Ein mahnendes Zeichen

Conference of European Rabbis Angesichts der besonderen politischen und gesellschaftlichen Situation in Europa sowie den weltweiten Berichten über den wachsenden Antisemitismus als auch Rassismus, ist die Thematik der Xenophobie aktueller denn je geworden.

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Die Zeit in der wir gegenwärtig leben ist geprägt von einer Unsicherheit, wie sie kaum der letzten Dekaden gleichzusetzen wäre. Markant ist besonders der Beginn der Pandemie und der Punkt, als Corona unser tägliches Leben nicht nur beeinflusste aber auch maßgeblich veränderte. Hinzugekommen ist nun ein Krieg, der nicht nur nah an unseren Grenzen ist aber auch den Alltag mittlerweile bestimmt.

Ferner haben immer noch viele Europäer der jüngeren Generation eine höchst eingeschränkte, wenn nicht gar desinteressierte Einstellung zu den historischen Fakten des dritten Reiches und menschenverachtenden Grundsätzen, wie die Äußerungen vieler prominenter Vertreter der jüdischen Gemeinschaft auf der Conference of European Rabbis (CER) 32nd Convention Ende Mai 2022 in München, bestätigen konnten.

Zu diesem Anlass diskutierten mehr als 400 Rabbiner aus der ganzen Welt über die aktuelle politische Lage und zeigten damit einmal mehr die Bereitschaft zum Dialog zwischen den interkulturellen Gesellschaften und eine Möglichkeit, die allgemeine Aufmerksamkeit auf die kritische Situation in diesem Bereich zu lenken. Zu den prominenten Rednern aus Israel gehörten Rabbiner David Lau, Oberrabbiner von Israel und Präsident des Beit Hadin Hagadol, Rabbiner Yitzhak Yosef, Oberrabbiner von Rishon LeZion und Oberrabbiner von Israel, sowie Dayan Osher Weiss und Rabbiner Moshe Mordechai Farbstein, Rosh Yeshivat Knesset Yisrael Chevron und Co-Präsident des Hildesheimer Rabbinerseminars in Berlin.

Krieg in der Ukraine

Die Tagung stand auch im Zeichen des anhaltenden russischen Krieges gegen die Ukraine. Es wurden Gebete gesprochen und es fand eine private Arbeitssitzung statt, in der versucht wurde, die Schwierigkeiten des russischen und ukrainischen Judentums zu lindern. Rabbiner aus Russland und der Ukraine nahmen an dem Kongress teil und erhielten Unterstützung und Inspiration. Eine Hommage an die Rabbiner an der Frontlinie: Rabbiner Michael Schudrich, Oberrabbiner von Polen Rabbiner Shlomo Bakst, Oberrabbiner von Odessa Rabbiner Refael Kruskal, Geschäftsführer der Tikva-Institutionen in Odessa Rabbiner Pinchas Zaltzman, Rabbiner der Charedi-Gemeinde in Moldawien wurde ebenfalls geehrt. Rabbiner Bakst brachte zu Beginn des Krieges in der Ukriane seine tausendköpfige Gemeinde nach Rumänien und weigerte sich, sie zu verlassen, bis er jedes einzelne Gemeindemitglied in Sicherheit bringen konnte.

Die Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) setzt sich stark für Tausende von jüdischen Flüchtlingen aus der Ukraine ein, indem sie Hilfe im Wert von mehreren Millionen Pfund bereitstellt und den Vertriebenen in vielen Zentren auf dem gesamten Kontinent hilft. Die an diesen Bemühungen beteiligten Rabbiner aus Moldawien, Ungarn, Rumänien und Polen berichteten während des Kongresses in Münchenen ebenfalls über ihre Arbeit.

Der Krieg in der Ukraine ist noch lange nicht vorüber und um so wichtiger ist es, den Fokus auf die humanitäre Hilfe zu legen, damit Menschenleben gerettet werden können.

Minderheitenschutz in Europa

Um wahrhaftig zu verstehen, was Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antsemitismus bedeuten, muss man unaufhörlich die breite Öffentlichkeit an der stetigen Aufklärung (vor allem der jüngeren Generation) beteiligen. Denn ohne das mahnende Aufzeigen, dass es in der jüngeren Vergangenheit immer noch braun verfärbte Gedankengänge bei erschreckend vielen Menschen gibt und welche Konsequenzen hiervon eine Gesellschaft davon tragen kann, gleicht es nahezu einer Unmöglichkeit, menschenverachtende Ideologien zu vermeiden. Zivilcourage einer großen Gruppe von Menschen und ihre entschlossene Haltung gegen Rassismus und Antisemitismuss gewinnt in der heutigen Zeit dewegen immer mehr an Wichtigkeit.

Das Bildung hierzu ein zentraler Faktor ist, um Minderheiten in Europa zu schützen, bestätigt auch die Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) auf ihrem 32. Generalkongress in München.

Jüdisches Leben in Deutschland

Dr. Markus Söder, Ministerpräsident des Freistaats Bayern, eröffnete die Veranstaltung mit einer Begrüßungsrede. Er erwähnte die vielen Gemeinschaften und Kulturen, die in Bayern leben, und wie die jüdischen Menschen sich in bemerkenswerter Weise "nach den dunklen Tagen des Holocaust erneuert haben". Er sprach auch über die Bedeutung der Förderung des jüdischen Lebens in Bayern. Frau Nicola Beer, MdEP, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Sonderbeauftragte für die Bekämpfung von religiöser Diskriminierung einschließlich Antisemitismus, richtete per Videoschaltung das Wort an den Konvent und erklärte, dass "es von entscheidender Bedeutung ist, jüdisches Leben in Europa zu fördern und zu schützen."

Schutz der Religionsfreiheit

Im Anschluss an die Eröffnungsansprachen fand eine Podiumsdiskussion statt, die der aktuellen Frage nachging: "Steht das religiöse Leben in Europa auf der Kippe?" Seit ihrer Gründung vor 66 Jahren setzt sich die CER für die religiösen Rechte der Juden in Europa ein und bemüht sich um die Schaffung gesetzlicher Sicherheitsvorkehrungen, um den Schutz der jüdischen Religionsausübung auf dem gesamten Kontinent zu gewährleisten.

Shimon Cohen, Senior Advisor der CER und Kampagnendirektor von Shechita UK, sprach davon, dass "die Konferenz Europäischer Rabbiner seit dem Zweiten Weltkrieg die Führung in diesem Bereich übernommen und eine dringend benötigte Lücke gefüllt hat, indem sie sich für religiöse Juden einsetzte, ihre Rechte verkündete und zu schützen suchte und sicherstellte, dass religiöses jüdisches Leben eine ebenso hohe Priorität hat wie Kampagnen gegen Antisemitismus. Ferner führte er an, dass “ Unser aktives religiöses Leben ist genauso wichtig wie Mahnmale und Erklärungen gegen Antisemitismus. Wir haben in dieser Hinsicht einen weiten Weg zurückgelegt und es jüdischen Gemeinden ermöglicht, in Europa zu gedeihen, aber wir haben sicherlich noch mehr zu tun.Wir müssen die Menschen aufklären, damit sie besser über jüdische Praktiken informiert sind."

Daniel Höltgen, Sonderbeauftragter des Europarats für antisemitische, antimuslimische und andere Formen religiöser Intoleranz und Hassverbrechen, sprach davon, dass Europa "ein zunehmend säkulares Umfeld wird, die Ignoranz und Ideologie gegen die Religionsfreiheit muss bekämpft werden, um ein aktives jüdisches Leben zu ermöglichen." Katharina von Schnurbein, Koordinatorin für die Bekämpfung des Antisemitismus und die Förderung des jüdischen Lebens bei der Europäischen Kommission, stimmte den Aussagen von Herrn Cohen zu und erklärte, dass Bildung sicherlich der Schlüssel zum weiteren Schutz religiöser Praktiken in Europa sei.

Ahmed Ahmed Shaheed, Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit des UN-Menschenrechtsbüros (OHCHR), wies darauf hin, dass es bei der Religionsfreiheit nicht nur um den Glauben gehen kann, sondern dass es bei dieser Freiheit auch um Rituale und Praktiken gehen muss, um für die jüdischen Gemeinschaften mit ihrer Betonung der praktischen Einhaltung zu sprechen.

München ein Ort der Erinnerung

Eine Delegation des Konvents besuchte auch das Olympische Dorf in München, den Ort des Massakers an israelischen Sportlern im Jahr 1972, wo ein bewegender Gedenkgottesdienst stattfand. Bei einem Besuch des Konzentrationslagers Dachau wurde das Kaddisch zum Gedenken an die Opfer des Holocaust rezitiert.

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, würdigte den selbstlosen Einsatz der Rabbiner Europas, die ihr Leben dem Wiederaufbau des jüdischen Lebens auf dem gesamten Kontinent widmen.

Über die Konferenz Europäischer Rabbiner

Die Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) ist die wichtigste rabbinische Allianz in Europa. Sie vereint mehr als 900 religiöse Repräsentanten der großen Synagogengemeinden in Europa. Die Konferenz hat das Ziel, die religiösen Rechte der Juden in Europa zu wahren sowie zu verteidigen und ist zur Stimme des Judentums auf dem europäischen Kontinent geworden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Isabelle-Constance V.Opalinski

Journalistin, Autorin, Publizistin

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