Zukunft: KI, Umwelt und die Katastrophe.

"Plan B" : die Rettung! KI und Klimaentwicklung sind derzeit beliebte Angst-Themen. Beides scheint unbeherrschbar. Kann KI Wege finden, um die vollständige Zerstörung der Umwelt zu verhindern?

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Ihre Freitag-Redaktion

Die katastrophale Zerstoerung der Umwelt hat laengst begonnen. Man kann das bestreiten.
Doch der neueste, der sechste Umweltbericht der UN, Global Enviroment Outlook 6 zeigt ueberdeutlich was zu tun waere, aber seit Jahren versaeumt wurde.

Eine Graphik gleich zu Anfang des Berichts (Seite 6) verbindet die Merkmale einer "ungesunden" und einer "gesunden" Welt mit menschengemachten und natuerlichen Einfluessen auf die Umwelt. Veraenderungen in die "gesunde" oder die "ungesunde" Richtung sind von politische Entscheidungen (choices) abhaengig, schreiben die Autoren etwas vage.

In der Erlaeuterung zu dieser Graphik heisst es (etwas gekuerzt):
"Ein gesunder Planet erfordert den Schutz and das nachhaltige Management des natuerlichen Kapitals... die Menscheit sollte langfristig oekonomisches und soziales Wohlergehen (prosperity) fuer Menschen und den natuerlichen Reichtum der Welt garantieren, die Beschaedigung der Umwelt, die Verschwendung von Ressourcen und klimaschaedliche Emissionen vermeiden und die materielle Ungleichheit beseitigen."

Gut gebruellt, UN-Loewe.

Bei realistischer Einschaetzung der Weltpolitik, der Schwerfaelligkeit und Eitelkeit der Staaten, ist ein "ungesunder Planet" unsere Zukunft, eine ungebremste Degeneration der Umwelt, d.h. die Katastrophe.

Fruehere Kastrophen dieser Art fuehrten meist sie zur Vernichtung vieler Arten (Massenausterben).

Auch gegenwaertig "verschwinden" taeglich etwa 300 Arten. In der Vergangenheit sind die Grosstiere (mehr als 44 Kilogramm) meist schnell ausgerottet worden. Nichts spricht dafuer, dass es diesmal anders sein wird.

Gut, der clevere homo sapiens wird vermutlich einige Jaehrchen laenger ueberleben als die kleinhirnigen Dinos. Mehr aber auch nicht.

Die Untaetigkeit.

Die Katastrophe war bereits vor zwei, drei Jahrzehnten abzusehen. Warum wurde nicht frueher reagiert? Warum "business as usual" an Stelle weltweiter Massnahmen zum Schutz der Umwelt? Knapp 1% der Menschheit verfuegen ueber den Reichtum und die Macht auf dem Planeten. Die Reichen&Maechtigen muessen doch wissen, dass auch ihre Luxus-Reservate keinen dauerhaften Schutz bieten.

Man kann den neoliberalen Kapitalismus fuer die Untaetigkeit verantwortlich machen, die "Kurzatmigkeit" der internationalen Politik, nationale Egoismen, Korruption etc.

Auch die Angst vor Veraenderungen und das "Vertrauen" vieler Menschen auf technische Loesungen haben das Umsteuern in eine "gesunde Welt" beinah unmoeglich gemacht.

Augen zu und weiterdoesen gefaellt den Maechtigen&Reichen und auch der Bevoelkerungsmehrheit.

Vielleicht "brauchen" wir die Katastrophe, um aufzuwachen! Erst kurz vor dem crash, wenn es (beinah) zu spaet, wenn Auswirkungen bereits weltweit spuerbar sind, erst in einer "verzweifelten" Situation - so koennte man argumentieren - werden die Menschen harsche, einschneidende Massnahmen akzeptieren. Um zu retten, was noch zu retten ist.

Ist das der "Plan B" der internationalen Umwelt-Politik?

Kann sein. Etwas weniger dramatisch formuliert heisst es naemlich auf Seite 71 des UN-Berichts:

"Umweltveraenderungen sind schwierig zu messen und die Effekte von Umweltveraenderungen sind noch schwieriger zu messen, vorallem wenn man auch die Ursachen indentifizieren will. (...)
Die Verschiebung des Berichts von den physikalischen Dimensionen zum Einbeziehen sozialer Orientierungen, oekonomische Wertvorstellungen und Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlergehen ist notwendig, doch eine Herausforderung selbst fuer gut entwickelte Statistische Systeme."

Im Klartext: Ein wissenschaftlich begruendetes Umsteuern ist unmoeglich. Es fehlt ein "Welt-Modell", das alle physikalischen, oekonomischen und sozialen Einzeldaten unseres Planeten im Zeitverlauf abbildet, das rechtzeitig Ursachen identifiziert und Auswege aufzeigen koennte. Mit den verfuegbaren statistischen Systemen ist das nicht zu machen.

Geht's vielleicht mit Kuenstlicher Intelligenz?

Kurze Abschweifung: Wie weit ist KI-Technologie?

Um es vorweg zu sagen, mit der gegenwaertig vorhandenen KI ist ein ausdifferenziertes "Um-Welt-Modell", wie es den AutorInnen des UN-Umweltberichts vorschwebt, nicht realisierbar.

Gegenwaertige ist nur die "Enge KI" verfuegbar, eine (digitale) Simulation (analoger) neuronaler Netze fuer spezifische Aufgaben: Brett-Spiele, Computerspiele, Steuerung von Autos oder Robots, Schreiben von Texten, fuer militaerische Einsaetze etc. Die grossen digitalen (CPU-)Rechenzentren werden gebraucht, um die simulierten neuronalen Netze fuer ihre jeweilige Aufgabe zu trainieren.

Die Enge KI leistet bereits Erstaunliches.

Das GPT-2-Modell hat 8 Millionen Webseiten "gelesen" und kann beispielsweise neue Buecher toter Autoren "schreiben" oder einen journalistischen Text im Stil einer bestimmten Autorin. Der Code dieses Programm, das u.a.von Elon Musk gefoerdert wurde, wird nicht veroeffentlicht, um eine missbraeuchliche Nutzung zu verhindern. (Das macht GPT-2 noch begehrenswerter!)

IBM's Programm "Debater" kann aktiv an wissenschaftlichen Diskussionen teilnehmen. (Hm. Ein huebsches Beispiel fuer die gern gelobte "Qualitaet" solcher Debatten...)

Dennoch, die Leistungen der Engen KI sind noch immer begrenzt.

Die Rechner verlieren auch manchmal ein Schach- oder Poker-Spiel. Die Texte des GPT-2 sind gelegentlich wirr, und der Debater redet schon mal Unsinn. Der Krieg gegen Iran konnte nicht stattfinden, weil die US-Militaer-KI die Luftabwehr der Iraner nicht sicher "abschalten" konnte.

Die Leistungen dieser spezifischen KI-Programme erscheint vielen Menschen bedrohlich, darum wird ueber deren (fehlende) Moral und Ethik eifrig diskutiert. Auch der digitale Freitag hat dazu eine informative Ausgabe (18/2019) gemacht.

Generelle KI, die nahe Zukunft.

Gegenwaertig arbeiten die grossen Tech-Firmen und viele start-ups an "Architekturen" von Rechnern fuer die "Generellen KI". Im Unterschied zur Engen KI, die Realitaet arithmetischen mit Algorithmen abbildet, verwendet die Generelle KI eine geometrische Abbildungen mit "Mustern" .

Dabei entstehen "holistische" Modelle der Realitaet, mit einer deutlich hoeheren Komplexitaet als in der Engen KI.

Fuer die technische Umsetzung dieses Konzepts wird derzeit mit viel Geld in zwei Richtungen geforscht.

Big Business investiert in die vorhandene IT Infrastruktur und versucht, die vorhandenen Grossrechner fuer die Generelle KI "aufzuruesten". Einige Beispiele.

Die graphischen Faehigkeiten (GPU) der Rechner werden ausgebaut; neue Prognose Modelle (GNAs) erprobt; die wechselseitige Umwandlung digitaler in analoge Daten wird perfektioniert; Accelerator und Inferenz Prozessoren verstaerken die KI Faehigkeiten. Alle diese Maerkte sind umkaempft.

Doch die Verbesserung vorhandener Grossrechner ist auf Dauer keine Loesung.

"commercial realization of artificial intelligence has companies scrambling to develop the next big hardware technology breakthrough for this multi-billion dollar market" schreibt Michael Feldman am 21. Mai 2019 im Journal der US-Rechenzentren, The Next Platform.

Die zweite Forschungsrichtung fuer die Generelle KI sind daher voellig neue Computer. Sie arbeiten, aehnlich dem menschlichen Gehirn, mit technischen Neuronen und Synapsen, mit geringem Energie-Aufwand und geringer Waermeentwicklung. Diese neuromorphen Maschinen "rechnen" nicht mit wie bisher mit digitalen "Registern", sondern mit geringen Energie Schwankungen (spikes) im Elektronenfluss. Noch schneller sind optische Prozessoren, die mit Schwankungen im Fluss von Photonen rechnen, die zuvor mit Lasern aus dem Silicon "herausgeschlagen" wurden.

Obwohl bisher die Enge KI dominiert, gab es im vergangenen Jahr einen Bericht, dass im US-Militaer Rechenzentrum Oak Ridge Lab, ein neuromorpher Co-Prozessor eingesetzt wurde. Sonst wird ueber diese Entwicklungen neuerdings auffallend wenig berichtet.

Vermutlich verfuegen die Sicherheitsapparate der dominierenden IT-Maechte (vor allem USA, Japan, Israel, Russland und China) bereits ueber Prototypen neuromorpher Rechner und und koennen so den "Einsatz" der Generellen KI erproben.

Eine breitere Anwendung ist in absehbarer Zeit zu erwarten.

Vor dieser KI und ihren Anwendungen haben viele Wissenschaftler vergeblich gewarnt, Stephen Hawkins beispielsweise, Ray Kurzweil und selbst Elon Musk. (Es gibt aber auch andere Stimmen, die die Moeglichkeiten der generellen KI heraus stellen.)

Zurueck zum "Plan B" fuer die Umwelt.

Mit Genereller KI sind sehr grosse Modelle machbar, also auch ein Um-Welt-Modell, das moegliche "Rettungswege" in eine "gesunde Welt" (auch fuer uns Grosstiere) aufzeigen koennte.

Der Weg zur "gesunden" Umwelt des UN-Berichts, mit Gleichheit, oekonomischem und sozialem Glueck, ohne Umweltzerstoerung, Ressourcenverwendung und ohne Klimagase scheint demnaechst moeglich.

Solche "Rettungswege" haben allerdings einen hohen Preis. Nach der jahrzentelangen Untaetigkeit gibt es ein boeses Erwachen.

"Plan B" wird fordern wird, auch inhumane Massnahmen zu akzeptieren, um die totale Katastrophe zu vermeiden.

Das Welt-Modell der Generellen KI koennte man mit dem griechischen Orakel vergleichen. Auch damals konnte man die Vorschlaege und Vorhersagen boykottieren, dennoch erfuellten sie sich.

Laius und Iocaste beispielsweise, versuchten Baby Oedipus umzubringen. Trotzdem hat er spaeter, wie's die Pythia gesagt hatte, seinen Vater umgebracht und seine Mutter geheiratet. (Dem Freud zur Freude.)

Zurueck in die nahe Zukunft.

Ein Beispiel. Demnaechst koennte das Weltmodell der Generellen KI , als Teil einiger "Rettungswege" die Reduzierung der Weltbevoelkerung um x % vorsehen. Die moeglichen Ereignisse (u.a. Freigabe der Euthanasie, Ausloesen von Epidemien, Anreize zur Kinderlosigkeit, regionale AtomKriege, Hunger etc.) wird die Generelle KI analysieren, einschliesslich der Effizienz verschiedener Eingriffe, der erwartbaren Effekte und "Nebenwirkungen" etc. Alles natuerlich nach dem neuestem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis. Natuerlich.

(Nur zwei Zahlen zu diesem Vorschlag: x = 10% der Weltbevoelkerung sind ca. 700 Millionen Menschen, d.h. die gesamte 1. Welt!)

Aus heutiger Sicht wuerde niemand inhumane "Rettungswege" akzeptieren. Ausgeschlossen.

Doch wenn "Plan B" akut wird, die Katastrophe unmittelbar bevorsteht, wenn das Ueberleben des homo sapiens bedroht scheint, werden die inhumanen "Vorschlaege" der Generellen KI als das "geringere Uebel" erscheinen und letztendlich akzeptiert. Schliesslich will niemand, dass der homo sapiens auf der roten Liste bedrohter Arten auftaucht.

Ausblick

Trotz der zunehmenden Umwelt-Proteste wird sich "Untaetigkeit" der Staaten in den kommenden Jahren kaum veraendern.

In zwei, drei Jahren haben die fuehrenden IT-Staaten ihre Prototypen der Generelle KI perfektioniert verfuegen ueber (konkurrenzfaehige) Weltmodelle.

Dann koennen inhumane "Eingriffe" in der Realitaet "ausprobiert" werden. Die militaerische Bekaempfung des Migration beispielsweise, das Ausloesen von Epidemien, die Verknappung des Nahrungsangebot, psychologische Kriegsfuehrung und Gewoehnung der Bevoelkerung an "unorthodoxe" Massnahmen. Diese "Eingriffe" koennen unauffaellig in unterschiedlichen Regionen der Welt eingesetzt werden.

Auf diese Weise werden die Weltmodelle gegen Cyber-Angriffe von Konkurrenten "gehaertet". Die internationalen Spannungen werden unablaesssig "steigen und zunehmend unaufloesbar. Bis ein Kippunkt zum "Plan B" erreicht ist.

Viel, viel spaeter, wenn die Umweltkatastrophe, wie auch immer ueberwunden ist, kann die Menschheit eine schoene neue Welt aufbauen, wie sie Aldous Huxley bereits 1931 beschrieben hat. Er meinte damals, der Uebergang wuerde 150 Jahre dauern. Das geht heute bestimmt schneller.

Nachsaetze

Nachsatz 1: Man sollte "Plan B" nicht als absichtsvolle Verschwoerung irgendwelcher "Illuminaten" o.ae. interpretieren. Die Fortsetzung der Untaetigkeit reicht.

Nachsatz 2: Die generelle KI ist kein "hoeheres Bewusstsein", kein "boeser Geist in der Flasche". Die Generelle KI ist eine (vermutlich) neuromorphe Maschine, die ein hochkomplexes, holistisches Modell der Welt herstellen und variieren kann. Menschen koennen die Modell-Ergebnisse nachvollziehen, aber nicht deren Entstehung. (Das ist schon bei der Engen KI meist nicht moeglich.)

Nachsatz 3: Es geht mir nicht darum, Umwelt-AktivistInnen zu demotivieren. In Gegenteil. Ich habe versucht, die Ergebnisse des politisch-sozialen "Nichtstuns" darzustellen.

Nachsatz 4: Statt Sophokles als Vergleich fuer die Generelle KI zu strapazieren, haette ich auch den Paten Marlon Brando zitieren koennen: "Es gibt Angebote, die man nicht ablehnen kann."

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Aussie42

Mauerberliner(West) bis 1996, 10 Jahre meditieren in Indien bis 2010, jetzt in Australien. Deutschland weit weg.

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