Der Gift-Anschlag in GB - kein casus belli!

Unnoetige Angst. Nach Frieden sieht's nicht aus. Weltweite Unruhe und Angst, einerseits wg. Trump, andererseits wg. Putin. Frau May, GB, spielt "Krieg" gegen beide. Nur ein Spiel? Tja.

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Lutz Herden hat im aktuellen dig-Freitag (12/18 "Die Logik der Eskalation") argumentiert, der gegenwaertige Konflikt zwischen GB und Russland koennte zum Krieg zwischen Russland und dem Westen eskalieren . Um es gleich vorweg zu sagen: bei aller Wertschaetzung fuer Herrn Herden, diesmal evozieren seine Einschaetzungen unnoetige Kriegsaengste.

Ich will auf seine z.T. schiefen historischen Analogien nicht eingehen. Sie sind als Vergleichsfolie auch wenig geeignet. Nicht die Amis, sondern die Poms* sind diesmal die Kontrahent Russlands. GB hat den Nato-Vertrag bisher ausdruecklich nicht erwaehnt. Auch ihre die Nato-"Verbundeten" nicht. Niemand will dieses halbtote Buendnis strapazieren.

Der Konflikt ist auch sehr "gegenwaertig", ein Zwischen-Ergebnis der langsamen Desintegration des "Westens". Russland scheint das besser zu verstehen als beispielsweise die Nato-"Partner".

Einige Anmerkungen zu den Details. (Sorry, teilweise etwas ironisch...)

Trump scheint tatsaechlich nur noch an "America First" interessiert. Die Gefaelligkeiten fuer treue Verbuendete in aller Welt sind Vergangenheit. Die Nato scheint dem T. obsolet. Den Nato-Verbuendeten passt das nicht. Klar. "Nato wird doch immer wichtiger, weil Russland immer gefaehrlicher wird", sagt der Herr Sekretaer Stoltenberg. Trump will nicht auf ihn hoeren.

Frau May hat jetzt das Steuer herumgerissen. Ein ehemaliger britisch/russischer Doppelagent wurde in England vergiftet. Das war Putin, sagt Frau May und stellt ein Ultimatum: er, Putin, moege doch allerschnellstens erklaeren, wie die Taeter an die Chemikalie kamen. Russland zeigt sich uninteressiert. Darauf kriegt der Vorfall eine neuen Rahmen-Story verpasst. May verkundet weltweit, der Anschlag sei ein "russischer Angriff mit einem waffenfaehigem chemischem Kampfstoff gegen ein ziviles Ziel in GB".

Auf so ne Definition von "Mord und Totschlag im Agenten-Milieu" muss man erstmal kommen! Das koennen nur Profi-Schreiber!

Das Schoene an der neuen Story: It hits two birds with one stone. (Sowas liebt der Angelsachse.)

Bird one: Trump's Isolationismus.

Wenn ein Nato-Staat von Russland angeriffen wird (naja, nicht wirklich, aber fast), koennen sich die Amis nicht einfach davonschleichen, wie beispielsweise aus Syrien. Jetzt muss die Nato ihre Flaggen zeigen, auch die mit den Streifen und den Sternen! Trump hat zunaechst gezoegert, ein Kanonenboot der Royal Navy zu besteigen. Auch Macron und Merkel hatten Vorbehalt. Doch Lady Brexit hat sich durchgesetzt. Herr Stoltenberg bedient bereits die Bordkanone usw. May wollte urspruenglich einen flankierenden Cyberangriff starten. Hat sie aber gelassen. Davon verstehen die Poms nicht mehr viel, seit Turing tot ist. Darum der Rueckgriff auf die gute alte Kanonenboot-Politik.

Bird two ist natuerlich die EU.

Nicht dass Frau May, als Opfer eines russischen Chemieangriffs in den Brexit-Verhandlungen einen kleinen Bonus beanspruchen wuerden. Den kriegt sie jetzt sowieso. Wichtiger fuer das Empire: auf der Halbinsel (jenseits des Kanals) haben die *Poms eine "verdaechtige" militaerische Annaeherung zwischen Deutschland und Frankreich festgestellt. Es werden sogar Streitkraefte der EU geplant, ohne GB! Sowas hat den Poms in den vergangenen 500 Jahren noch nie gepasst. Da musste was passieren!

Erstmal sitzen jetzt alle im gleichen (westlichen!) Boot mit Ihrer Majestaet Premierministerin am Steuer. Great.

Und Putin? Freute sich wie Bolle ueber die willkommene Wahlhilfe. Man koennte boeswillig sagen, Frau May hat sich in die russischen Praesidentschaftwahlen zugunsten von Putin eingemischt.

MI6 hat die Hilfe fuer Putin offensichtlich billigend in Kauf genommen, weil's wichtiger war, den Steine zu schmeissen. Hm.
Hat das gelohnt? Kurzfristig sicherlich. Der Westen schimpfte mit einer Stimme.
Im 24-Stunden Medien-Zirkus ist das aber bald uebertoent. Mittelfristig macht dann jeder wieder seins.
Nur die Poms versuchen weiterhin, die Affaere am Kochen zu halten. Boris durch einen Fussball-WM-Vergleich mit den Hunnen von '36. Aehnlich "over the top" fordert May, dass alle Russischen Spione auf dem Kontinent ausgewiesen werden usw.

Putin haette nach der Wahl die ganze GB Giftgas-Sache vergessen koennen. Wollte er aber nicht. Nun gerade nicht.
In der russland-nahen Orientel Review wurde gerade der Spiess umgedreht.

Nicht Russland hat mit Giftkrieg angefangen, sondern GB wollte einen Atomkrieg anzetteln (naja, so etwa).
Im Detail hat der OR-Autor die "perfiden" Aktionen der Briten aufgelistet, die in 4 Tagen der letzten Woche zu einem neuen Kalten Krieg fuehren sollten!
Um das Schlimmste zu verhindern, musste ein russischer General sogar drohen, einen US-Flugzeugtraeger zu versenken! (Keine Sorge: nur dann, wenn ein russischer Soldat von den USA erschossen werden wuerde. Aeusserst unwahrscheinlich, weil Russland vorwiegend die Soeldner von Herrn Wagner in Syrien kaempfen laesst.)

In short: May und Tillerson Arm in Arm gegen die Russen. Ein geopolitischer Thriller. Ging schief. Diese Show hat dem Trump naemlich gar nicht gepasst. Der Tillerson wurde also gefeuert und weil er zusammen mit der May komplottiert hatte usw. So war das naemlich letzte Woche schreibt die OR.

Gut, man muss dieses Affentheater nicht ernst nehmen. May kaempft ums politische Ueberleben.
Der politische "Klasse" in Europa und USA geht die Frau auf die Nerven. Putin nutzt die Situation, um "den Zusammenhalt im Westen" zu testen. May und Johnson wollen mit ihrer Bedrohungskulisse die Nato kitten. Corbyn gibt den Erwachsenen und macht nichts.

Kurz: Die Poms versuchen, sehr traditionsverflichtet, ihre im 19.Jahrhundert ueblichen, geopolitischen Empire-Spielchen wiederzubeleben. Mit bisher maessigem Erfolg.

*Pom(s) (austr. Englisch), Englaender

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Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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