Missbrauch. Der Priester als Kinderschänder.

Eine neue Aktenanalyse. Mindestens 3700 Opfer und 1700 Täter. Von ihren Vorgesetzten gedeckt. Nazis? Nein, katholische Priester haben Kinder physisch und psychisch zerstört. Jahrzehntelang.

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Die katholischen Bischöfe werden eine Aktenanalyse zum Missbrauch von Kindern durch Priester in den vergangenen Jahrzehnten vorlegen. Diese Untersuchung, wurde von vielen Diözesen boykottiert. Akten wurden manipuliert oder Akteneinsicht verweigert, schreiben die beteiligten Wissenschaftler. Deshalb hat der emeritierte Kriminologe Pfeiffer, den die Kirche als Aushaengeschild der Studie engagiert hatte, die Mitarbeit hingeschmissen. Trotzdem, die Ergebnisse sind mehr als verstörend.

Erst am 25. September sollten die Ergebnisse der Studie von den Bischöfen "kommuniziert" werden. Der Bericht wurde aber bereits am 12. September "geleakt" und in den Medien, mit wenigen Ausnahmen, kaum beachtet.

Es konnte den katholischen Hierarchen nur Recht sein, dass die Republik mit Kasperletheater beschäftigt war. Wird das Kroko mit dem Schlapphut nur das arme Rotkäppchen vertilgen oder auch den Kasper mit der Lederhose oder gar die gute Großmutter? Das waren die großen Fragen in den deutschen Medien. Nun ja.

Doch jetzt wird Kardinal Marx zum jahrzehntelangen Missbrauch von Jungen durch katholische Priester etwas sagen müssen. Die Studie ist zwar verheerend für die Kirche. Gemach. Die betulichen Stichwörter des Oberhirten sind aber vorhersehbar. Auch das Gerede der Journalisten. Nach zwei Tagen ist das Thema "durch". Ja, das ist die PR-Strategie der katholischen Hierarchen. Nur keine australischen Verhältnisse!

Bei "uns" hier unten hat nämlich eine unabhängige "Royal Commission" mit richterlichen Befugnissen (ja, so was gibt's bei "uns") beinah fünf Jahre lang den Missbrauch von Kindern im Detail untersucht, und die Vertuschung durch die kirchliche Hierarchen aufgedeckt.
Am Wichtigste war, dass Hunderte der Opfer nach 50, 60 oder gar siebzig Jahren die Geschichten ihre Leidens vor der Kommission erzählen konnten. Feuer viele war's das erste mal, dass sie gehört und ernst genommen wurden. Manche gingen danach an die Öffentlichkeit. Die Täter wurden angeklagt, die Bischöfe als Mitwisser des Missbrauchs und Beihelfer der Täter öffentlich bloßgestellt.

Ergebnis. Diverse Priester verbringen ihren Lebensabend im Knast. Ein Erzbischof wurde bereits rechtskräftig wegen Beihilfe verurteilt. Der australische Kurien-Kardinal Pell steht in Melbourne vor Gericht, und Entschädigungen für die Opfer werden staatlich festgestellt und garantiert. Die Kirche hat zu zahlen.

Solch ein PR-Desaster wollen die katholischen Autoritäten in Deutschland um jeden Preis vermeiden. Aussagen der Opfer müssen verhindert werden. Entschädigungen sind Privatsache zwischen Kirche und Betroffenen. Nach dem Vorbild der Nazi-Aufarbeitung in großen Organisationen wurden nur Akten ausgewertet. Akten sind Papier. Papier ist geduldig.

Trotz aller Vorsicht war's aber nicht zu verhindern, dass die kirchliche Hierarchie im Kommissionsbericht als Mitwisser benannt wurde. PR-massig ist das leicht zu entschärfen. Etwa so: Die Bischöfe waren natürlich im Irrtum, wenn sie ihre Priester geschützt und versetzt haben. Aber Irren ist menschlich, dass muss man den Brüdern schon demütig verzeihen.

Schluss mit dem innerkirchlichen Gesudelte.
Wichtiger ist die Frage nach den Ursachen, um den Missbrauch in der Zukunft zu verhindern.

Von den Medien wird auch in Deutschland sicherlich das Zölibat als Ursache genannt werden. Dadurch entstehe bei Priestern ein "Triebstau", der sich im Missbrauch eines Kindes "entlädt". Eine beliebte Erklärung.
Alles Quatsch. Die katholische Hierarchie in Deutschland verhält sich wegen des Priestermangels außerordentlich "sex-pragmatisch". Priester in einer hetero-Beziehung müssen sich unauffällig verhalten, dann zahlt die Kirche bis zum dritten Kind. Priester sind schließlich Beamte. Die haben ein Recht auf Kindergeld.

Schwule katholische Männer mit Abitur, sammeln sich bei den Jesuiten. Nach dem Theologie-Studium wird ein weiterer Studienabschluss nach Wahl finanziert. Leben in Kommunizierten. Jobs an einer der beiden katholischen Privatjunis sind möglich. Und was ist mit dem Sex? Naja, sagen die Jesuiten, auch unsere Schwulen sind an den Zölibat gebunden. Fullstop.

Sex-Pragmatismus. Natürlich werden die Hierarchen den Zölibat verteidigen. Das ist die einfachere Debatte. Gefährlich wird's, wenn das Beichtgeheimnis als Ursache der Vertuschung des Missbrauchs thematisiert wird, als Immunisierung des Täters gegen die Strafverfolgung.

Genau diese Diskussion gibt's derzeit in Australien.
Ein Priester, der Kinder missbraucht kann sich nämlich durch die Beichte seiner "Sünde" vor staatlicher Verfolgung schützen. Der Beichtvater darf sein Wissen nach kanonischem Recht nicht benutzen. Der "sündige" Priester kann schlimmstenfalls in eine andere Gemeinde versetzt werden. usw. Das Beichtgeheimnis ist die Ursache der Vertuschung des Missbrauchs durch die katholische Hierarchie und gleichzeitig deren kanonische "Ausrede" für's Nichtstun.

In Australien wird derzeit diskutiert, dass der Missbrauch von Kindern durch das Beichtgeheimnis nicht mehr geschützt wird. Solche Forderung wollen die deutschen Bischöfe natürlich vermeiden. Um jeden Preis. Die wirtschaftliche und politische Macht des deutschen Klerus kann solche Debatten zweifellos unterbinden.

Auch in Australien ist die katholische Kirche politisch aeusserst einflussreich. Sie wird aber nicht durch einen Teil der Einkommenssteuer finanziert. Das deutsche Finanzierungsmodell ist weltweit einmalig.


Noch einige Gedanken zu den Tätern, überwiegend pädophile Priester.
Berufe, die Erwachsenen Macht über Kinder geben wie Lehrer, Sozialpädagogen und eben auch katholische Priester oder protestantische Pastoren sind für pädophile Männer verständlicherweise sehr attraktiv. Schulen und soziale Einrichtungen versuchen die Beschäftigung von Männern mit dieser sexuellen Orientierung zu vermeiden oder schnell zu beenden. Die katholische Kirche macht das nicht, sondern versucht bisher durch Versetzung in eine andere Gemeinde und manchmal durch psychologische Betreuung das Problem der "sündigen" Priester zu bewältigen.

Auch Pädophilie ist eine sexuelle Orientierung, die kaum zu beeinflussen ist. Das ist aus der Gender-Debatte bekannt. Da pädophile Männer eine Bedrohung für Kinder sind, ist eine gesellschaftspolitisch angemessene, rechtliche Lösung erforderlich, um diese Gefahr einzugrenzen. Die katholische Kirche ist dazu nicht in der Lage. Die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen reichen offensichtlich nicht aus, um Kinder vor pädophilen Männer, insbesondere Priester zu schützen.

Eine schnelle Lösung gibt es m.E. nicht. Der Beginn einer öffentlichen Debatte über Hämophilie wäre bereits ein Fortschritt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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