Mafia-Staat erfolgreich in Berlin?

Mediale Ignoranz Das Buch "Post-Communist Mafia State" des ehemaligen ungarischen Bildungsministers Bálint Magyar wurde in Berlin vorgetellt. - Eine Pressekonferenz ohne Presse.

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Vor zwei Wochen bekam ich von einem Darmstädter Freund die Einladung zu einer Buchvorstellung am gestrigen Donnerstag geschickt: Bálint Magyar, „Post-Communist Mafia State: The Case of Hungary“. Bálint Magyar ist ein ungarischer Soziologe, der in drei sozialdemokratischen Regierungen Bildungsminister war.

Die Veranstaltung wurde als Pressekonferenz angekündigt und sollte in Berlin im Forum Umwelt & Entwicklung stattfinden, aber …

… offensichtlich hatte der "Mafiastaat" im Vorfeld erfolgreich gearbeitet: Von Presse weit und breit keine Spur! Außer mir war noch eine einzige Frau erschienen, aber keine Journalistin, sondern, wie ich, lediglich interessierte Bürgerin. So saßen zusammen: die beiden angekündigten Referenten, der Moderator, drei Mitarbeiter vom Forum Umwelt & Entwicklung und zwei Menschen von der Straße.

Was tun? Der Raum war nun einmal für zwei Stunden gemietet. Also blieben alle.

Zuerst schilderte der Moderator die Vorgeschichte. Ursprünglich waren verschiedenen Medien Exklusivinterviews mit Bálint Magyar angeboten worden. Da aber weder von einer Rundfunkanstalt noch von einer der angesprochenen Zeitungen eine Reaktion erfolgte, organisierte man diese allgemeine Pressekonferenz im Zentrum der Bundeshauptstadt – allerdings mit dem gleichen Ergebnis: komplettes mediales Desinteresse!

Nichtsdestotrotz wurde es eine lehrreiche Zusammenkunft. Die beiden Referenten – neben Bálint Magyar war noch András Lukács, Vorstandsmitglied des European Enviromental Bureau, mit von der Partie – ließen es sich nicht nehmen, auch vor dem anwesenden Minipublikum ihre Statements abzugeben. Und das war gut so! Denn über die aktuelle Situation in Ungarn erfährt man bei uns herzlich wenig und wenn, dann nur Meldungen um die Person Viktor Orban herum. (Machen Sie mal den Test bei freitag.de …)

Auf der einen Seite erleben wir gegenwärtig in Ungarn die schöpferische Übertragung des Prinzips Mafia auf den öffentlichen Raum. Und das in dem Land, dessen Regierung 1989 seinen und anderen Bürgern den Weg in die Freiheit eröffnet hatte. Wie geht das zusammen?

Auf der anderen Seite wird dieser kriminelle Umbau zu großen Teilen – sicher unfreiwillig, aber bisher unwidersprochen – von den Bürgern der Europäischen Union finanziert.

Sollte das für unsere Qualitätsmedien nicht Anlass genug sein, diese Themen aufzugreifen und die entsprechenden Angebote aus erster Hand zu nutzen?

Henning v. Gynz-Rekowski

(Berlin, 22.4.2016)

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Geschrieben von

HVGR

Rentner (ehm. Lehrer), Berlin

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