Nämlich, dass dieser sich über die letzten Jahre hinweg entschuldet hat und mittlerweile selbst Netto-Sparer ist. Und das ist in der Tat hochinteressant, denn der wesentliche Grund, warum ein Unternehmen sich verschuldet, Kredite aufnimmt, ist die Finanzierung von Investitionen.
Wenn dies aber offenbar immer weniger der Fall, stellt sich die Frage: Investieren die Unternehmen einfach weniger oder haben sie eventuell gerade große Schwierigkeiten überhaupt Kredite zu bekommen? Vergeben die Banken also z.B. auf Grund von mangelndem Eigenkapital weniger Kredite oder liegt es eher an mangelnder Bonität der Schuldner? Benötigen die Unternehmen in Summe mittlerweile einfach weniger Kredite, weil sie sich mittlerweile überwiegend aus Gewinnen und vorhandener Liquidität finanzieren?
Es können hier – je nach Unternehmen – unterschiedliche Gründe vorliegen. Ein insgesamt sinkender Kreditbedarf könnte z.B. auch daraus resultieren, dass auf Grund mangelnder Inlandsnachfrage (sinkende Massenkaufkraft durch jahrelanges Lohn-Dumping) sowie allgemeiner Marktsättigungstendenzen weniger Bedarf besteht, in die Erweiterung der vorhandenen Produktionskapazitäten zu investieren.
Nun war aber die Verschuldung des Unternehmenssektors eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die privaten Haushalte individuell Netto-Geldvermögen (Ersparnisse) aufbauen konnten. Wenn dies nun aber zunehmend nicht mehr der Fall ist, die privaten Haushalte aber dennoch weiter Ersparnisse aufbauen und diese vermehren wollen, dann muss an anderer Stelle die dafür notwendige Verschuldung stattfinden.
Und wie die volkswirtschaftliche Finanzierungsrechnung zeigt, erfolgte diese Verschuldung zum einen über das Ausland (=> Exportüberschüsse) sowie insbesondere der inländischen Staatsverschuldung. Wenn diese beiden Sektoren dazu aber auch nicht mehr bereit sind oder dies nicht mehr können, wird es kritisch, denn selbstverständlich wollen die Geldvermögensbesitzer ihr Geldvermögen weiter vermehren. Und selbstverständlich fordern auch die Kapitalbesitzer weiterhin eine entsprechende Verzinsung auf ihr eingesetztes Kapital. Und erhalten diese auch. Und zwar immer als Erster. So lautet nun mal die Meta-Spielregel des Kapitalismus: Erst das Kapital, dann die Arbeitseinkommen.
Wenn die Gewinn- und Kapitaleinkommen aber vom Volkseinkommen immer mehr für sich beanspruchen, weil das Sozialprodukt (Volkseinkommen) nicht mehr entsprechend wächst, dann bleibt für die Arbeitseinkommen logischerweise relativ immer weniger übrig. Und genau das können wir in der BRD so auch beobachten. Zeit- und Leiharbeit nehmen immer weiter zu. Ebenso prekäre und atypische Beschäftigungsverhältnisse. Fast ein Viertel der abhängig Beschäftigten ist mittlerweile im Niedriglohnsektor beschäftigt. Die Zahl von befristeten Arbeitsverträgen nimmt immer weiter zu. Hochschulabsolventen erhalten keinen unbefristeten Arbeitsvertrag mehr, sondern müssen sich von Praktika zu Praktika oder von Projekt zu Projekt verdingen. Verlässliche Zukunftsperspektiven, Fehlanzeige!
Aktuell haben wir in der BRD das Problem, das die Pläne zu sparen und weiterhin Geldvermögen aufzubauen bzw. sich zu entschulden, deutlich höher sind als die Pläne sich zu entsparen bzw. neu zu verschulden. Und das bedeutet nichts anderes als eine negative Netto-Kreditaufnahme. Also Deflation. Wir steuern also gerade Schnur stracks in eine deflatorische Krise mit hoher Massenarbeitslosigkeit und Massenverelendung wie zu Zeiten Brünings, können uns aber von den Medien und der sog. Mainstream-Ökonomie ständig irgendwelche Inflationsphobien anhören.
Lösen bzw. vermeiden ließe sich diese Krise eigentlich ganz einfach: Entweder entsparen sich die Reichen und Super-Reichen freiwillig oder man nimmt ihnen Teile ihres Vermögens weg und gibt es den Armen, damit die das Geld in der Wirtschaft ausgeben können. Die Ersparnisse/Guthaben der privaten Haushalte sind nämlich nichts anderes als Nachfrageschulden.
Krisen sind im Kapitalismus i.d.R. immer mangelnder Nachfrage geschuldet. Und mangelnde Nachfrage ist letztlich nur ein anderes Wort für mangelnde Einkommen, mangelnde Massenkaufkraft. Es gibt immer mehr Menschen, die zwar gerne Geld ausgeben würden, aber nicht genügend davon haben. Und auf der anderen Seite ein paar wenige, die geradezu im Reichtum ersaufen und diesen Reichtum gar nicht mehr ausgeben können.
Ergo muss man dieses Verhältnis umkehren. Das Lustige daran, die gesamte Volkswirtschaft würde davon profitieren und in letzter Konsequenz das Geld sogar wieder da landen, wo es herkam. Bei den Reichen und Super-Reichen. Gleichzeitig könnten wir so die Staatsverschuldung nachhaltig und konjunkturneutral reduzieren.
Das ist der Punkt, den die Masse der Menschen einmal verstehen müsste: Geldvermögen können sich nur erhöhen, wenn an anderer Stelle eine entsprechende Verschuldung stattfindet. Wenn diese Verschuldung nun aber offenbar niemand mehr übernehmen will, haben wir ein Problem. In unserem gegenwärtigen Papiergeldsystem mangelt es nämlich nicht - was eigentlich überaus positiv ist - an Geld (= Kredit). Es mangelt an kreditwilligen und kreditfähigen (solventen) Schuldnern. Das ist neben den Tilgungs- bzw. Finanzierungslasten aus der vorhandenen Verschuldung sowie der Verteilungsproblematik (Zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich) eines der zentralen Probleme. Uns fehlen die Schuldner, die sich verschulden wollen und verschulden können.
Das sollten wir endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Politik, Medien und die sog. Mainstream-Ökonomie machen leider seit Jahren genau das Gegenteil. Und, das muss man wirklich konstatieren, sie haben in der Verklärung der wahren Tatbestände und Zusammenhänge wirklich ganze Arbeit geleistet. Und tun es nach wie vor. So glaubt ein Großteil der Bundesbürger leider immer noch,
- dass die südeuropäischen Krisenländer nur mehr sparen müssten, um aus der Krise zu kommen.
- dass der Abbau der Staatsverschuldung eine zentrale politische Aufgabe wäre, da wir nachfolgenden Generationen ja nicht solche unverantwortliche Schuldenberge hinterlassen dürften
- dass wir unbedingt mehr kapitalgedeckt für das Alter vorsorgen müssten
- dass hohe Löhne Arbeitslosigkeit verursachen würden.
- dass ständige Exportüberschüsse positiv wären.
- dass ein Staatshaushalt genauso zu führen wäre wie ein Privathaushalt.
Solange die Mehrzahl der Menschen diese und andere Dinge nach wie vor glauben, sind wir von einem entsprechenden Problembewusstsein leider noch meilenweit entfernt. Damit aber auch von sinnvollen Lösungsansätzen. Offenbar ist es so, dass das Gros der Menschen nicht aus der Geschichte lernt, sondern bereitwillig bereit ist, sie wieder und wieder zu wiederholen.
Kommentare 6
Makroökonomen lieben Grafiken und hier hätte ich mir einige gewünscht, aber da ist der Fr vielleicht das bottleneck, man konnte schon mal jpg.s von seiner Festplatte hochladen.
Das ist die Ära des Finanzkapitals, anything but production, klar investieren die Unternehmen, aber sie sind längst auch Bank.
Leistungsfreier Schuldendienst ist angesagt, das kann sonst nur der Staat (GEZ), darum wird er auch nicht abgeschafft, sondern eingespannt. Nach dem Libyen- Erfolg hat Lagarde als IWF Chefin auf den Weg gebracht: Schuldner, also Staaten werden nicht mehr nach der Rückzahlungswahrscheinlichkeit bewertet, sondern allein nach dem Schuldendienst. Im Zusammenhang mit UKR soll kein Unterschied mehr zwischen staatlichen und privaten Gläubigern bestehen, der IWF also nicht mehr Marktregulierung sein, sondern die Regeln des Finanzkapitals handeln, zu denen Staaten freilich auch verleihen dürfen.
Alle ökonomische Theorie ignoriert, daß 'billig einkaufen, teuer verkaufen' über die Ratingagenturen der Händler gemanaged wird.
Nichts Neues, aber gut beschrieben. Es gibt einfach zuviel Geld - aber nur bei denen, die es gewinnbringend anlegen, und nicht bei denen, die es ausgeben wollen. Das kann nicht klappen, daher auch die Nullzinsen.
Wenn wir das System wieder ans Laufen bringen wollen, muss (private oder staatliche) Nachfrage her und dann Inflation. So weit so einfach. Aber wollen wir das denn?
Bisher war diese Entwicklung immer auch mit dem Wachstum des Ressourcenverbrauchs verbunden, und das kann nicht so weitergehen, wir verbrauchen jetzt schon viel zu viel. Können wir das Wirtschaftsmodell vom (stofflichen oder ökonomischen?) Wachstum entkoppeln, oder müssen wir uns schnell ein neues suchen?
Wie ich schon mal sagte, die Mindestanforderung wäre eine Rückkehr zu einem sozialtemperierten Kapitalismus namens soziale Marktwirtschaft. Die beseitigt aber nicht die inhärente Wachstumslogik und den Wachstumszwang des Kapitalismus. Und damit den tendenziell steigenden Ressourcenverbrauch.
Nun könnte man den - statt z.B. die Arbeitseinkommen - besteuern. Ob´s was bringt? I don´t know.
Stellt sich die Frage, ob der Kapitalismus etws bringt, was wünschenswert bzw. notwendig ist? Zum Beispiel eine hohe Produktivität. Wie die britische Ökonomin Mazzucato m.E. eindrucksvoll herausarbeitete, leistet der Kapitalismus noch nicht mal diese ihm zugeschriebene Positivität.
Ergo muss wohl was Neues her. Eine Postwachstumsökonomie, ein Post-Kapitalismus wie immer man es nennen möchte.
Sara Wagenknecht soll dafür wohl in Ihrem neuem Buch ein paar interessante Vorschläge aufgezeigt haben. Kann ich aber nicht beurteilen, habs noch nicht gelesen.
Ist nicht "soziale Marktwirtschaft" auch nur ein PR-Begriff für "Kapitalismus", da dieser durch die Konkurrenz der Unternehmen für sinkende Preise sorge und damit schon seinem Wesen nach "sozial" sei? Jedenfalls nach der Definition die ich kenne.
Wie es aussieht gibt es im Kapitalismus einen Wachstumszwang (das wird durchaus von Manchen angezweifelt, etwa Lucas Zeise), und dieser führt *bislang* stets zu höherem Ressourcenverbrauch. Wenn das systemisch ist, ändert auch eine Besteuerung daran nichts. 'Produktivitätssteigerung' war tatsächlich ein großes Verdienst des Kapitalismus, aber derzeit scheint das nicht mehr zu funktionieren. Meine These: Weil 'Wissen' heute die wichtigste Ressource ist und der Kapitalismus versucht, diese entgegen ihrer Natur zu privatisieren/ monopolisieren. Das führt zu extremer Ineffizienz.
Gerade hatte Tom Wolfarth eine interessante Rezension zu einem neuen Buch hier in dFC, und dieser Tage müsste das äußerst spannende neue Buch "Postkapitalismus" von Paul Mason auch auf Deutsch erschienen sein. Er kommt im Mai auch für ein paar Lesungen her.
Ich meinte weniger die soziale Marktwirtschaft in ihrer theoretischen Konzeption (Müller-Armack), sondern in der tatsächlichen Praxis der 50-er und 60-er Jahre, die - insbesondere, was die soziale Komponente angeht, stark vom Verein für Socialpolitik, also letztlich der Historischen Schule der Nationalökonomie, geprägt war. Mit der Folge, dass bei der Verteilung des Volkseinkommens die Arbeitnehmer höher beteiligt, Reiche höher besteuert und eine ausgeglichene Außenbilanz, auch z.B. durch eine Exportsteuer, angestrebt wurde. Um nur einige markante Punkte zu nennen.
Exportsteuer? Davon habe ich noch nie gehört, erscheint heute so unglaublich fern... Das klingt für mich jetzt eher nach Keynesianismus als nach 'sozialer Marktwirtschaft', wobei beide zeitlich gesehen natürlich etwa zusammenfielen.
China scheint (recht erfolgreich) ein ähnliches Konzept zu verfolgen; der Staat sorgt mit harter Hand für echte Konkurrenz, so dass die Vorteile des Kapitalismus tatsächlich zur Geltung kommen können. Allerdings ist China so groß und die Produktivität inzwischen so hoch, dass es auf der ganzen Welt keinen ausreichenden Markt mehr gibt.