Feuerwerk oder Buergerkrieg? - Ein Vergleich

Sylvester Peng Peng. Zu Sylvester zeigen sich die Unterschiede der Welt-Kulturen. "Happy New Year" heisst's in Australien. "Guten Rutsch" wünscht man sich in Deutschland. Gibt's dafür Gründe?

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Seit gestern liegen im Hafen von Sydney hunderte von Schiffen, Bordwand an Bordwand, vom 32 Mann Katamaran bis zum Zweisitzer Faltboot. Noch 10 Stunden bis zum Feuerwerk.


Auf den Streben der Harbour Bridge turnen fragile chinesische Spezialkraefte und legen letzte elektrischen Zuendschnuere. Alles wird klappen, sagt mir laechelnd der Vorarbeiter. Noch 8 Stunden bis zum Feuerwerwerk.

An den Ufern von Balmain, Circular Quay und Kirribilli draengeln sich TV-Crews aus aller Welt. In den Kneipen der Rocks haben tausende Landratten eine glueckliche Nacht verbracht. Jetzt ist der Hafen abgeriegelt.

Wer jetzt noch draussen ist, wird es lange bleiben. Noch 6 Stunden bis zum Feuerwerk.

Ein schoener Tag. In der Domain und in Hyde Park sitzen sommerlich gekleidete Menschen im Gras, traeumen, reden, lesen oder kitzeln sich mit langen Grashalmen. Grillbuden gibts und Bier in Plastikbechern. Noch 4 Stunden bis zum Feuerwerk.

Rund um den Hafen sind riesige Gerueste mit bunten Raketen bestueckt. Auch hier sind die Freunde aus dem Reich der Mitte mit ihrer tausendjaehrigen Feuererfahrung am Werk. Eine weiche Dunkelheit umhuellt die wartenden Menschen am Ende dieses Sommertages. 26 Grad. Noch 2 Stunden bis zum Feuerwerk.

Dann ist es so weit. Scheinwerfer der TV-Crews beleuchten die noch dunkle Szenen. Die Direktuebertragungen in alle Welt beginnen. Nur noch Sekunden bis zum Happy New Year.

Sparkling Wine aus Tasmanien und Suedaustralien fliesst in Stroemen. Noch wildfremde Menschen liegen sich in den Armen. Und ueber allem die Licht Fontaenen und die glaenzenden Flammen-Raeder, die mit funkelnde Feuerspuren in den Himmel schiessen. Die Bridge in violettem Licht, rund um den Hafen Feuerwerk, Feuerwerk. Die Kinder wissen gar nicht wohin sie blicken sollen.
Happy New Year 2014. Der Stadt und dem Weltkreis. Urbi et Orbi.

Zeitgleich in Deutschland.

Die Menschen in Deutschland haben nur ein halbes Auge fuer die Direktuebertragung des Feuerwerks in Sydney .

Eben erklaert die 13jaehrige Sunni ihren kleinen Bruder Marc, der direkt vor dem Fernseher sitzt, warum es in Sydney schon Neu Jahr ist und in Deutschland noch nicht.
"Das liegt am Klimawandel", sagt sie. "Mit dem Schmelzen des Suedpols wird immer mehr Zeit frei, die zuerst in Australien landet ehe sie sich weltweit verteilt", sagt Sunni. "Bei dem Oetzi damals waren es 5000 Jahre."

"Ziemlich lange", brummt Marc. Richtig ueberzeugt hat ihn die Erklaerung seiner Schwester aber nicht.

Die Eltern haben keinen Nerv, um sich wissenschaftliechen Kontroversen ihrer Kinder anzuhoeren
Die ganze Nacht hindurch war bereits in den Vorstaedten einiges los. Das Geknalle war unueberhoerbar. Kleine Einheite sind inzwischen in die Innenstadte gesickert. Die Polizei hat die Lage noch im Griff. Noch. Unablaessiges Sirenengeheul.

Die Menschen in der City werden langsam nervoes.
Die Direktuebertragung aus Sydney ist laengst vorbei.

Jetzt guckt Marc die Wiederholung der Rudi Carell Sylvester Show von 1982. "Mutti, wer ist Peter Alexander?" ruft er und flippt schnell mal durch die Programme.
Auf 3sat laeuft der Rueckblick auf die Highlights der Gartensaison. "Mutti, Garten", ruft Marc in Richtung Kueche. Wieder keine Antwort.
Draussen krachts und knallts. Sunni hat auch einige Raketen gekauft, die sind bei Papa im Zimmer.

Katz, die Katze hat ihren Stahlhelm mit dem Nackenschutz neben dem Koerbchen liegen. Sie will spaeter noch raus und einen Vorrat veraengstigter Maeuse fangen. Das wird lustig, schnurrt Katz im Schlaf.
Topomir, der ungarische Hirtenhund hat bereits das grosse Headset auf den Ohren und versteht nichts mehr.
Schliesslich schleicht er sich zu Hansi, der sich im Weinkeller aufhaelt. "Krokodile hoeren auch mit dem Bauch", hatte Sunni gesagt und auf dem Ganzkoerperlaermschutz fuehrt Hansi beharrt.

Hansi klappt ein Auge auf, als Topi kommt und klappt's gleich wieder zu.

Im Staedtischen Krankenhaus bindet sich der Mikrochirug die Gummischuerze um und hofft auf eine schoene, abgetrennt Hand. Auf die Dauer sind Finger ja langweilig.
Die Notaufnahme hat drei ausserplanmaessige Schwestern bekommen.
Die Ambulanzen stehen mit laufenden Motoren im Hof.
Bei der Feuerwehr sind die Tore zurueckgeschoben. Urlaubssperre, seit drei Tagen schon.

Dann: 5, 4, 3, 2, 1 Gutes Neues Jahr schreien die Leute sich im Fernsehen an. Die Mutter und der Vater liegen sich in den Armen.
Vor den Fenstern ist die Hoelle ausgebrochen. "Is ja wie Wilikiji Luki", versucht Opa zu scherzen, aber niemand versteht ihn.
Draussen wird von Haus zu Haus wird gekaempft. Schreie, Traenen, geschwaerzte Gesichter. Pappa hat seinen Raketenwerfer auf dem Balkon eingerichtet und feuert Salve auf Salve.
Katz, die Katze hat schon sieben Maeuse hintern Haus auf der Gartenveranda abgelegt. Topomir ist neben Hansi eingeschlagen und traeumt von der Puszta.

Erst gegen Morgen lichtet sich das Getuemmel. Der Mikrochirurg ist noch immer gluecklich mit der ersten Hand beschaeftigt. Und eine zweite wartet auf ihn im Eisfach.
Die Feuerwehr ist dabei einen Wohnungsbrand zu loeschen, der ein 12stoeckiges Burogebaeude erfasst hat.
Auf den Strassen liegen die verkohlten Reste der naechtlichen Gefechtet.

Der Rutsch ins Neue Jahr ist Gottseidank wieder gut gegangen, denkt die Mutter beim Einschlafen.


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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