Ein anderes Rollenbild

Integration Königsweg Fußball? Sport bietet Migrantinnen durchaus die Chance zu sozialem Aufstieg und ­kultureller Anerkennung – doch es gibt Grenzen

Celia Okoyino da Mbabi war nicht nur für die Medien einer der Stars der Fußballweltmeisterschaft. Die in Bonn geborene Mittelfeldspielerin mit französischer Mutter und Vater aus Kamerun hat auch politisch einen gewissen Rang: als DFB-Integrationsbotschafterin.

Sport und erfolgreiche Integration, diese Geschichte wird nicht nur mit der 23-Jährigen in Verbindung gebracht. Mit ihrer Biografie Mein Tor ins Leben steht auch Fatmire (Lira) Bajramaj als prominentes Beispiel im Dienste der Frauennationalmannschaft. Und Filme wie Kick it like Beckham! haben auch anderswo das Potenzial von Fußball für erfolgreiche Integration gezeigt. So ist ein Bild entstanden, das sich positiv von den sonst üblichen Problemdebatten abhebt – aber auch von den tatsächlichen Erfahrungen mit Einbürgerungshürden und Sprachkursrealität.

Inzwischen hat fast die Hälfte der Spieler der Männer-Nationalmannschaft einen Migrationshintergrund. Nach der WM 1998 und der EM 2000 richtete der Deutsche Fußballbund die Aufmerksamkeit zunehmend auf die bis dahin noch kaum entdeckten Talente aus den Migranten-Communitys – das war unter dem Eindruck fiebriger öffentlicher Debatten um die Schwierigkeiten von Integration nicht gerade einfach. Doch der DFB war mit professioneller Jugendarbeit direkt auf dem Platz erfolgreich. Spieler wie Sami Khedira und Mesut Özil werden heute nicht nur als Fußballer, sondern auch als Beispiele gelungener Integration gefeiert.

In der Nationalmannschaft der Frauen spielen derweil nur vier Spielerinnen mit Migrationshintergrund. Doch das soll sich nun ändern – weshalb Sportfunktionäre und Politik sich bemühen, den Anteil der Migrantinnen in Sportvereinen zu erhöhen. Derzeit liegt er bei nur rund zehn Prozent. Zum Vergleich: 45 Prozent aller deutschen Mädchen vom 3. bis zum 5. Schuljahr sind Mitglieder in einem Sportverein, bei den türkischen Mädchen sind es nur 3,1 Prozent.

„Es ist für uns viel schwieriger, Spielerinnen mit Migrationshintergrund zu finden“, sagt Bundestrainerin Silvia Neid. „Viele muslimische Frauen dürfen nicht Fußball spielen. Das ist schade. Wir müssen uns mehr um solche jungen Frauen bemühen und versuchen, die Einstellung in den Familien zu ändern.“

Höheres Bildungsniveau

Studien zeigen indes, dass die Teilnahme an bestimmten Sportarten weniger mit der Religionszugehörigkeit zu tun hat als damit, wie streng sich Familien an religiöse Gebote wie Geschlechtertrennung halten. Experten sehen in der Affinität von Migrantinnen zu Sportarten wie Taekwondo nicht nur das pragmatische Motiv der Selbstverteidigung, sondern auch eine Möglichkeit, hier einem Verhüllungsgebot eher zu entsprechen als etwa beim Wasserspringen.

Seit 2007 fördert das Projekt Fußball ohne Abseits die Integration von Mädchen. Viele Teilnehmerinnen, meint die Pädagogin Christa Kleindienst-Cachay, erleben den Sport als Gegenwelt, in der häusliche Pflichten und Gebote keine oder geringere Wirkung entfalten.

„Mit ihrer Entscheidung, in der Pubertät trotz des Widerstandes der Eltern weiter am Sport teilzunehmen“, sagt die Bielefelder Professorin, „entscheiden sich die Mädchen unbewusst auch für ein anderes weibliches Rollenbild als jenes, das ihre Familien für sie vorgesehen haben.“ Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Der Bildungserfolg von Migrantinnen, die regelmäßig Sport treiben, liegt weit über dem durchschnittlichen Erfolg junger türkischer Frauen hierzulande.

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Geschrieben von

Helen Whittle

Communiqué BERLIN

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