Geburt einer neuen Weltordnung als Farce.

Zukunftsmusik. Die Lage ist ernst. Aufgeregte Diplomaten, Generale. Weltkrieg Drei? Remake des Kalten Krieges? Ach was. Eine neue Weltordnung entsteht! Zweite Wiederholung. Als Farce.

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Die Dauer-Konflikte aus den 50er Jahren in Europa und Asien scheinen wieder aufzubrechen. Das ist erschreckend aber kurioser Weise auch beruhigend. Mit dem Kalten Krieg und dem ungeloesten Korea-Konflikt hat die Welt schliesslich 40 Jahre gelebt, ohne dass es zu einem grossen Krieg gekommen waere.

Also Sehnsucht nach dem Kalten Krieg? Michael Jaeger hat neulich im dig-Freitag den zunehmend aggressiveren Konflikt zwischen dem Westen und Russland analysiert und mit dem Verhalten der Kontrahenten im Kalten Krieg verglichen. Eine Neuauflage des Kalten Krieges sei das nicht, schreibt Jaeger, damals waere man "gesitteter" miteinander umgegangen. Heute sei der Westen wuetend, weil Russland die weitere Expansion der Nato verhindert habe.
"Der Westen steigert sich wohl deshalb so sehr in Wut, weil er sein Räuber-und-Gendarm-Spiel zu verlieren droht. Es ist schon eine gefährliche Situation." Reicht das aus, um die heutigen Konflikte in Europa und darueber hinaus zu erklaeren? Gibt's ueberhaupt eine Kriegsgefahr?

Jaeger schreibt auch: "Heute kämpft der Westen für eine Weltordnung und Russland für eine andere." Kampf um eine (neue) Weltordnung ist als Konzept m.E. besser geeignet als "Wut", um die gegenwaertigen Spannungen zu erklaeren. Mehr als eine Weltordnung kann's ja nicht geben! Darum steht viel auf dem Spiel! Europas Angriffe gegen Russland sind wohl nur ein Symptom fuer die Konflikte beim Entstehen einer neuen Ordnung der Welt.
Das ist gar nicht so neu. Die heutigen Akteure haben das frueher bereits versucht.

Es fing damit an, dass die Kriegsgewinner nach 1945 eine hoch moralische Weltordnung errichten wollten, die aber nach wenigen Jahren ins Gegenteil umschlug, zur nuklearen Konfrontation des Kalten Krieges wurde.

Die erste Wiederholung des Versuchs, eine bessere Ordnung der Welt zu schaffen, geriet 1989/91 zur Tragoedie. Millionen von Menschen verloren nicht nur Ersparnisse und Arbeitsplatz, sondern auch die Hoffnungen auf ein besseres Leben, irgendwann in der Zukunft. Damals hat nur die weltumspannende Gauner-Elite profitierte und konnte sich 90% alle Reichtuemer der Welt in die Taschen stopfen. C'est la vie capitaliste.

Gegenwaertig steht die zweite Wiederholung der weltweiten Neuordnung von Macht bevor. Diesmal nicht als Tragoedie, sondern wie Marx bzw. Hegel vorausgesagten haben, als Farce.

Eine Knallcharge geriert sich bereits als US-Praesident. Besser kann man die Hauptrolle nicht besetzen. In den Nebenrollen Le petit Banker aus Pari, oan Bayer in Berlin, the excentric Brexit-Mum und andere. Mutti D. schmunzelt. Farce, ein leichtes, humorvolles Spiel voller Situationskomik, schreibt das Lexikon.

Der erste Akt war schon.
Zuerst wurden mit grossem Getoese auf dunkler Buehne diverse Diplomaten Behausungen geraeumt. "Ist alles, alles vergiftet" sang der Chor von Westminster.
Naechste Szene: Neulich in Syrien. Viel Getoese. "Gift, Gift, Gift" singt der Chor. Dazu eine Klasse Lightshow. Manuskript: Pentagon.

Kurzes Zwischenspiel mit Auftauchen des Teufels, der sich von seinen zaristischen Kammerdienern die Tuer aufhalten laesst. Und weg isser wieder, der Teufel.

Zweiter Akt: Die Mac-rons in der neuen Welt. Damen als Kleiderstaender. Fuer die Herren Kostueme aus dem Fundus des 19.Jahrhunderts . Zu zweit einen Baum pflanzen. Omas gutes Porzellan auf dem Tisch. Sonst? Drei Tage Nichtsendes Nichts.

Kaum sind die Macrons wech, kommt ne Mutti aus Berlin zum Lunch. Cheeseburger schmeckt ihr nicht. Is gleich danach verschwunden. Und wieder das Nichts des Nichtsenden.

Kurzes Resumee: Wie war's bisher? Naja, ganz lustig, aber viel zu viel Filosofie. Diese Farce muss besser werden!

Dritte Akt, erste Szene zeigt das paarweise Ueberspringen einer Betonschwelle. Sowas wie fernoestliches Hickel-Kaestchen-Laufen und nicht auf den Strich treten. Hinterher sind sich alle wieder gut und singen koreanisches Liedgut, das dem westlichen Ohr verschlossen bleibt.

Vor der zweiten Szene, wird "Iran lies" schoen gross an die Kulisse gesprayed. Dann springt ein Ueberraschungs-Gast aus dem Heiligen Land ins Rampenlicht. Zuerst als one-man-show bis der knuffig CIA-Aussenminister den Israeli knutscht. Nicht enden wollender Beifall. Im Chor murren einige Miesmacher. Selbst son deutscher, aber aus dem off. Der Chor steigert sein "fake, fake, fake" zum Cressendo!

Der vierte Akt wird noch geprobt. Westminster fordert: zu Beginn und am Ende des Aktes singt der Cato-Chor: "ceterum censeo moscaugiem delenda est" . Sicher auch lustig. Hm.

Im vierten Akt haben zwei beliebtete Schmierenkomoediant aus dem fernen Westen und dem fernen Osten ihre Auftritte. Zum gegenseitigen abwatschen, kann man mit Recht hoffen.

Nicht zu doll, damit's Unterhaltung bleibt. Soll aber auch ernsthaft aussehen, fuer die Rezensenten

Bis zum grossen Final im fuenften Akt, ganz bestimmt mit Konfetti und Feuerwerk, koennte man sich jetzt gemuetlich zuruecklehnen, um ueber die Dummkoepfe und ihre Farce "Neuordnung der Welt" herzlich zu lachen.

Aber Vorsicht. Wir sitzen naemlich nicht im Parkett. Wir sind keine Zuschauer, sondern Komparsen. Die absurden Witze auf der Buehne gehen auf unsere Kosten.

Es koennte uns ergehen wie einst, anno '90, den uebergluecklichen Ossis mit Westmark in der Tasche. Die konnten sich einfach nicht vorstellen, 1 Jahre spaeter bereits arbeitslos zu sein, chancenlos und ohne Zukunft.

Also nicht nur lachen (Ok, geht manchmal nicht anders), sondern auch hinschauen, evtl. nachdenken. Nur der Weg zur neuen Weltordnung ist lustig. Spaeter gibt's nur noch miese Alternativen,

Ueber die neue Ordnung kann man viel theoretisieren, manches spekulieren, befuerchten, hoffen.

Nur mal sieben moegliche "Bilder" einer neuen Weltordnung.

1. Alles "ruckelt sich zurecht", wird wieder wie's mal war. Daran scheinen die in Europa interessiert.

2. Auffaellig ist, das die "Teufel" bei der Farce gar nicht richtig mitspielen. Der Feind wie der Konkurrent warten mit ihrem Auftritt bis das Lachen vorbei ist. Wollen sie eine neue, eine bi-polare Weltordnung? Eine sino-russische Allianz gegen den "Westen"? Oder ganz ohne den "Westen": die Allianz ordnet sich den Rest der Welt zurecht?

3. Eine multipolare Welt koennte entsteht. Iran, Tuerkey, Indonesien, Brasilien, Suedafrika, auch Deutschland draengen schon jetzt in der Weltpolitik . Unuebersichtlich.

4. Eine verfehlte oekonomische und/oder oekologische Politik fuehrt weltweit zu Hunger, Migration, Seuchen, Buergerkrieg etc. Eine "failed world", das Wunsch-Szenario der Katastrophen-Theoretiker.

5. Sehr kleiner nuklearer Waffen werden in regionalen Kriegen eingesetzt. Endlich, endlich, schreien die Politiker. Die Generale schweigen.

6. Die weltweite Zivilgesellschaft loest regional nach und nach die meisten Konflikte dieser Welt. Im Konsens und in den sozialen Netzwerken natuerlich. Eine Hoellenvision.

7. Es koennte auch sein, dass wir, die Komparsen der Farce, im menschenverachtenden Kapitalismus einschlafen und in einem autoritaerem Wohlfahrtsstaat aufwachen. Tja.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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