Aus guten Gründen ausgründen

Idee Das KPD-Startup – Warum Kevin Kühnert jetzt die SPD links überholen sollte

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Der kommende Vorsitzende der „Kevin-Partei Deutschland“?
Der kommende Vorsitzende der „Kevin-Partei Deutschland“?

Foto: Jens Schlueter/Getty Images

„Mindestlohni“. Kleine Wörter können große Ursachen haben. Mit "Humbahumbatäterää", mutmaßlich aufgephotoshopptem Europahoodie und vor allem mit Ansage hat die SPD genau das geschafft, was leider vorauszusehen war: Minus 11 Prozentpunkte in Europa – Respekt. Da staunt der Geist von Willy Brandt und auf den Gräbern Helmut Schmidts und Herbert Wehners sind erste Qualmwölkchen der Wiederauferstehung zu erahnen. Aus schierem Entsetzen.

Andrea Nahles hat geschafft, was bisher zumindest in Deutschland absolute Männerdomäne war: Kraft der eigenen, äh, Persönlichkeit und des eigenen, individuellen Unvermögens eine ehedem große und traditionsreiche Körperschaft vollständig in die Grütze zu rühren. Bei Andrea braucht es keinen Dieselbetrug, es braucht keinen Brexit, es braucht wirklich keinen äußeren Anlass um den Selbstzerstörungsmodus zu aktivieren – eine Karnevalsveranstaltung reicht völlig aus. Beachtlich. Katarina Barley konnte nur staunend zuschauen und die Hoodiekapuze über die Augen ziehen. Wer jetzt wirklich noch meint, dass es eine Spitzenidee war „die frisch-freche Andrea“ an die Spitze der Partei zu stellen, möge sich gerne mit einem Kommentar zu diesem Artikel äußern.

Zwischenzeitlich im Juso-Hauptquartier

Niemand kann Kevin Kühnert vorwerfen, das alles nicht vorausgesehen zu haben. Der letzte Sozialist der SPD, mit dieser Selbstbezeichnung von vielen Parteigenossen als „Germanys Next Walter Ulbricht“ beschimpft, hat bereits Groko-Fortsetzungsbedingungen gestellt. Art und Umfang dieser Bedingungen legen nahe, dass diese nicht erst gestern in die auf das Willy-Brandt-Haus gerichtete Kevinkanone geladen wurden. Die Forderungen sind klar, konturiert und längst überfällig – und prallen vermutlich samt und sonders am Führungsbunker der Genossen ab.

Denn Andrea Nahles ist vollkommen klar, dass sie sich politisch in einer ähnlichen Lage befindet wie der ebenfalls an der Berliner Wilhelmstraße ansässige Gröfaz vor ziemlich genau 74 Jahren: Zu verhandeln gibt es nichts mehr. Entweder Kapitulation oder so tun als sei nichts passiert. Niemand wird Andrea Nahles jetzt einen Schwenk in welche Richtung auch immer abnehmen. Ihre öffentlichen Auftritte gehören zum Gesamtpaket der Glaubwürdigkeit dazu – das nichts, aber auch gar nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun. Man stelle sich einfach einmal Peter Altmaier oder Ralf Stegner bei dem vielzitierten Karnevalsauftritt und mögliche Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit dieser Herren vor. Auch wenn sie anschließend und wirklich glaubhaft „Nie wieder!“ sagen würden – bis ans Ende ihrer Tage würde jedes seriöse und ehrlich gemeinte Wort von ihnen einen Nachhall von „Wollibolli“ haben. Bei Andrea Nahles ist eine Wiederholung aber nicht nur nicht ausgeschlossen – sie ist garantiert.

Das Kevin-Startup: Rezo als Generalsekretär gesetzt

Also, Kevin: Anstelle deinen ganzen revolutionären Treibsatz gegen die betonfeste Frisur von Andrea Nahles oder respektive den äußerst gleitfähigen Schädel des honorig-hanseatischen Scholzomaten zu ballern – mach doch dein eigenes Ding. Du kommst aus Berlin – gründe ein Startup und ziehe einfach mal links an der SPD vorbei. Der Name "KPD" erscheint aus historischen Gründen problematisch, könnte aber rehabilitiert werden. Die „Kevin-Partei“ (Arbeitstitel) könnte stolz und kühn(ert) der alten Tante zeigen, was a) unter demokratischem Sozialismus und b) unter seriöser, zukunftsweisender Politik zu verstehen ist. Nichts mit "„Aufstehen!“ und so – das hat sich eh schnell wieder hingesetzt, Sahra W. war dann irgendwie wohl doch zu seltsam.

„Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren. Und wer die vom Leben ausgehenden Impulse – die von der Gesellschaft ausgehenden Impulse aufgreift und dementsprechend seine Politik gestaltet, der dürfte keine Schwierigkeiten haben, das ist eine normale Erscheinung.“ (Michail G., Sozialist)

Aber ein paar alte Kämpen kämen sicher gerne mit – Rudolf Dressler als deutscher Bernie Sanders? Why not? Dieser einsam gewordene ältere Herr, letzter Sozialdemokrat seiner Generation, wäre vielleicht gar nicht abgeneigt. Anstelle hässliche tausende Hoodieplakate zu kleben, macht Rezo einfach zwei, drei Videos – die Union nähert sich der Fünfprozenthürde, die SPD dem nur noch elektronenmikroskopisch messbaren Prozentbereich. Man kann eine Partei heute auch mit einem Youtubeaccount führen. Für den Rest junge und unverbrauchte Gesichter aus der zweiten Jusoreihe und ein paar junge Linke mit Migrationshintergrund dazu – dann passt das schon.

Nach 2021 bietest Du der SPD dann einfach an, Dein Startup für einen Euro zu übernehmen. Andrea ist bis dahin wieder glücklich in der Eifel beim Straßenkarneval, Olli Scholz labskausmümmelnd im Old Commercial Room oder Roadie bei Olli Schulz. Es liegt in Deiner Hand, Kevin!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Herrmann Willié

Mit Akzent auf dem é. Spürhund, Bluthund & Quellenexperte.

Herrmann Willié

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