Von Buddhisten, Pazifisten und den Opfern

Friedensliebe In Sri Lanka, Thailand, Nepal vertreiben Buddhisten Muslime und Hindus. Spirituelle Kreise behaupten aber: Buddhisten sind Pazifisten! Nur ein Gerücht oder ist was dran?

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Man muss zugegeben, untereinander verhalten sich Buddhisten eher friedfertig. Die vielfaeltigen Sekten der Abrahamiten schlagen sich seit Jahrhunderten mit religioeser Begeisterung gegenseitig die Koepfe ab. Zwischen Theravadin und Mahayanas hat man derartiges selten beobachtet. Buddhisten neigen zum theoretischen Zanken. Das ja. Danach muessen sie aber schleunigst zum Essen. Punkt zwoelf macht die buddhistische Kloster-Kantine naemlich zu und erst am naechsten Morgen so gegen sechs steht wieder jemand hinterm Tresen. Diese Oeffnungszeiten halten den Krach unter Buddhisten auf niederem Niveau.

Der Umgang mit Nicht-Buddhisten ist etwas Anderes. Dazu gibt's eine nette Geschichte.

Der Buddha wird von zwei Nicht-Buddhisten aufgefordert, die Wahrheit ueber Krieg und Frieden mit nur einem einzigen Wort zu verkuenden.
Der Buddha dreht sich zur Wand und schweigt. Die beiden Nicht-Buddhisten sind begeistert und loben den Buddha in hoechsten Toenen.

Wer's glaubt wird seelig.
Vermutlich wurden die beiden frechen Frager hochkantig aus der Meditation Halle geschmissen.
Naja, Schoenfaerberei gibt's in jeder Religion.

Die Legitimitaet von Krieg und Gewaltanwendung etc. ist unter Buddhisten aber tatsaechlich kein Thema. Soweit stimmt die Geschichte. Die in der dFC debattierte Frage: "bedingter oder radikaler Pazifismus" ist dem Buddhismus wesensfremd. Die grosse Frage, welche Waffen ein Pazifist einsetzen kann und unter welchen Voraussetzungen, ist fuer Buddhisten nicht wichtig.
Deren eigenwillige Perspektive zeigt die folgende Geschichte.

Ein Chinesisches Zen-Kloster wird von Raeubern ueberfallen, die sofort alle Bewohner umbringen. Der Meister sitzt mit den Moenchen in der Meditationshalle. Die Raeuber stuermen herein und schlagen einem nach dem anderen den Kopf ab. Als der Meister an der Reihe ist hoert man von ihm noch einen lauten Schrei, dann faellt sein Kopf. Dieser Schrei war noch Jahrhunderte spaeter zu hoeren.

Soweit die story. Die Moenche waren zweifellos Pazifisten. Sie haben sich nicht verteidigt. Haben sich wiederstandslos umbringen lassen. Und der Schrei des Meisters ist das Schreien eines Opfers, aller Opfer. Der Moenche in dieser Meditationshalle und aller Opfer in den spaeteren Jahrhunderten. Nur der Schrei bleibt im Gedaechtnis.

Ist das Pazifismus, nur auf die Schreie der Opfer zu achten und auf sonst nichts? Die Tater, die Moerder, die Verantwortlich gar nicht wahrzunehmen, nicht zu identifizieren? Keine Gerechtigkeit fuer die Opfer zu fordern? Nur deren Schreie zu hoeren?

Ein faszinierendes Konzept. Als praktische Anleitung fuer fuer einen friedliche Welt allerdings voellig unbrauchbar, denn es stellt die Weltordnung auf den Kopf.

Wir Menschen wollen uns verstaendlicherweise davor schuetzen, Opfer zu werden.
Wir brauchen das Recht, um Moerder bestrafen zu koennen. Wir brauchen die Eindaemmung von Gewalt durch Gesetze und Abkommen etc., um uns sicher zu fuehlen.
Menschen sind gewaltaetig, wenn man sie gewaehren laesst. Zivilisation ist nur moeglich, wenn der Gewalt Grenzen gesetzt werden.
Jeder Pazifist muss sich, bei aller Friedensliebe, auch um die Frage von legitimer und der illegitimer Gewalt kuemmern.

Waehrenddessen hallen die Schreie der Opfer durch die Jahrhunderte.
Das ist kaum auszuhalten.

Darum unterstuetzen wir Deutsche die Israelische Armee und hoffen, die Sprengbomben in Gaza werden den Saengern im Feuerofen von Treblinka irgendwann das Maul stopfen.

Darum verkaufen wir den Saudis Panzer und hoffen, die brennenden Menschen bei Kunduz werden endlich mit ihrem Geschrei aufhoeren.

Darum schicken wir den Perschmerga Maschinengewehre und hoffen, deren knatternde Salven werden die hilflosen Schreie in den Waeldern bei Minsk uebertoenen.

Das alles reicht aber nicht. Wenn wir das Dilemma zwischen Pazifismus und dem Schutz von Menschenleben diskutieren wollen, muessen wir uns noch immer ganz fest die Ohren zuhalten,

Und der Buddha? Der sitzt noch immer mit dem Gesicht zur Wand und sagt nichts.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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