Der Papst verurteilt die Tyrannei der Märkte!

Unmoeglich! Ja, gehts denn noch? Jetzt greift auch noch der Papst die freie Marktwirtschaft an! Der schreibt doch glatt, unser oekonomisches System der Ungleichheit toetet Menschen!

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Trotz aller Aufregung ueber Papst Francis in der FAZ (dieser link steht pars pro toto fuer Beitraege in vielen Medien) erstmal ein bisschen Kontext.

Francis ist aus Argentinen und Papst, kein Latino-Revoluzzer. Er redet und agiert im eher engen, traditionellen Rahmen seines Amtes.

Man sollte sich nicht taeuschen. Trotz aller Bescheidenheit in seinem persoenlichen Auftreten, trotz seiner Zurueckhaltung gegenueber dem Pomp und der spiritueller Grosskotzigkeit seiner beiden Vorgaenger, trotz seiner Orientierung an Francis von Assisi, ein Papst ist ein Papst ist ein Papst. Diese Rolle kann auch Francis nicht verlassen. Rom wurde nicht an einem Tag gebaut und der "Umbau", wenn er denn beabschtigt ist, wird auch laenger dauern.

Das vorausgeschickt, ist es erstaunlich, wie Francis seinen geringen Spielraum bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit genutzt hat. Zu manchen Themen sendet er nur leise Signale, manchmal wird er ziemlich deutlich, vor allem wenns um die Ursachen der Armut geht.

Francis, obwohl aus Argentinien war keine Vertreter der Befreiungkirche in Lateinamerika. Er hat sich aber immer klar fuer die "Armuts-Option" als Zentrum der Arbeit von Jesuiten und anderen Profi-Katholiken eingesetzt.

In diesem Rahmen ist auch sein vor kurzem veroeffentlichtes "Manifest" (so ne Art Grundsatzreden) zu verstehen, auf dass die Profiteure des Kapitalismus, so aufgeregt und beleidigt reagiert haben. Voellig zurecht.

Francis schreibt naemlich "schlicht und ergreifend" (wie meine Grossmutter gesagt haette): die Armut auf der Welt ist eine Folge des gegenwaertigen oekonomische Systems, also der globalisierten Maerkte, der Konkurrenz, des Prinzips "survival of the fittest" etc. Nur wenn die Prinzipien des Kapitalismus aufgegeben werden, kann es Gleichheit und Gerechtigkeit auf dieser Welt geben.
Full stop.

Starker Tobak, nicht nur fuer konservative Kirchgaenger.
"Der Papst vergisst, dass viele Millionen durch die Globalisierung aus der Armut befreit wurden." "Fuer die Armen kommt durch die Rhetorik des Papstes nichts heraus." So und aehnlich schreiben die journalistischen Claqueure des status quo und vergessen natuerlich auch nicht darauf hinzuweisen, dass die Kirche, schon immer gegen die "Reichen" war.
Stimmt. Aber die Hierarchie der Kirche hat das seit Jahrhunderten immer gern vergessen. Francis offensichtlich nicht.

Sowenig Karl Marx jemals heilig gesprochen wird, sowenig wird Francis in der Messe jemals die Internationale anstimmen.
Und dennoch, dass der Papst den Kapitalismus fuer die Armut auf der Welt unmittelbar verantwortlich macht, ist schon einen Beitrag in der FC wert.
Fand ich jedenfalls.

P.S. Noch ein australischer Beitrag zum Thema mit weiteren links. Toni, unser ultra-konservativer Premier Minister ist schliesslich bei den Jesuiten zur Schule gegangen...

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Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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