Autos ohne Benzin und Fahrer - Konsequenzen

Big Oil demnächst pleite. Elektroautos brauchen kein Benzin. Das wird die Welt verändern. Zuerst werden Exxon, BP und Kumpane ruiniert. Dann die Scheichs. öl-Kriege werden sinnlos. Revolution?

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Seth Miller hat gerade den Tod der grossen Oel-Gesellschaften fuers Jahr 2025 prognostiziert. Man muss diesen jungen Mann nicht kennen, um von seiner oekonomisch gut fundiert Vorhersage beeindruckt zu sein.

Er rechnet naemlich vor, dass das Betriebkosten von Autos mit Verbrennungsmotoren demnaechst deutlich hoeher sind als von Elektroautos. Noch billiger wird die Benutzung fahrerloser Elektroautos.
Bekanntlich gibt's diese neuen Autos bereits. Sie werden permanent verbessert. Um die Reichweite steigern, werden voellig neuartige Batterien entwickelt. Rasant.

Nur ein grosses Geschaeft fuer die nahe Zukunft?

Gut, Oel wird trotz der Elektroautos auch weiterhin gebraucht. Fuer die Pharma-Industrie, die Schiffahrt, Textilindustrie etc. Doch das sind nur "Nischen", denn mehr als 50% des Erdoels wird heute noch im Strassenverkehr verbraucht. Durch die sinkende Nachfrage fuer Verbrennungsmoteren wird der Oelmarkt in absehbarer Zeit schnell und massiv einbrechen.

Die riesigen Investionen der Oel-Gesellschaften fuer Pipe-Lines, Bohrinseln, Erschliessung von Oelquellen, muessen abgeschrieben werden. Exxon, BP et al. haben dann die Wahl, entweder ihre enormen Schulden nicht zu bedienen, um noch einige Jahre "ueber die Runden zu kommen" oder gleich Konkurs anzumelden.

Die Beispiele Kodak (Filme) oder Nokia (Handys) zeigen, dass eine einzige technologische Innovation (Digitalkamera bzw. Smartphon) den schnellen Bankrott marktbeherrschender Welt-Konzerne bewirken kann.

Der Untergang von Big Oil wird nach genau dem gleichen Muster ablaufen.

Soweit Seth Millers These, die er im Detail belegen kann.

Einige unsortierte Ueberlegungen zu den sozialen und politischen Voraussetzungen und Konsequenzen dieser Entwicklung.

1. Vermutlich werden sehr viele Menschen tatsaechlich auf Elektroautos umsteigen, sobald deren Preis und Unterhalt geringer ist als fuer Benzinkutschen. Dieser "break-even point" ist bald erreicht. Damit waere allerdings noch nicht viel gewonnen ausser besserer Luft. Immerhin.

2. Fuer den oeffentlichen Verkehr (LKWs und Busse) waere der fahrerlose Betrieb natuerlich besonders attraktiv weil kostenguenstiger.

3. Einen deutschen Mann zu bewegen, auf das Steuern seines "Wagens" zu verzichten, wird schwierig. Dass die Kutschen mit kuenstlicher Intelligenz sicherer fahren, als mit Mensch am Steuer, "glaubt doch niemand". Ist aber so.

4. Vielleicht waere es einfacher, die heutigen Autobesitzer gleich davon zu ueberzeugen, auf das eigene Auto ganz zu verzichten und bei Bedarf ein Auto per App zu ordern. Fahrerlose "Taxis" als kostenlose (durch Werbung finanzierte) Dienstleistung anzubieten, das waer doch was!

5. Autos sind auch Statussymbol, befriedigen u.a. den Jagd-Trieb und werden von vielen Menschen als zusaetzlicher "Wohnraum" bzw. als persoenliche Muellhalde benutzt etc. Diese auto-affinen Macken zu veraendern wird dauern.

Noch zwei allgemeinere Konsequenzen.

6. Mit der Technologie der neuen, leichten und effizienten Batterien werden auch die Einsatzmoeglichkeiten erneuerbarer Energien erweitert. Energie kann dann ohne Leitungsverlust "am Stueck" zum Verbraucher transportiert werden. Nicht nur ueber kurze Entfernungen bis zur naechsten Ladestation fuer Autos. Auch ueber grosse Entfernungen wird das moeglich sein. Mit solarbetriebenen Schiffen oder Eisenbahnen, Millionen von aufgeladene Batterien aus den suedlichen Sonnengebieten in den sonnenarmen Norden zu bringen wird allerdings noch etwas dauern.

7. Geopolitischen Konsequenzen sind dagegen relativ bald zu erwarten. Die einbrechende Oel-Nachfrage wird die oekonomisch-strategische Bedeutung der Golf-Region zunehmend verringern. Den 30jaehrige Golfkrieg weiterzufuehren, lohnt nicht mehr. Und die Aristokraten der Region muessen irgendwann vom Privat-Jet aufs Kamel umsteigen. (Gut, das wird etwas dauern.)

Diese Liste positiver Konsequenzen koennte man zwanglos erweitern.

Wichtiger scheint mir, dass wir - beispielhaft - die ungeplante Destruktion und Rekonstruktion eines zentralen Teils der fortgeschrittenen Industriegesellschaften durch technologische Innovationen miterleben.

Das wird zwar zur Stabilisierung des Klimas beitragen, die Luft und die urbane Lebensqualitaet verbessern. Doch der Untergang von Big Oil wird eine anhaltende Rezesession ausloesen, sowie crashs der Finanz- und Wirtschaftssysteme.

Selbst wenn die staatlichen Akteure rechtzeitig "gegensteuern" (was m.E. eher unwahrscheinlich ist) und beispielsweise staatlichen Sicherungen anpassen, sind soziale "Verwerfungen" wie hohe Arbeitslosigkeit und steigende Ungleichheit etc. unausweichlich.

Technische Innovationen, das zeigt dieses sehr wahrscheinliche Zukunfts-Szenario, koennen die Defekte unserer industriellen Zivilisation offenbar nur "umschichten", nicht aber beheben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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