. Doch damit ist sie gnadenlos gescheitert und hat vielen Wählern gute Gründe gegeben, zu Hause zu bleiben. Denn „man geht auch nicht ins Fußballstadion, wenn man schon weiß, wie das Spiel ausgeht“, schrieb Stefan Reinecke dazu auf taz.de. Auf die SPD bezogen könnte der Satz aber auch lauten: Man geht auch nicht ins Stadion, wenn man weiß, dass das eigene Team nicht für einen Sieg kämpfen wird.

Die SPD setzt auf große Koalition – und verliert

Und so konnte Heiko Maas als SPD-Spitzenkandidat zwar 6 Prozentpunkte hinzugewinnen, doch ist das Ergebnis über den prozentualen Gewinn hinaus eine große politische Niederlage für die SPD – die großteils selbstverschuldet ist.

Denn mit dem Ziel von politischem Stillstand, den die Große Koalition meist darstellt, können einfach keine Wähler mobilisiert werden – zumindest nicht für die SPD. Dies scheint sie jedoch ein ums andere Mal zu vergessen.

Besonders tragisch wirkt dies dann, wenn eine alternative Koalition rechnerisch durchaus möglich wäre, jedoch an parteitaktischen und persönlichen Problemen scheitert. Denn allein die offenen Auseinandersetzungen von Heiko Maas und Linken-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine und auch der Wahlkampf der beiden Parteien haben die Wahrscheinlichkeit eines solchen Bündnisses gegen Null tendieren lassen. Dabei müsste dieses Bündnis eigentlich kein solches Schattendasein fristen. Noch bei der letzten Landtagswahl im Saarland waren die beiden nämlich Fürsprecher einer gemeinsamen Rot-Rot-Grünen Koalition, die letztlich nur an den Grünen scheiterte.

Die Differenzen wären überbrückbar, würde man sich nicht selbst im Wege stehen

Die Grünen wären dieses Mal überhaupt nicht von Nöten gewesen für eine gemeinsame Regierungskoalition. Doch scheint das Verhältnis zwischen Maas und Lafontaine dafür derzeit einfach zu schlecht zu sein. So kommen zwar Stimmen von der Linken, die die SPD doch noch zu einer gemeinsamen Koalition bewegen wollen, doch reagiert die SPD derzeit abweisend. Und auch die Frage, wie ernst dieses Angebot gemeint ist, kann gerade nicht abschließend beantwortet werden. Trotzdem ist dies wieder mal ein trauriges Beispiel linker Politik in Deutschland. Denn wenn den beiden Parteien an der Sache gelegen wäre, so könnten entweder Maas und Lafontaine ihre Streitigkeiten überwinden, oder sie würden zugunsten einer gemeinsamen Koalition auf die entscheidenden Ämter verzichten. Davon ist jedoch derzeit nicht auszugehen.

Für die SPD sollte jedoch spätestens jetzt endgültig klar sein, dass das offene Ziel einer großen Koalition Gift für die Partei ist und die Wahlberechtigten massenweise zu Hause bleiben lässt. Eine Lehre also, die für die Bundestagswahl nächstes Jahr gezogen werden muss, will man dort nicht ähnlich scheitern.

Die Piratenpartei – Antwort auf die Politikverdrossenheit?

Wahrscheinlich wäre daher der Nichtwähleranteil eigentlich noch größer gewesen, gäbe es da nicht eine erstarkende politische Kraft in Deutschland – die Piratenpartei. Denn egal ob nun reine Protestpartei oder wahre politische Alternative, die Piraten verstehen es, aus der Politikverdrossenheit der Bürger, politisches Kapital zu schlagen: Überall dort, wo die Wähler vom politischen Einheitsbrei, wie auch jetzt im Saarland, genug haben, wenden sie sich den Piraten zu. Natürlich wird für einige der Protest im Vordergrund gestanden haben. Viele verbinden mit den Piraten aber auch die Hoffnung, dass ein anderer Politikstil möglich ist und die ‚große Koalition’ der etablierten Parteien kein Dauerzustand bleiben muss. Auch deshalb landeten sie bei respektablen 7,4% und damit im zweiten Landesparlament nach Berlin – ein Trend, der sich in NRW und Schleswig-Holstein noch fortsetzen dürfte. Natürlich wird die Arbeit der Partei im Einzelnen zu betrachten sein. In Berlin jedenfalls haben sie bisher bewiesen, dass sie eine gute Alternative darstellen und mit ihrer sachorientierter Politik punkten können.

Etwas, was von der FDP zurzeit meist nicht zu sagen ist. Erwartungsgemäß setzte sie auch im Saarland ihren Niedergang fort und landete hinter der Familienpartei auf einem Niveau mit der NPD. Die Auswirkungen auf die Bundesregierung werden abzuwarten sein. Jedoch spätestens, wenn auch in NRW der Fall unter die 5%-Hürde folgt, könnte es zu neuen Entwicklungen im Bund kommen.

In jeder Hinsicht zeigte die Wahl im Saarland aber, dass auch kleine Landtagswahlen von größerer Bedeutung sein können: Während die FDP ihren Niedergang im ganzen Land fortsetzt, gewinnt die Piratenpartei mehr und mehr an politischer Bedeutung und wird somit auch ein immer größeres Thema für die Bundestagswahl 2013. Bis dahin hat die SPD hingegen noch Zeit, die Lehren aus ihrem fatalen Setzen auf die große Koalition zu ziehen, damit sich ähnliches für die Partei nicht wiederholt. Vor allem aber auch dafür, dass es sich lohnt, zur Wahl zu gehen.

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hierundjetzt

Studiert in Berlin Soziologie, Politikwissenschaft und Philosophie.

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