Unter dem Banner des Datenschutzes

Aufregung in Wismar Die Stadtverwaltung der Hansestadt Wismar verabschiedet sich von Facebook und wechselt zu Instagram

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Nach Bekanntwerden löste dieser Vorgang bei vielen Menschen nur Schulterzucken und Kopfschütteln aus. Verschiedene Einrichtungen der Stadtverwaltung der Hansestadt Wismar stellten ihre Arbeit auf Facebook ein und verließen zum Ende des Januars 2021 diese mediale Plattform. Der Schritt wurde seitens der Stadtverwaltung insbesondere mit datenschutzrechtlichen Bedenken begründet, zugleich seien die Interaktionen in der letzten Zeit zurückgegangen. Um die Bürger weiterhin über neuere Entwicklungen zu informieren und mit ihnen in Austausch treten zu können, setzt die Verwaltung ab sofort hauptsächlich auf Instagram. Alle Strukturen (Seiten), die auf Facebook vorhanden waren, sollen an neuer Stelle etabliert werden.

Dieser Schritt führte seit Wochen zu heftigen Diskussionen in der Bürgerschaft bis in die Zivilgesellschaft hinein. Erklärlich ist dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Wismar die Stadtverwaltung zuweilen synonym mit der SPD betrachtet wird. Eine vermeintliche Symbiose, die durch die lange – ununterbrochene – Regierungszeit der Sozialdemokratie in der Ostseestadt bedingt ist. Sie stellte nämlich seit den ersten freien Wahlen 1990 bisher immer die stärkste Fraktion in der Wismarer Bürgerschaft und alle Bürgermeisterwahlen wurden von SPD-Kandidaten gewonnen. So entstand eine Sondersituation, da sich die Schalthebel der Macht seither fest in SPD-Hand befinden. Auf Beschluss des Bürgermeisters wurden die diversen Facebook-Konten von Einrichtungen der Stadtverwaltung zum 31. Januar 2021 gelöscht. Damit überging er einen Beschluss des zuständigen Verwaltungsausschuss, in welchem sich die ehrenamtlich tätigen Mitglieder für einen Verbleib auf Facebook ausgesprochen hatten, weil dieser lediglich beratende Funktion ausübt.

Danach formierte die Opposition in der Bürgerschaft erbitterten Widerstand gegen diesen Schritt. Die CDU warf dem Bürgermeister, Thomas Beyer, Eigenmächtigkeit und das Schaffen von unverrückbaren Tatsachen vor. Er sei getrieben von einer Furcht vor unliebsamen Kommentaren der Nutzer dieser Social-Media-Plattform. Der Vertreter der FDP prangerte insbesondere den Umgang mit Steuergeldern an, da explizit eine Stelle geschaffen, ausgeschrieben und besetzt wurde, um die Social-Media-Kanäle zu bedienen. Vor diesem Hintergrund sei ein Rückzug aus Facebook mehr als unverständlich. Außerdem wurde der freiwillige Verzicht auf eine kostenlose Werbe- und Präsentationsoption bemängelt. Die Bündnisgrünen zogen insbesondere die Begründung des Facebook-Abschieds mit dem Hinweis auf den Datenschutz in Zweifel, weil er aus ihrer Sicht lediglich als Vorwand herhalten musste.

In der Tat scheint die Argumentation hinsichtlich des Datenschutzes zumindest anfällig für Angriffe zu sein. Wenn es um die Daten der Nutzer so schlimm steht, was durchaus vertretbar ist, müsste Instagram ebenfalls verbotenes Land sein, schließlich kaufte Facebook Instagram 2012 auf. Es verhielte sich demnach so, als begründete man den Auszug aus der Dachgeschosswohnung eines Mietshauses mit dem Verweis auf den unerträglichen Vermieter, nur um direkt in den Keller zu ziehen. Ob es die Angst vor negativen Nutzerkommentaren war, ist hingegen fraglich. Zwar muss sich die Stadtverwaltung der Hansestadt nun nicht länger zu diesem Phänomen auf Facebook verhalten, doch ob die Beiträge der Nutzer auf Instagram zwangsläufig positiver sind, darf bezweifelt werden. Die Kommentarfunktion wird auf dieser Plattform ebenfalls stark frequentiert. Außerdem verfügt die Stadtverwaltung bereits über einen Informationskanal ohne Rückflussoption, da sie den Bürgern der Hansestadt seit September 2019 über einen Kanal auf PPush.eu Kurznachrichten und Informationen zukommen lässt. Um das Informationsangebot zu nutzen, muss lediglich die App auf das eigene Smartphone heruntergeladen und dann dort installiert werden. Eine Anmeldung oder Registration ist hierfür nicht erforderlich.

Gänzlich unumstritten war der Schritt, alle Seiten der Stadtverwaltung auf Facebook stillzulegen, auch innerhalb der Verwaltung nicht. Schließlich betraf der Beschluss nicht nur die Seite der Verwaltung, sondern auch Seiten anderer Verwaltungseinrichtungen, wie die des Schabbelhauses (des stadtgeschichtlichen Museums), die des Welterbehauses oder die des Theaters, die seit Jahren erfolgreich liefen. Warum die bisher darin investierte Arbeit einfach aufgegeben werden musste, nur um dann auf Instagram wieder von vorne zu beginnen, war zumindest nicht allen Mitarbeitern sofort ersichtlich. Ein Weiterbetreiben der Facebook-Seiten in Kombination mit Pendants auf Instagram wäre mit einem minimalen Mehraufwand möglich gewesen. Schließlich lassen sich digitale Inhalte mittels weniger Klicks ganz leicht duplizieren und auch auf anderen Plattformen teilen.

Gründe für die Flucht von Facebook sollen die sinkenden Nutzerzahlen (gemeint sind wohl die „Gefällt-mir-Angaben“) und die rückläufige Interaktivität der Nutzer gewesen sein, wohingegen dieses Phänomen bei Instagram nicht zu beobachten sei. Wird in Betracht gezogen, dass die Stadtverwaltung ihre Facebook-Seite erst 2015 etabliert hat, erfreute sie sich relativer Beliebtheit. Binnen eines Jahres konnten sowohl die 500er- als auch die 1000er Marke an „Gefällt-mir-Angaben“ geknackt werden. Am Tag der Abmeldung war die Zahl auf 3819 angestiegen. Bei Instagram ist die Seite der Stadtverwaltung der Hansestadt Wismar in dieser Hinsicht jedoch bereits jetzt erfolgreicher, wenn man so will. Sie wurde im September 2018 eingerichtet und hat bis Ende Januar 2021 5350 Abonnenten, deutlich mehr als ihr Facebook-Pendant jemals hatte. Dies kann natürlich mit dem Vormarsch von Instagram insgesamt zu tun haben, da dieses bildbasierte Interaktionsmedium noch direkter auf die heutige Smartphonegesellschaft ausgerichtet ist als Facebook, welches mittlerweile bereits als alternde Plattform angesehen wird. Viele Jugendliche und Teens halten sich quasi von Facebook fern, weil deren Eltern selbst dort Profile besitzen und sie sich während der Pubertät nicht auch noch im Cyberspace mit ihnen konfrontiert sehen möchten. Ob Instagram jedoch das Ende der Geschichte ist, darf allerdings auch stark in Zweifel gezogen werden, schließlich schießen immer kürzere, direktere, frischere und jugendlichere Formate wie Pilze aus dem Boden. Snapchat, TikTok und andere klopfen ebenfalls schon an die Tür. Wie und in welcher Form sich in Zukunft Inhalte ver- und übermitteln lassen, steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt oder in einem anderen Quellcode.

Am Ende bleibt noch die Frage bestehen, ob es für Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes zwingend notwendig ist, kommerzielle Plattformen wie etwa Facebook oder Instagram zu nutzen, um Informationen an die Bürger weiterzugeben oder für die eigene Einrichtung, den eigenen Ort oder die eigene Stadt zu werben. Die Erreichbarkeit wird dadurch zweifelsohne gesteigert und ein direktes In-Kontakt-Treten wird erleichtert. Die Lebenswirklichkeit vieler Bürger wird widergespiegelt, akzeptiert und bedient. Ist das den Abfluss der Daten wert? Eine Glaubensfrage, die jede Kommune für sich entscheiden muss. Die Hansestadt Wismar scheint jedoch noch keine klare Antwort auf sie gefunden zu haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Marcus Helwing

Politikwissenschaftler, Freier Autor, Mecklenburger, Hanseat und begeisterter Freizeitsportler.

Marcus Helwing

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