Australien, die Macht und die Kohle-Lobby.

Regierungswechsel. Machtkampf in downunder. Schon wieder. Fünf PM in sechs Jahren. Die Welt schüttelt den Kopf. Journalisten sind amüsiert. War's mehr als ein Polit-Spektakel? Natürlich.

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Die deutschen Medien beschreiben den Regierungswechsel in Australien als eine Art Kasperletheater, das in downunder niemanden gross interessiert habe. Quatsch mit Sosse. Die grosse Mehrheit in AU sass stundenlang vor der Glotze. Der wichtigste Radiosender ABC-RN sendete fast nur noch Berichte ueber die Schlammschlacht in Canberra. Was in Deutschland undenkbar waere, der Kampf um die politische Macht wurde in Australien oeffentlich ausgetragen. Ein spannendes Gemetzel. High Noon.

Australische Politik unterscheidet sich von der deutschen, nicht nur beim Wechsel des Regierungschefs.
Wichtiger als die Feinheiten der Wahlsysteme, sind die oeffentlichen Debatten in Australien. Dabei geht's meist um Partei-Politik und Korruption, Abhaengigkeit von Interessen der Grundstuecksspekulanten, der Einfluss von big business, u.a. der Bergbau-, Agrar- und Gluecksspiel-Industrie, etc. Es gibt (noch) investigative Programme (u.a. "Four Corners", "Background Briefing") , die solche Debatten zur besten Sendezeit anstossen. ("AU mir graut vor Dir!")

Worum ging's letzte Woche?

Aehnlich wie in Deutschland wird in Australien seit langem um die Klima-Ziele gestritten, d.h. die gesetzliche Reduzierung der CO2 Emissionen. Genau an diesem Problem ist gerade Turnbull gescheitert. Sein Sohn hat in einem Interview die Ursache, den Einfluss der Kohle-Lobby explizit angesprochen.

"...a powerful group of coal mining companies on Australia’s east coast was having an “undue level of influence” on federal Liberal party policy."

Seit einigen Jahren kaempft die australische Kohle-Industrie fuer die Erschliessung neuer Kohle-Vorkommen und vor allem fuer neue Kohlekraftwerke. Jedes Gesetz, dass den C02 Ausstoss regulieren soll, wird boykottiert. Die reaktionaere Fraktion der Liberalen Partei (LDP) vertritt die Kohle-Interessen im Parlament und in der Regierung. Turnbull, als Vertreter der "moderaten" Konservativen wurde Prime Minister weil er den Reaktionaeren versprach, deren Kohle Interessen "zu beruecksichtigen".

Das konnte nicht gut gehen, obwohl Turnbull ganz zuletzt noch versuchte, Klimaziele zu kippen, zu denen sich Australien international verpflichtet hatte.
Doch auch Turnbulls Gegner, vor allem der Kandidat der Reaktionaere (Peter Dutton) schaffte es nicht, die Macht zu ergreifen. Stattdessen wurde ein Mainstream-Konservativer Prime Minister. Dumm gelaufen. Da Anfang naechsten Jahres Wahlen sind, ist der "Neue" PM ersteinmal "sicher" vor den Reaktionaeren. Soweit, so uebersichtlich und verstehbar.

Die aktuellen Kaempfe in Australien haben jedoch eine globale, allgemeinere Bedeutung.
Peter Dutton, Exponent der reaktionaeren Fraktion und der Kohle-Lobby hat diesen Macht-Kampf losgetreten, obwohl er wusste, dass er ihn kaum gewinnen konnte. Schon in der ersten Abstimmung bekam Dutton nur 35 Stimmen der 75 Abgeordneten seiner Partei. Statt aufzugeben hat er weitergemacht, die innerparteilichen Fronten verhaertet, die Partei gespalten und dann, wie zu erwarten war, verloren.

Die australische Kamikaze-Politik der Reaktionaere spiegelt die Panik der Kohle-Lobby. Ihr langjaehriger Kampf gegen CO2 Restriktionen ist verloren. Der internationale Druck ist inzwischen so hoch, dass selbst die finanzstarke australische Kohle-Mafia nachgeben muss.

Vor vier Jahren hatten die gleichen Leute noch stolz verkuendet, es habe nur 12 Millionen Dollar gekostet, ein Gesetz zum Emmissions Handel zu kippen. Jetzt sind sie am Ende. Nicht nur in downunder.

Uns sonst noch?

Nach dem Ende des Machtkampfes kritisieren die Medien, dass durch das innerparteiliche Gemetzel der LDP die wichtigen Probleme des Landes liegen bleiben. Stimmt. Hier eine kleine Auswahl.

Das kriminelle Verhalten der vier grossen australischen Banken gegenueber ihren Kunden, das derzeit von einer (tatsaechlich) unabhaengigen Kommission (Royal Commission) untersucht wird. Die Konservativen hatte diese Kommission verhindern wollen, mussten sie aber zulassen. Mal sehen was der neue PM daraus macht.

Auch die China-Hysterie wird zunehmend zum Thema. Einerseits ist China der wichtigste Handelspartner. Andererseits folgt Australien der US-anti-China-Politik und schickt beispielsweise Schiffe in die South China Sea.

Last but not least haben die australischen Massnahmen gegen illegale Einwanderung inzwischen so viel internationale Kritik ausgeloest, dass in ganz kleinen Schritten davon abgerueckt werden muss. Das ist aber innenpolitisch problematisch, da die ueberwiegende Mehrheit der Bevoelkerung ein "harte" Migrationspolitik will. Legale Einwanderer sind willkommen, Illegalen und Asylanten werden auf Suedsee-Inseln interniert. Der neue Prime Minister Scott Morrison hat sich vor einigen Jahren genau diese "harte" Politik ausgedacht...

Wir beobachten weiter.

P.S.

Das Schauspiel des Machtwechsels hat sich fuer die Liberale Regierungspartei nicht ausgezahlt, weder innen- noch aussenpolitisch. In den Umfragen ist die Partei um 4% abgerutscht und international wird der Regierungswechsel als "bad gouvernance" beurteilt.

Macht muss hinter den Kulissen bleiben, auch in Australien. Eigentlich wussten wir das schon.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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