Nach dem 52:48 Ergebnis des britischen EU-Referendums setzen die bisherigen Katastrophen-Propheten des Non-Brexit-Lagers ihre duesteren Vorhersagen fort.
Schlimm, schlimm.Die Wirtschaft. Die Weltwirtschaft. Der Finanzplatz London. Industrie, Arbeitsplaetze, alles hin.
Von der Brexit Gewinnerseite hoert man wenig heute morgen. Naja, die Rechten der UKIP und ihre Verbuendeten auf der Halbinsel triumphieren. Boris Johnson dagegen haelt sich erstaunlich zurueck. He's taking a nap, heisst es. Verstaendlich diese Ruhe, denn die rechtliche Lage ist jetzt aeusserst vorteilhaft fuer die Briten.
Fuer ihren Austritt muessten sie von sich aus ein Verfahren nach Artikel 50 des EU Grundlagenvertrages bei der Kommission beantragen. Und das werden die Brits natuerlich nicht machen, ehe nicht das Verhaeltnis GB-EU "hinterher" im britischen Sinn geregelt ist. 2020 wird als Zeitpunkt des Austritts derzeit gehandelt. Und was passiert bis dahin?
In einem tweet von heute morgen (der inzwischen verschwunden ist) hat Boris Johnson sinngemaess geschrieben. OK, wir werden die EU verlassen. Aber wir muessen ja nicht das Kind mit dem Bade ausschuetten. Den Austritt nach Artikel 50 des EU Vertrages muessen wir nicht sofort beantragen. Es reicht ersteinmal, wenn wir das Reinregieren der EU-Richter beenden und die Fluechtlings-Beschluesse ausser Kraft setzen.
Diese Strategie waere der worst case fuer die EU. GB haette weiterhin alle Vorteile der EU und haelt sich "einfach" nicht an unliebsame "Vorschriften". Einer der EU-Chefs nannte das letzte Woche den "wilden" Austritt.
Niemand wird es auf eine solche Bankrott-Erklaerung der EU, die Trittbrettfahrer ermutigen wuerde, ankommen lassen. GB hat so eine prima Position, die Bedingungen nach dem "Austritt" zu verhandeln. Boris muss nicht geweckt werden.
Nachsatz:
Was jetzt mit der EU passiert, mit Fluechtlingen, mit der Freizuegigkeit usw. ist kaum vorherzusagen.
Big Business hat die vorbereiteten Brexit-Plaene bereits heute morgen auf den Schreibtischen.
Und was machen die kleinen Leute in Europa? Wie an jedem morgen gucken sie Fruhstuecksfernsehen.
Kommentare 22
>>Und was machen die kleinen Leute in Europa? Wie an jedem morgen gucken sie Fruhstuecksfernsehen.<<
Ab morgen ist wieder Fussball angesagt.
Sorry, die EM hatte ich vergessen. Unverzeihlich.
:-))
Frühstücksfernsehen ohne Fußball hat es noch nie gegeben......., das wäre des Teufels.
Ich verstehe Deine ethisch gut begruendete Empoerung.
Ja, die Welt in der wir heute Leben ist fuer Menschen, die nicht in der 1. Welt geboren und aufgewachsen sind, wenig einladend. Mit oder ohne Brexit, dass ist die Situation.
Ich sehe derzeit keine aussichtsreiche Strategie, um diese Ungerechtigkeit zu beenden oder auch nur zu aendern.
Wenn's um die "kleinen Leute" geht, muss wohl jedeR im Laufe seines Lebens eigene Erfahrungen machen. Am besten sehr persoenliche.
Gibt's in der Hoelle keine Champions-Liga? Waeren doch alle versammelt, die man dazu braucht. Vielleicht ein bisschen zu warm.
Gott und der Teufel vereinbaren ein Fußballspiel gegeneinander.
Haste schon verloren, sacht Gott - die guten Fußballer sind alle bei mir im Himmel.
Mach die mal keine Hoffnungen, sacht der Teufel - die SchiedsRichter sind alle bei mir.
...und die Fankurve sowieso.
Apropos Fußball:
Wieso haben die denn die Abstimmung auf den gestrigen Donnerstag gelegt und "den Tag danach" auf heute, zwei eindeutig spielfreie EM-Tage - da muss doch jemand gepennt haben.
Johnson beratschlagt sich jetzt mit Cameron, wie sie die Tories zusammenhalten und einen dauerhafteren Split der Partei verhindern. Dazu haben sie schließlich dieses play both sides veranstaltet, um nachher in jedem Fall gewonnen zu haben und den Brexit ggf. nicht Farage zu überlassen.
Sich jetzt einfach die Regelungen aussuchen, die für die GB gelten sollen, klingt ja lustig - aber warum sollte die Rest-EU dieses Spiel a la Johnson mitmachen, welchen Hebel hat er? Ohne gemeinsame Regulierung kein Binnenmarkt, bzw. nur für eine klar begrenzte Übergangszeit. Und die EU wird jetzt hoffentlich die Finanzmarktregulierung forcieren.
London tritt damit weltpolitisch von der zweiten in die dritte Reihe zurück, zumal es auf Jahre hinaus mit dem Brexit und der Abspaltung Schottlands (und Nordirlands - Republic of Scotland & Ulster?) beschäftigt sein wird. Was jetzt sein geostrategisches Ziel ist dürfte klar sein, aber hat es da Chancen
Positiv ist hingegen, dass das Pfund jetzt ~20% abwertet und damit die englische Industrie zumindest wieder eine gewisse Chance bekommt.
In der Hoffnung, dass England in der Vorrunde gut spielt und sich eine gewisse EM-Begeisterung einstellt. Beim Achtelfinale hingegen weiß mensch ja nie, was draus wird...
"In der Hoffnung, dass England in der Vorrunde gut spielt und sich eine gewisse EM-Begeisterung einstellt."
Tja, und jetzt hat sich ergeben, dass nicht nur England, angeblich Mutterland des Fußballs, der Industrie und der Demokratie, im Achtelfinale steht, sondern auch Wales (mehrheitlich für Brexit) und Nordirland (mehrheitlich Remainer), und ganz nebenbei hat sich auch noch (Süd)Irland für die K.O.-Runde qualifiziert…
Ansonsten stimme ich Aussie42 zu: Die Tories ziehen jetzt die Bremse an. Cameron hat in seiner Rede heute morgen explizit angesprochen, dass er bis zum Parteitag im Oktober weitermacht, aber formal den Art. 50 EU nicht ziehen wird, sondern… Boris? Der legt sich jetzt demonstrativ erst mal zu einem Nickerchen hin. Brexit? Was war das noch mal?
Und unter rechtlichen Gesichtspunkten muss auch nichts forciert werden, denn das Parlament ist an das Votum dieses Referendums nicht gebunden.
Allerdings stellt sich tatsächlich die Frage, ob das Spiel der Jungs nicht gewisse jetzt freigesetzte Kräfte unterschätzt hat: Was macht Schottland, was Nordirland, was die EU?
Und Spanien schnappt sich Gibraltar ;) .
Die EU versucht jetzt "hart am Mann" mit den Briten zu spielen. Das koennen die aber besser. Und lange koennen sich EU-Schranzen das nicht leisten, wenns an der Boerse kracht und die Wirtschaft "Ruhe" ruft.
Wenn Juncker zu einem informellen Treffen mit den 27 (verbleibenden) Regierungschefs naechste Woche einlaedt, dann riecht das wie ein heimliches Treffen auf dem Klo, damit der Klassesprecher nicht dabei ist. Kindisch.
Und wenn jetzt "flexible Regeln" in der EU eingefuehrt werden sollen ist das auch nicht "gut genug". Die EU-Fuehrungsleute kann sich aergern wie sie wollen in der. Solange Artikel 50 nicht aktiviert ist, gilt der Status quo. Pacta sunt sevanda pflege FJS zu sagen.
Die GB Regierung kann jetzt erstmal gelassen abwarten, was die auf der Halbinsel alles so treiben. Napoleons Kontinentalsperre hat das Koenigreich auch gut ueberstanden. Wenn die EU so weitermacht wie heute, bleibt nur noch die Frage: Wo ist diesmal Waterloo und wann?
Sooo schnell wird die Desintegration von GB nicht passieren.
Das braucht erst wieder Referenden, Aktivierung dafuer usw.
Das Koenigreich ist ja keine EU.
Mit den freigesetzten Kraeften muessen jetzt erstmal die EU-Steuerleute fertig werden. Auf den Maerkten geht's schon Montag weiter. Und in den anderen Mitgliedslaendern wird auch weiter von Rechts agitiert.
Diesem Druck muss die EU bald nachgeben und den Briten ein paar Angebote fuer danach machen.
Dumm gelaufen.
By the way, das ist jetzt auch eine Chance fuer die Linke in Europa mit einem Plan aufzutauchen, der aus der EU der Bosse eine EU der Menschen macht. Hat jetzt gerade Varoufakis vorgeschlagen.
Ja, Chance für die Linke, im Prinzip ja…
Danke für den Link zum Beitrag von Varoufakis, der nebenbei auch unschöne Szenarien skizziert.
Im Freitag erschien jetzt ein Interview mit dem ehemaligen Parteivorsitzenden der Linkspartei:
Gysi: "Es gibt sicher viele Unterschiede zwischen Linken und Rechten. Einer davon ist, dass die Rechten alles umsetzen, was sie ankündigen."
Gysi gelingt es ja immer wieder, eine trockene Pointe zu setzen - hier weiß man allerdings nicht, ob man lachen oder weinen soll.
Hoffen wir das Beste.
Aber wirklich berauschend war England bislang nicht.
Was bleibt ihnen Anderes übrig, als jetzt Normalität zu spielen? Zum Glück haben alle Seiten ein Interesse daran, das Chaos in Grenzen zu halten - aber das ändert nichts an den Verwerfungen. Ein neues Referendum in Schottland ist nur eine Frage der Zeit, ob Nordirland sich anschließt wird sich zeigen, in Gibraltar könnte es auch eines geben. Was die EU macht ist die große Preisfrage - im Prinzip muss sie jetzt ernsthafte Reformen angehen, die von den BürgerInnen auch für sinnvoll erachtet werden, also Demokratisierung, Schluss mit Steuervermeidung, soziale Mindeststandards, Investitionen. Aber hat sie die Kraft dazu?
Oder Packt das auseinander, wie Manche dabei verstanden haben sollen. Der Unterschied zu 1800 ist, dass England damals eigene Industrie hatte... Insofern scheinen mir Brüssel und Berlin derzeit doch die deutlich besseren Karten zu haben. Wenn Artikel 50 nicht offiziell eingesetzt wird, ist London in einer Art Zwischenreich, können nicht mehr wirklich mitreden, während alle Regeln weiterhin gelten. Kein sehr befriedigender Zustand.
Die Börse stabilisieren kann die EZB mindestens so gut wie die BoE - dennoch richtig, allzu starke Verwerfungen wird die Wirtschaft nicht zulassen. Also kein hardball, sondern subtilerer Druck, sich entweder zu beeilen mit dem Austritt - oder es sich (im Idealfall) doch nochmal zu überlegen.
Für ein Waterloo braucht es erst einen Ostfeldzug...wonach es auf absehbare Zeit nicht aussieht, egal wieviel Mühe sich London geben mag. Aber divide et impera klappt ja leider recht oft.
Die Kraft scheint ja da zu sein, aber nur dazu, in fast schon klischeehafter Bestätigungdes Vorwurfs den sozialen Fragen aus dem Weg zu gehen. Immer und immer wieder
und immer weiter.
Naja, wie bereits gesagt, jedeR hat seine eigenen Erfahrungen und zieht daraus seinen eigenenSchluesse. Das it ja auch gut so.
Der Witz an der Sache ist, dass die Bruesseler Akteure die Briten jetzt dringend auffordern, den Antrag zum Austritt (Artikel 50) umgehend einzureichen. Dann koennte diese Truppe ruck-ruck den Tommies mal zeigen was ne Euro-harke ist.
Doch die Briten denke bisher gar nicht daran, diesen Antrag zu stellen. Fruehestens im Oktober sagt Cemaron. Bis auf weiteres sind die Brits also ein ganz normales Mitglied der EU. Und wenn sie einige Beschluesse aus Bruessel nicht durchfuehren, was soll die EU dann machen? Den Ausschluss GB betreiben?
Solange die Briten die Nerven behalten, koennen sie die EU vorfuehren.
Dass sie selbst Schuld sind können sie schwerlich offen zugeben. Aber dass es erntshafte Veränderungen geben muss, kann niemensch leugnen und dürfte hinter den Kulissen Allen klar sein. Abwarten bzw. Druck machen.
Die Türkei sucht neue Bündnispartner; das Handelsblatt schreibt: Allianzen statt Isolation: Der türkische Präsident beendet die Eiszeit mit der Türkei.
Aber im Ernst, die aktuelle Annäherung an Russland und Israel war überfällig und eröffnet Ankara neue Spielräume - und Moskau auch. Vielleicht stimmte meine Vermutung ja doch, dass es da ein Tauschgeschäft geben soll?
Brexit, sehr interessant ist die kurzfristige Absage von Yellen und Carney für das EZB-Treffen in Sintra. Da scheint es deutliche Differenzen zu geben bzgl. der weiteren Geldpolitik und/ oder Regulierung, die auch den Brexit erklären könnten...