Das Ende eines 60jährigen Krieges

Nord Korea blues. Nord Korea hat mal wieder einen unterirdischen Atomtest veranstaltet, der weltweit verurteilt wird. Ist Jong-un so verrueckt, dass er einen Atomkrieg ausloesen wuerde?

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Die USA und Russland sind dabei, die Kriege in Westasien nach vielem hin- und her durch Kooperation zu beenden. (Was dem Pentagon gar nicht passt.)

Im Schatten dieser Ereignisse bahnt sich in Ostasien, nach 60 Jahren, das Ende des Korea-Krieges an. Voraussetzung ist auch hier eine Kooperation zwischen den Hauptakteuren USA und China.

Eine kurze Rueckblende.

Im Korea-Krieg Anfang der 50er Jahre wurde die Schlagkraft der chinesischen Volksbefreiungs Armee und der russischen Streitkraefte deutlich, aber auch die militaerische Schwaeche der USA.
General McArthur hatte daraufhin den Einsatz von Atomwaffen gefordert, die Praesident Trumann jedoch verweigerte. So wurde damals ein vermutlich weltweiter Atomkrieg verhindert.

Es ist nicht ohne Ironie, dass Nord Korea, ein "Kind" dieses Krieges, seit einigen Jahren droht, "die Welt" in einen nuklearen Krieg zu stuerzen.

Eine nukleare Gefaehrdung "der Welt" durch NK wird gegenwaertig auch in westlichen Medien "hochgezogen". Ab 2017 sei das Land in der Lage, seine Raketen mit Atomsprengkoepfe auszuruesten. SK und Japan sind demnach von einem verrueckten Diktator mit "Saddam-Faktor" bedroht, der mit seinen Atomwaffen verhindern will, wie Gaddhafi oder Hussein zu sterben.

Es wird nicht mehr verhandelt, sondern "hard-ball" gespielt.

Die Grossmaechte haben lange mit Zuckerbrot und Peitsche versucht, Nord Korea zu beeinflussen. Mehr als taktische Zugestaendnisse waren nie zu erreichen. Dieses diplomatische Spiel ist vorbei.

Die Wirtschaftszone zwischen Nord- und Sued Korea ist geschlossen.

Die Errichtung eiener Wirtschaftszone mit China stagniert.

Nahrungsmittel fuer die Bevoelkerung werden von Suedkorea nicht mehr angeboten.

Selbst internationale Hilfe fuer die Betroffenen der gegenwaertigen Flutkatastrophe ist fraglich.

Statt dessen gibt's einen massiven Propaganda-Krieg gegen den Staats-Chef Norden Koreas. Wenn man der westlichen Presse glaubte, ist Kim Jong-un ein paranoider, uebergewichtiger Psychopath, der zu allem bereit ist.

Auch die neuesten amerikanischen Sanktionen sind auf die Person des Staatschef ausgerichtet, der auch "wunschgemaess" mit nuklearen Drohungen reagiert.

Da NK sich nicht an UN-Resolutionen haelt gefaehrdet dieser Verrueckte die ganze Welt. Das schreiben jedenfalls die westlichen Medien.

Nun hat der Guardian vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Informationen ueber Jong-un allesamt vom Geheimdienst Sued Koreas stammen. (Woher auch sonst?)

Dennoch, hinter den wechselseitigen Propaganda-Kulissen hat sich die geopolitischen Situation NK's im vergangenen Jahr erkennbar verschlechtert.

  • Die USA wollen sich aus der Region zurueckziehen. NK wird als Pufferstaat zwischen China und den USA also nicht mehr gebraucht.
  • Die von NK "irgendwie" bedrohten Staaten (Japan, die Philippinen und Suedkorea) haben autoritaere Regierungen, die gern ihre (militaerische) Handlungsfaehig beweisen moechten.
  • Wichtiger als NK ist fuer China wohl derzeit die Durchsetzung territorialer Ansprueche im Suedchinesischen Meer.
  • China hat bereits einmal fuer UN-Sanktion gegen NK gestimmt. Nur die beabsichtigte US Raketenstationierung in SK haelt China davon ab, NK endgueltig fallen zu lassen.

Warum diese massive Konfrontation eines Kleinstaats am Ende der Welt und warum gerade jetzt?

Auf den ersten Blick scheint die Antwort sonnenklar. NK koennte mit seinen Atomwaffen einen weltweiten nuklearen Krieg ausloesen. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden!

Der zweiter Blick zeigt jedoch, dass es die Gefahr eines Atomkrieges gar nicht gibt. NK hat zwar eine (oder mehrere) Atombomben, kann sie aber nicht einsetzen. Die Militaertechnik NKs stammt aus den 60er und 70er Jahren.

Gefaehrlich ist aber, dass NK neuerdings ueber genuegend Plutonium verfuegt, um die uralten konventionelle Sprengkoepfe seiner antiken ballistischen Raketen mit strahlendem Material "anzureichern". Mit solchen "schmutzigen" Kopfen koennte der Norden zumindest grenznahe Gebiete Suedkoeras mit Plutonium kontaminieren.

An dieser solchen Option "arbeitet" NK wohl derzeit. Darum die haeufigen Funktions-Tests von Kurz- und Mittelstrecken Raketen, die Inbetriebnahme eines alten "Plutonium-Reaktors, der neue groessere Nukleartest. Das alles soll deutlich machen, dass es inzwischen genuegend Plutonium und funktionierende Raketen fuer den "schmutzigen" nuklearen Einsatz gibt. Beides sollte durch die bisherigen UN-Sanktionen (Reaktor abschalten, keine Raketentests) verhindert werden.

Fuer SK scheint diese Entwicklung so gefaehrlich zu sein, dass es einen Plan zur voellig Vernichtung Pyongyangs veroeffentlichte.

Was folgt aus diesen Einschaetzungen?

Die Fortsetzung der bisherigen NK-Politik waere sehr riskant.

Auch China duerfte die sich abzeichnende "schmutzige" nukleare Optionen NK's als zunehmend bedrohlicher wahrnehmen. Damit waechst die Wahrscheinlichkeit einer praeventiven "Operation" gegen NK.

Da NK seit Jahrzehnten wohl haeufiger fotographiert wurde als der Eiffelturm, sind alle militaerischen Ziele gut bekannt. Sofern China nicht eingreift, kann NK von den Anrainerstaaten in wenigen Stunden weitgehend "entwaffnet" werden. Sehr viele Tote. Vor allem Zivilisten.

Die regionalen Folgeprobleme einer militaerischen Loesung (Massenflucht, Verstrahlung etc.) sind kaum abzuschaetzen. An einem "failed state" NK kann niemand in der Region ein Interesse haben.

Als nicht-militaerische Optionen, um NK zu "neutralisieren", ist eine "bunte" Revolution in Pyongyang (nach dem Fehlschlag in Hongkong) aehnlich unwahrscheinlich, wie ein militaerischer Angriff.

Eine deutlich bessere Option waere Chinas Kooperation mit den USA.
China koennte beispielsweise Jong-un und seinen inneren Zirkel ins "sichere" chinesisches Exil "bitten". (Als Gegenleistung fuer US-Entgegenkommen im suedchinesischen Meer.) Das waere eine "asiatische" Loesung, die Verhandlungen der Jong-un-Nachfolgeregierung mit Suedkorea moeglich. Eine Konfoederation beider Koreas (finanziert von Suedkorea) mit Chinesischer "Wirtschaftshilfe" waere ein Weg, bei dem alle Seiten ihr Gesicht wahren koennten. Im Verlauf dieser Entwicklung koennte, wie Ende der 80er Jahre in China, statt des repressives Systems sukzessiv ein "moderner" autokratischer Staat NK entstehen.

Ob die militaerische Variante gewaehlt wird oder eine eher diplomatische, in jedem Fall scheinen die Tage Kim Jong-un's gezaehlt.

Sobald der 60jaehrige Krieg in Korea bendet ist, koennen die USA ueber den Pazifik nach Hause in die "splendig isolation" schippern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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