Islamic State gegen die USA - das Menetekel

Kultur Zusammenprall Noch ist's wie immer. Nur ein weiterer Krieg gegen die Muslime. Na und? Doch Obama ist blind wie einst Belsazar. Er kann die Bilder der kopflosen Reporter nicht deuten.

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Dabei fing alles so schoen an, vor gut einem Jahr!

Zuerst in Tunesien. Die junge Generation verabredete sich per social media zum Aufstand gegen den Diktator. Der war voellig ueberrascht und schwups, weg vom Fenster.

Jubel. Toll was diese jungen Leute so koennen!

Dann Lybien, Aegypten und Jemen. Beim Aufstand in Syrien ist der Fruehling laengst vorbei und das Unglueck nimmt seinen Lauf.

Assad wird von Milizionaeren beschossen, bis die sich gegenseitig zu beschiessen. Beinah unbemerkt fahren einige mit ihren Pick-ups in den Irak, woher sie gekommen waren und gruenden dort das Kalifat, den Islamischen Staat. Genau in der Gegend wo die Sunnis leben und die USA seit dem letzten Oel-Krieg noch immer verhasst sind.

Um diesen Feind anzulocken wird zwei Ami-Reportern vor laufender Kamera die Gurgel durchgeschnitten. Hochladen auf YouTube und schon koennen alle US-couch-potatos die schrecklichen Bilder zur Primetime sehen.

Mit diesem Video verdienen sich die ISler den Titel: Terrormiliz.

Dabei ist ihre Botschaft doch ganz einfach: nicht die US-Reporter, sondern wir, die Muslime des IS, stellen jetzt die Bilder des Krieges in Internet. Wir bestimmen was gezeigt wird.

Dieses Zeichen, das Menetekel, wird natuerlich nicht verstanden.

Mr. Praesident reagiert stattdessen wie Captain Kirk. "Terroralarm! Mr. Spock. Stufe rot!" "Ist gesetzt, Captain". "Beam die Buergerrechte in den Keller, Scotty." "Ok, Sir."

Dann Bomben, Bomben, Drohnen, Raketen und Mitstreiter einsammeln.

Doch die amerikanische Koalition gegen IS ist von Anfang an bruechig. Wenn Obama hinter sich schaut, folgen ihm nur Franzosen und Australier.

Iran und der Assad sind sauer, weil sie nicht mitmachen duerfen und in Bagdad sind sie sauer, weil die Kurden mitmachen duerfen. Saudis, Emiraties und Aegypter streiten mit den Tuerken und Quatar.

So sind diese Muslime eben, lachen die US-couch-potatos.

Krieg zwischen den US und den zerstrittenen Muslimen war 30 Jahre lang ein "rolling gag" der US-Medien. Weiter so? Was sonst!
Nein, Schluss mit lustig.

Die Miliz, die im Irak und Syrien den Islamischen Staat aufbaut, hat eine andere Geschichte als die Gelegenheits-Kaempfer in Lybien. Bereits viel frueher, im Kriegs-Irak, war die heutige IS eine gefuerchtete Truppe. Zweimal wurde ihre Fuehrung von den Amerikanern liquidiert. Es gibt sie immer noch.

Inzwischen dirigieren ehemalige Offiziere Saddam Husseins die Kaempfer. Die Ruecksichtslosigkeit, fuer die sie beruechtigt waren, wurde beibehalten.

Doch im krassen Gegensatz zu anderen Milizen wollen sie nicht nur kaempfen, sondern ein unuebersehbares Zeichen setzen mit ihrem Islamische Staats.

Damit bieten sie einerseits ein gutes Ziel fuer die westlichen Jets. Andererseits wird der Islamischen Staat eine Alternative zu den korrupten Regimen im Nahen Osten sein, ein weltweiten Vorbild fuer Muslime.

Eine Gesellschaft, die sich konsequent an die Vorschriften des Koran haelt: Korruption wird nicht erlaubt, die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln muss funktionieren, es gibt Sozialeistungen fuer die Beduerftigen und die Rechtssicherheit der Scharia.
Unglaeubige muessen konvertieren, eine Kopfsteuer zahlen oder umgebracht werden. So will's der Koran.

Die westlichen Gesellschaften haben dem nichts entgegenzusetzen. Konsum, Ungleichheit, Unmoral, Masslosigkeit und Korruption kennzeichnen westliche Gesellschaften aus muslimischer Sicht.

Keine Frage, wer beim Zusammenprall dieser beiden Kulturen siegen wird.

Noch sind die USA stark und feiern ihre Bomber, Drohnen und Raketen. Noch kann IS nur heimlich von der Umma, der Weltgemeinschaft aller Muslime, unterstuetzt werden. Beim Verkauf des irakischen Oels wird bereits diskret geholfen. So kann IS ihr Projekt finanzieren.

Dabei wirds nicht bleiben. Am 1. Oktober beginnt in diesem Jahr die Hajj. Die Glaeubigen kommen in grosser Zahl, zur rechten Zeit in die richtige Gegend. Niemand kann sie daran hindern.

Auch ein Zeichen, das die Unglaeubigen nicht verstehen.

P.S.

Steht der Untergang des Abendlandes bevor? Kommt eine neue Oelkrise? Ein weiterer Weltkrieg? Oder wieder nur ein Sturm im Wasserglas, der lediglich einen weiteren kaputten Staat produziert.

Eine Prognose kann zumindest fuenf Aspekte einbeziehen.

1. Der Westen hat keine Kriegsziele und dazu die falschen Feinde und falschen Freunde in Westasien.

Diese Ambivalenz ist gefaehrliche in einer Region, wo seit Jahrtausenden Freundschaften und Feindschaften wichtiger sind als Freiheit und Geld.

2. Im Krieg gegen den IS stehen die beiden wichtigsten Interessen der USA auf dem Spiel: der Zugang zum Oel und die Existenz Israels.
Die USA intervenieren wiederum zu Gunsten der Shiiten in Iran, Irak, Syrien und Libanon. Solange Saudi-Arabien und Aegypten diese Verletzung ihrer Interessen hinnehmen sind die USA sicher.

3. Die westlichen Staaten versuchen sich die Gefahr durch den IS‌ auf Grund der bisherigen Kriegs Erfahrungen im Nahen Osten "klein zu schreiben".

Der Islamische Staat kann zwar einen Teil oder die gesamte Region die er gegenwaertig besetzt, wieder verlieren. Dann verschwindet er in den Untergrund und taucht wieder auf, so wie die Taliban in Afghanistan.

4. Die Idee eines Islamischen Staates, der diesen Namen verdient, ist in der kulturellen Diskussion vieler Muslime heute attraktiver als die gesellschaftlichen Muster des Westes.

5. Die Lage der USA ist prekaer, weil Russland und China keine Partei ergreifen, sondern dem Kriegsblinden US-Konkurrenten lediglich interessiert zusehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

Aussie42

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