Ohnmacht und Hochmut - die USA vor dem Fall?

Ami goes home II. Die Welt lebt im permanenten Krisenmodus. Vorkriegsjahre. Der Umschlag der ökonomischen und militärischen Konflikte in einen Krieg scheint unvermeidlich. Ist das so?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Nicht selten wird Satire von der Realitaet locker ueberholt.
Vor gut einem Jahr hatte ich die abwartende Haltung der USA im Ukraine-Konflikt als Teil eines weltweiten Rueckzuges der USA-Armee ironisiert: nach den vielen kriegerischen Misserfolgen seit 1954, will das Pentagon seine boys endlich nach Hause holen. Klar, das war uebertrieben.

Jetzt, eine US-Wahl spaeter, sitzt im Weissen Haus ein vom Kongress blockierten Praesident, der seinerseits jede Kongress-Entscheidung mit seinem Veto annulieren kann. Rien ne va plus. Seit einem halben Jahr herrscht Stillstand im Zentrum der Weltmacht USA. Erst in zwei Jahren gibt's einen neuen Praesident, der wieder "regieren" kann. Normalerweise dauert dieses US-Interregnum nur die beide Monate zwischen der Wahl und der Vereidigung eines neuen Praesidenten. Diesmal sind's zwei Jahre.

Die innenpolitische Laehmung der USA hat zur aussenpolitischen Ohnmacht gefuehrt.

Es gab und gibt sehr viele ungeloeste Welt-Konflikte, an denen die USA beteiligt sind. Einig simmern seit Jahrzehnten ungeloest vor sich hin.

Zuletzt verlaengerten die Krise der Ukraine, der heisse arabische Fruehling und die kaputten Regenschirme in Hongkong die lange Kette der US-Misserfolge.
Obamas Versuch, sich rasch und ohne Gesichtsverlust, aus dem Iran-Dilemma zu befreien, koste es was es wolle, entwickelt sich gerade zum flop.

Auch die Politik der USA im Nahen Osten wird zunehmend inkonsistent.
Die neuen Kriege gegen Houthis und Shaabab-Milizen mussten an US-Lehrlinge delegiert werden, an Saudi-Arabien und Kenya. Und die Lehrlinge kopieren die Methode ihres Meisters: Luftangriffe, Luftangriffe. Das Rote Kreuz entdeckte bereits die humanitaere Katastrophen im Jemen und die Milizen lachen sich eins. Wie der Herr so's Gescherr.

Ein Grossmacht kann sich vieles leisten, offensichtliche Ohnmacht nicht.

Die Schwaeche der USA haben die Gegenspieler laengst erkannt. Nationale Interessenpolitik, die auf die USA keine Ruecksicht nimmt, ist wieder moeglich. Russland (in Suedosteuropa), China (im suedchinesischen Meer), Iran (im Mittleren Osten) nutzen den neuen Spielraum.

Die bisherige Klientel der USA, vor allem Israel, Japan, Suedkorea stehen im machtpolitischen Regen. Israel hat in letzter Sekunde versucht, sich beim US-Kongress anzubiedern. Keine gute Idee, meinte Obama.

Die bisherigen US-Verbuendeten in Europa sind verunsichert. Statt klarer Anweisungen wie in den vergangenen Jahrzehnten gibt's nur eine muede Strategiedebatte.

Anstatt US-Truppen gegen den "Russen" an der Nato-Ostgrenze zu stationieren, veranstalten die USA ein Friedensfahrt mit Radpanzern durch Osteuropa, die in Tschechien auch noch ausgepfiffen wird.

Rien ne va plus.

STRATFOR, die Lautsprecher-Firma der US-Geheimdienste, versucht seit einiger Zeit die Schwaeche der USA als imperiale Klugheit zu verkaufen. Andere Imperien von Rom bis zum britischen Empire haetten sich aehnlich verhalten: Nichts selbst regeln, die Beherrschten sollen sich gegenseitig "ausbalancieren".

Gut gebruellt, Stratfor-Loewe Friedmann. Doch wenn's Probleme gab, konnte das Imperium Romanum einige Legionen zum Aufraeumen schicken. Auch die Briten hatten immer ein paar Regimenter in der Hinterhand, wenn irgendwelche Wilden den Aufstand gegen das Empire versuchten.

Friedmanns arrogant-imperialen Weltplaene, haben bereits einen engagierten Community-blog inspirierte. Bitte keine Aufregung. Letzendlich geht's Statfor doch nur um die propagandistische Verschleierung der US-Ohnmacht.

By the way, auch die unablaessige Aufdeckung perfider Verschwoerungen der USA gegen den Rest der fortschrittlichen Welt ist jetzt nutzlos geworden.

Der Lieblingsfreund der einen und der Lieblingsfeind der anderen sind gleichzeitig abhanden gekommen. Gut so.


Das weitere Schicksal der USA scheint vorgezeichnet.

Nach aller historischen Erfahrung ist am Ende eines Interregnums die Welt veraendert. Das wird auch jetzt nicht anders sein.

Anfang 2017, wenn ein neuer US-Praesident inthronisiert ist, wird die internationale Politik den top-dog USA vermutlich nicht mehr vermissen. Es geht auch ohne. Die imperiale Rolle wird nicht mehr gebraucht.

Und was ist dann mit dem Kapitalismus? Mit Coca Cola, Google und Wallstreet, mit dem Welthandel und dem IWF? Das alles funktioniert natuerlich weiter, auch ohne die Dominanz der USA. Vielleicht anders als bisher. Man wird sehen.

Die militaer-politische Supermacht USA ist jedoch schon jetzt am Ende, ziemlich genau 100 Jahre, nachdem US-Truppen zum ersten Mal an einem Weltkrieg teilnahmen.

Aehnliches hatte ich im vergangenen Jahr bereits geschrieben.
Mal sehen, ob die USA sich weiterhin an meine Prognosen halten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden