Gegen eine undifferenzierte Ausgrenzung russischer Wissenschaftler wegen Putins Krieg

Wissenschaftler, Putin, Krieg Russische Wissenschaftlern haben es nicht verdient, Opfer der Putinschen Politik zu werden.

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Gegen eine undifferenzierte Ausgrenzung russischer Wissenschaftler wegen Putins Krieg

Von Prof. Dr. Hans-Jörg Schneider

Als Reaktion auf den verbrecherischen Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine haben die deutschen Wissenschaftsorganisationen, wie DFG, DAAD und VW-Stiftung, jegliche Projektförderung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und Russland ausgesetzt. Ebenso sollen keine gemeinsamen Veranstaltungen durchgeführt, und neue Kooperationsprojekte nicht initiiert werden. Die Wirkung dieser Erklärungen auf russische Wissenschaftler sollte noch einmal überdacht werden, auch wenn z.B. die DFG erklärt hat, sich der einschneidenden Auswirkungen dieser Maßnahmen bewusst zu sein und die Folgen für die Wissenschaft zutiefst zu bedauern.

Dass die Erklärungen Putin und seine Gefolgschaft beeindrucken, das ist noch unwahrscheinlicher als die Wirkung der weitaus stärkeren wirtschaftlichen Sanktionen. Dass russische Wissenschaftler Einfluss auf die Politik des Kremls nehmen ist angesichts der persönlichen Gefahren für jeden Protestierenden mehr als unrealistisch, und tatsächlich kaum zumutbar. Man darf auch nicht voraussetzen, dass die Mehrheit der russischen Bevölkerung oder der Wissenschaftler Putins Politik grundsätzlich ablehnt. Wirklich dagegen spricht nicht, dass sich über 7.000 russische Wissenschaftler*innen in einem offenen Brief sich gegen den Krieg in der Ukraine gestellt hatten – es muss offen bleiben, wieweit sie die Mehrheit repräsentieren. Als Hochschullehrer hatte der Autor dieses Beitrags über Jahrzehnte persönlichen Kontakt mit vielen russischen Kollegen: die Mehrzahl von ihnen standen eher nicht grundsätzlich gegen Putin, und empfanden etwa die Ausweitung der NATO oder die jetzt erstmals seit 1945 erfolgte Stationierung deutscher Soldaten an Russlands Grenzen als Unrecht.

Die oft mühsam aufgebauten Brücken zu russischen Wissenschaftler*innen abrupt abzubrechen wird Putins Krieg nicht beenden, und bedeutet eine schwere Hypothek für die Zukunft der wissenschaftlichen Zusammenarbeit unsrer Länder. Erfahrungen des Autors mit vielen russischen Wissenschaftlern , oft Stipendiaten z.B. der Alexander von Humboldt-Stiftung, zeigen , dass beide Seiten mit Kooperationen sehr viel gewinnen können. Das Land nicht nur von Tolstoy und Tschaikowsky, auch das von Landau und Mendelejew muss uns verbunden bleiben, besonders nach den in Russland unvergessenen deutschen Verbrechen der NS-Zeit. Russische Wissenschaftlern haben es nicht verdient, Opfer der Putinschen Politik zu werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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