Ibsen, Jelinek und Nora3

Volkstheater Wien Das Volkstheater Wien bringt kurz vor der Sommerpause, ein letztes Mal das wirklich unterhaltsame Stück NORA3 auf die Bühne.

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Ibsen und Jelinek geht das eigentlich zusammen? Diese Frage scheint sich bei der Inszenierung von NORA3 einfach keiner gestellt zu haben. Musste aber vielleicht auch keiner. Die Antwort, so scheint es, hängt nämlich nicht von der Zusammenführung der Stücke ab, sondern sollte einzig in der Hand des wunderbaren Roland Koberg liegen. Dieser bot mit seiner Dramaturgie und einem ausgezeichneten Ensemble einen durchaus unterhaltsamen Abend.

Nora Helmer, Mutter zweier Kinder - aber zuerst immer Gattin, bricht mit diesem Umstand und verlässt ihre Rolle. Sie will die Welt nicht nur sehen, sondern will sie spüren und wahrhaftig eins werden mit dem Zustand des Menschen, der einem Leben nachgeht. Sie bewirbt sich in einer Fabrik bei all den Maschinen die mal Menschen waren und widerspricht nicht. Helmer hat es nämlich nicht gelernt zu widersprechen. Für ihren Mann, in ihrem alten Leben, hat sie nämlich einiges aufs Spiel gesetzt um darin zu versinken. Später dann, als all die Spannung aufklart, wird deutlich, dass beide Leben eigentlich eins sind. Ibsen sieht die Rolle der Frau genauso wie Jelinek die Frau als Rolle sieht und beide greifen auf ihre altbekannten Muster zurück. Soweit so gut.

Neben einer wunderbaren Nora , gespielt durch Stefanie Reinsberger, beeindruckt das Schattenspiel, welches die Rolle der beiden ineinander aufwiegt und versucht aus Worten Bilder werden zulassen. Das Publikum wird zum Spielball und ohnehin, bleibt das Stück über lange Strecken unterhaltsam und sehenswert. Der Text wird nicht einfach in den Raum katapultiert, sondern wird in den Saal transportiert. Die SchauspielerInnen fügen sich vor einer 10 Meter hohen Holzwand, lassen sich gegen sie fallen um dann um so stärker wieder auszubrechen.

Und doch bleibt es etwas undurchsichtig wohin die Reise des Ibsen+Jelinek Matchings gehen soll. Die Figuren werden zum Anfang ausgewechselt und bleiben sich dann doc irgendwie treu. Das ist Jelineks Anspruch wie ich ihn liebe. Leider bleibt es aber auch nur dabei. Die Beziehung zwischen Nora und der alten Freundin Christina hätte wunderbares Material geboten um den alten Königinenstreit (Ulrike Maria Stuart) auf eine Renaissance zu schicken. Die Abhängigkeiten der Frau durch den Mann hätte stärker, vielleicht auch brutaler sein können und/oder die Intrige des Anwalts, das Lebensende des Arztes hätte eine Bedeutung haben müssen. Das Stück bietet viele Ebenen auf denen das Publikum mit zeitgenössischen Aspekten hätte konfrontiert werden müssen. Das fehlte und machte damit den Abend zwar unterhaltsam, ließ aber eine Tiefe die man mitnehmen mag, vermissen.

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Geschrieben von

Martinus Oktobre

Moral, Moral ist wer moralisch ist, versteht er?

Martinus Oktobre

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