Der Sport muss reagieren

Boykott Russlands Regierung zeigt erschreckend deutlich ein homophobes Gesicht. Was bedeutet das für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi?

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Seit dem 11. Juni 2013 ist es in Russland aus "Kinderschutzgründen" verboten, "nicht-traditionelle" Sexualität zu propagieren. Der Text dieses Gesetzes lautete zunächst anders und bezog sich ausdrücklich auf homosexuelle "Propaganda". Um öffentlichem Protest zu entgehen, wurde der Gesetzestext geändert, die Intention bleibt jedoch die Gleiche: Präsident Putin will durch Mobilisierung von rechten Gesinnungen weiterhin konservative Wählerschichten, darunter auch junge Russen, mobilisieren, da sein öffentliches Ansehen unter den Protesten nach der letzten Wahl gelitten hat.

Das Gesetz verfehlte seine Wirkung nicht. Wie in Berichten von Russen zu lesen ist, bestärkt das Gesetz eine in der russischen Gesellschaft schon sehr verbreitete latente Homophobie. Eine Autorin, die homosexuell ist, inzwischen in Kanada lebt und in Russland ihre Familie besucht, schreibt dazu:

"Ich bin privilegiert genug, um typisch weiblich auszusehen, aber wenn sie herausfinden würden, dass ich homosexuell bin, wären sie wohl sehr glücklich darüber, mich aus „Korrekturzwecken“ zu vergewaltigen. Ich bin eine Lesbe, eine Schande für mein Land und ihnen würde man applaudieren, weil sie mich wieder hinbekommen—oder es zumindest versuchen." - Sofie Mikhaylova auf Vice.de

Russische Homosexuelle werden beispielsweise von rechtsradikalen Jugendlichen festgehalten, gefoltert und vor laufender Kamera zum "Geständnis" ihrer Sexualität gezwungen, um dann verprügelt zu werden.

Nach einer öffentlichen Protestwelle erklärte der russische Sportminister Mutko, dass die Sportler ja nur nicht für Homosexualität werben dürften, jeder jedoch privat tun könne, was er wolle. Diese Äußerungen sind ein Skandal. Die öffentliche Diskriminierung von Homosexualität als nicht-traditioneller Sexualität und das Verbot von Demonstrationen und öffentlicher Zurschaustellung sind ein schwerer Eingriff in die Menschenrechte und sollten auch im Westen so aufgenommen werden, hier geht beispielsweise der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung den richtigen Weg, indem er in einer Pressemitteilung seine tiefe Besorgnis über die Kriminalisierung der Sexualität in Russland äußert. Eine derartige Reflektion oder Reaktion findet in der Sportwelt nicht statt.

Im Gegenteil: Lamine Diack, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees IOC und Präsident des Leichtathletikweltverbands IAAF, sagte zu dem Thema: "Ich habe nicht das Gefühl, dass das ein Problem ist."

Eine Menschenrechtsverletzung in diesem Ausmaße ist immer ein "Problem", Herr Diack, vor Allem in der Olympischen Bewegung. Pierre de Coubertin, Begründer der olympischen Spiele der Neuzeit, definierte den "Olympismus" auch als eine Bewegung gegen jede Art der Diskriminierung. In Tradition dieser Bewegung ist eine Olympiade in einem Land, das so offensichtlich Menschenrechte missachtet und Diskriminierung betreibt ein Verrat an Coubertins Philosophie.

Der internationale Druck auf Russland muss nun verstärkt werden. Homophobie kann von den Ländern, die in den letzten Jahren große Schritte zur Akzeptanz von Homosexualität getan haben, nicht toleriert werden. In diesem Punkt steht zwar die Politik an erster Stelle, der Sport kann und darf seiner Verantwortung als sozial und politisch gewichtiger Bestandteil einer Gesellschaft aber nicht ausweichen. Angesichts dieser offensichtlichen Diskriminierung muss ein Boykott der Winterspiele 2014 in Sotschi anvisiert werden. Wenn Athletenverbände, Funktionäre und Sportler sich ausdrücklich und öffentlichkeitswirksam aufgrund der politischen Entwicklungen in Russland gegen eine Teilnahme an der Winterolympiade entscheiden, ist das ein deutliches Zeichen gegen Intoleranz und Diskriminierung vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Der Sport muss hier auf seine eigenen Werte pochen und klar Stellung beziehen. Ein Boykott würde Russland schwer treffen und deutlich machen, dass eine Missachtung der Menschenrechte heutzutage kein Kavaliersdelikt ist, sondern eine schwere Ächtung durch die Weltöffentlichkeit erfährt.

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