Apparatschik Kramp-Karrenbauer

Grundrechte Mit durchgeladener AKK zum Angriff auf 70 Jahre Pressefreiheit

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Medial nicht unbedingt mit Geschick gesegnet:  Annegret Kramp-Karrenbauer
Medial nicht unbedingt mit Geschick gesegnet: Annegret Kramp-Karrenbauer

Foto: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Ein Namenskürzel wie ein Sturmgewehr und der Kopf steht diesem Eindruck offenbar in nichts nach: Kraftvoll vorgeprescht und seitdem heftigst mit Zurückrudern beschäftigt stehen die Äußerungen von AKK nun in der Welt – einer Welt, der die designierte Regierungsschefin unseres Landes gerne eine CDU-freundliche Meinung einimpfen möchte:

"Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal sagen: Als die Nachricht kam, dass sich eine ganze Reihe von YouTubern zusammengeschlossen [hat], um einen Wahlaufruf gegen CDU und SPD zu starten, habe ich mich gefragt, was wäre eigentlich in diesem Land los, wenn eine Reihe von, sagen wir mal, 70 Zeitungsredaktionen erklärt [hätte], wir machen einen gemeinsamen Aufruf, wählt bitte nicht CDU und SPD.

Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen. Ich glaube, das hätte eine muntere Diskussion in diesem Land ausgelöst. Und ich glaube, die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsmache: Was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein."

"Das ist eine sehr grundlegende Frage, über die wir uns unterhalten werden, und zwar nicht nur in der CDU, sondern auch, ich bin mir ganz sicher, in der gesamten medienpolitischen und demokratietheoretischen Diskussion der nächsten Zeit wird das eine Rolle spielen. Und deswegen werden wir diese Diskussion auch sehr offensiv angehen." (Wortprotokoll nach Aufzeichnung)

An diesem bemerkenswerten Sermon, vorgetragen im Duktus des vermutlich großen AKK-Vorbildes Rosa Klebb, ist besonders die Drohung "sehr offensiv" bemerkenswert. Was soll das genau heißen? Wird Rezo nun, wie einst Augstein (Rudolf), verhaftet? Werden seine "Redaktionsräume" besetzt, wird seine Gitarre zersägt und dort nach Unterlagen für den CDU-Verrat durchsucht? Müssen YouTuber oder normale Menschen wie Du und ich nun fürchten, bei einer Solidarisierung mit den Äußerungen Rezos oder anderen CDU-kritischen Medienschaffenden vom Verfassungschutz beobachtet zu werden? Oder stehen Strafhausbesuche von Philipp Amthor bevor, der sich ungefragt am Sonntagnachmittag mit einer aufgetauten Cremetorte zum mahnenden Diskussionskaffee einfindet?

"Dä Spiejel" und Rezo

Pressefreiheit in der BRD ist so eine Sache: War es einst der SPIEGEL, der Adenauer und seine Helfer Globke und Strauß mit seiner unbotmäßigen Berichterstattung zur Weißglut trieb, ist es jetzt ein YouTuber, der ganz blauhaarig, aber detailverliebt und pointiert der CDU die Leviten liest. Statt von "Landesverrat" spricht AKK von Meinungsmache – ganz so, als sei der Wähler zu blöd, sich selbst eine solche herzustellen. Ging es damals um den Atomkrieg und gegen das CDU-Ziel der Atombewaffnung der Bundeswehr, geht es heute um die Ignoranz der CDU in Klimafragen. Die Vernichtung unserer Lebensgrundlage lässt sich freilich auf beiden Wegen herstellen.

Adenauer und AKK gemeinsam ist ihre Argumentation aus dem Vorgestern heraus: War es bei Adenauer der Glaube daran, dass sich neumodische oppositionelle "Schmutzblätter" wie das Hamburger Nachrichtenmagazin verbieten lassen, ist es bei AKK der Glaube, dass man gleiches mit YouTubern tun könne, da diese ja "private Meinungsäußerungen" (Ziemiak) verbreiten würden und demzufolge auch mit Unterlassungsklagen oder dem BfV belästigt werden könnten. Ex-Oberschlapphut Maaßen hat in der Strache-Ibiza-Affäre via Blödzeitung ja bereits eindeutig Position bezogen – es dürfte AKK nicht schwerfallen, im undurchdringlichen Geflecht der deutschen Inlands- und Auslandsgeheimdienste ein paar willige Helfer zu finden.

Die CDU-Medienpolitik implodiert

Hinter diesen Äußerungen steckt, neben einer gravierenden Fehleinschätzung, ein substantielles Panikgefühl der CDU: Die Medienlandschaft Deutschlands droht sich in den nächsten Jahren und wohl schon bis zur Bundestagswahl 2021 (so die Koalition das Desaster überlebt) vollständig zu ändern. Alle Möglichkeiten der Einflussnahme, die man bei der CDU ebenso virtuos wie skrupellos bediente, schwinden dahin.

Schrieb früher ein aus der Reihe tanzender FAZ-Journalist einen mißliebigen Artikel, war ein Anruf beim Chefredakteur fällig – patsch, Nackenschlag, nie wieder. Schrieb der SPIEGEL einen missliebigen Artikel, rief man zwar verständlicherweise nicht bei Augstein, aber bei den führenden DAX-Konzernen an – zwei Wochen bitte keine Anzeigen mehr im SPIEGEL schalten, danke. Standen Wahlen an, räumten deutsche Konsumgüterhersteller bereitwillig ihre Plakatflächen um Barzel, Strauß und Kohl aufkleben zu lassen. Rundfunk und Fernsehen waren über die Rundfunkräte bestens zu kontrollieren – die Älteren werden sich an die völlig schamlose Einflussnahme des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch auf die Personalie des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender erinnern – eben jenem Brender, der einen unverschämten SPD-Bundeskanzler in der Elefantenrunde nach der Wahl 2005 zusammengefaltet hatte.

All das ist jetzt vorbei: Rezo, der sein millionenfaches Video nicht einmal monetarisiert und so wahrlich substantiellen Werbeeinnahmen entsagt hat, lässt sich über solche Maßnahmen nicht mehr steuern. Da können Ziemiak und Amthor noch so sehr Kreide fressen, Gesprächsbereitschaft heucheln und den Krawattenknoten lockern. Rezo und seine Mit-Rezos werden bleiben, neue Rezos werden kommen und sie werden wachsen – so lange, bis die Interessenvertreter auch dieser Generation wirklich die Interessen der jungen Menschen unter 30 vertreten.

"Schlecht recherchiert, zugespitzt, vereinfacht"

Rezo spitzt zu und vereinfacht – na klar macht er das. Welche FAZ-Edelfeder macht das nicht? Ist die brunzdumme Franz-Josef Wagner Kolumne in der Blöd gut recherchierter Journalimus oder besoffenes Geseier? Mit der Überheblichkeit eines Geschichtsprofessors, der Wikipedia als ungenau und unzuverlässig verdammt, aber sein eigenes Buch als Muster der Objektivität für 39,99 € den Studierenden präsentiert, wird Rezo unterstellt, er habe unsauber gearbeitet. Nein, hat er nicht – weder nach meinem professionellen Maßstab noch, beispielsweise, nach den Maßstäben der Podcaster von "Lage der Nation", Philip Banse und Ulf Burmeyer.

Diese neuen Medienschaffenden müssen sich viel stärker Quellenkritik und direkten Feedback stellen – genau wie Artikel auf Wikipedia. Eine starke und vor allem hyperkritische Community entscheidet, ohne die Latenz von langsam fallenden Kioskverkaufszahlen oder sinkenden Werbeeinnahmen, direkt über die Qualität eines Journalisten und seiner Äußerungen. Die Kontrollinstanzen des Netzes funktionieren, insbesondere am Beispiel Wikipedia, ausgezeichnet und man möchte jedem Kritiker entgegenwerfen, dass dieser doch mal versuchen sollte, seinem eigenen Wikipediaartikel einen geschönten Teil zur Selbstbeweihräucherung hinzuzufügen – so er denn wichtig genug für einen solchen ist.

Wer lügt oder unterschlägt und wer das Recht auf freie Meinungsäußerung abspricht wird dank der umfassenden Recherchemöglichkeiten des Netzes sofort bestraft - im Extremfall mit einem donnernden Shitstorm, wie ihn sich jetzt die willentlich mit dem Grundgesetz Schindluder treibende CDU-Vorsitzende zugezogen hat.

Diese Frau darf, in aller Deutlichkeit, nicht Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland werden. Könnte sich Augstein Junior, auf dessen Plattform ich hier immerhin meinen Senf dazugebe, diesen Aufruf bitte zu Eigen machen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Herrmann Willié

Mit Akzent auf dem é. Spürhund, Bluthund & Quellenexperte.

Herrmann Willié

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