Die Arktis im sicherheitspolitischen Fokus

ArcticCircleAssembly 2019 Finnland und Island pochen auf den Ausbau einer sicherheitspolitischen Strategie innerhalb des Arktischen Rats. Eine heiß diskutierte Forderung am Polarkreis.

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Viele Experten und nationale Politiker argumentieren, dass der Arktische Rat sich nicht nur mit den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aspekten in der Region befassen soll, sondern einen besonderen Fokus auf die Sicherheitspolitik am Nordpol setzen muss.

"Wir müssen darüber diskutieren, ob der Arktische Rat auch Sicherheitsfragen behandeln sollte", sagte die isländische Ministerpräsidentin Katrin Jakobsdottir bei ihrer Eröffnungsrede Mitte Oktober 2019 auf der größten Arktis-Konferenz der Welt in Reykjavik, Iceland.

Antti Rinne, der finnische Premierminister, stimmte Jakobsdottir zu und argumentierte auch, dass solche wichtigen Themen in Friedenszeiten diskutiert werden sollten und auch die EU an Bord sein müsste: "Und das können wir am besten, wenn wir mit so vielen wie möglich an einem Tisch sitzen“, fügte Rinne zu.

Finnland hat versucht, ein Treffen der arktischen Führung zu diesem Thema zu initiieren, eine Initiative, der Jakobsdottir die volle Unterstützung Islands gewährt.

"Island hat sich dafür ausgesprochen, die Geo- und Sicherheitspolitik im Arktischen Rat vom Tisch zu halten, weil wir es für wichtig gehalten haben, ein Forum zu haben, in dem wir alle eine konstruktive Diskussionen führen können, ohne dass größere Konfliktsituationen die Oberhand gewinnen. Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen glaube ich jedoch, dass wir darüber diskutieren müssen, ob der Arktisrat auch ein Forum für sogenannte "harte Sicherheit" sein sollte. Oder ob wir dafür ein eigenes Forum haben sollten.” so die isländische Ministerpräsidentin.

Derzeit gibt es kein arktisches Forum, das sich mit Fragen der Sicherheitspolitik am Nordpol befasst, oder eines, dass Streitigkeiten über Gebiete oder die Ausbeutung natürlicher Ressourcen lösen könnte. Bislang ist der Arktisch Rat das einzige Gremium, welches alle Anreinerstaaten der Arktis vereint.

Kein Vertrauen in ein arktisches Sicherheitsforum

Auch wenn die Sicherheitspolitik in der aktualisierten EU-Strategie für die Arktis behandelt wird, ist Marie-Anne Coninsx, die Botschafterin der EU in der Arktis, nicht so sicher, ob ein eigenes arktisches Sicherheitsforum der richtige Weg ist.

"Einige der Diskussionen hier in Reykjavik haben sich um die Öffnung für die Diskussion der Sicherheitspolitik im Arktischen Rat oder die Schaffung eines eigenen Rates gedreht. Ich glaube jedoch nicht, dass wir neue Organisationen schaffen müssen. Ich glaube, dass die, die es bereits gibt, ausreichen werden.” sagte Coninsx.

Selbst wenn sich ein Sicherheitsrisiko ergeben würde, kann die Verantwortung dafür nicht ausschließlich auf die Arktisstaaten beschränkt werden. Viele argumentieren, dass die EU stärker engagiert sein sollte als das, was sie heute ist. Die deutsche Strategie ermutigt beispielsweise die EU und die NATO, ihre sicherheitspolitische Rolle in der Region zu verstärken.

Vermeidung von Spannungen

In der Arktis stehen wir vor großen Veränderungen. Das Klima, die Umwelt und das ganze Ökosysteme verändert sich. Längerfristig wird dies zu zu großen Umwälzungen in der arktischen Realität führen, z.B. bei neuen Transportwegen. Es ist bekannt, dass man hierfür vorbereitet sein muss und deshalb ist es für einige natürlich und logisch zu fragen, was dies für die Geopolitik und Sicherheitspolitik in der Arktis bedeuten mag?

Norwegens Senior Arctic Official, Bård Ivar Svendsen, war auch während der Eröffnungssitzung des Polarkreises in Reykjavik anwesend. Er ist nicht überrascht von dem, was er von den isländischen und finnischen Ministerpräsidenten gehört hat.

"Was uns im norwegischen Außenministerium am Herzen liegt, ist keine unnötigen Spannungen zu verursachen. Die aktuelle Situation ist, dass die Arktis eine friedliche und stabile Region ist. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um zu Frieden und Stabilität beizutragen, und wir sehen nichts, was darauf hindeutet, dass sich das wesentlich ändern wird. Die Erhaltung der Stabilität und des Friedens, den wir heute haben, liegt im Interesse aller arktischen Staaten."

Svendsen räumt ein, dass in letzter Zeit von verschiedenen Parteien Ideen für neue Wege zur Formalisierung von Gesprächen über die Sicherheit in der Arktis vorgestellt wurden.

"Es gab mehrere Vorschläge, von denen keine bisher formalisiert wurde. Das Thema wurde nicht von irgendwelchen Regierungsstellen angesprochen, sondern von Einzelpersonen in solchen Debatten oder Foren als Ideen präsentiert. So haben wir bis heute keine konkreten Vorschläge auf dem Tisch, wie dies möglich sein könnte", so Svendsen.


Arktischer Rat vs. eine neue Organisation?

Aber gibt es denn Gründe, warum sich der Arktische Rat nicht mit sicherheitspolitischen Fragen befassen sollte? Die Meinungen spalten sich hier. Eins ist jedoch sicher, wenn man das Mandat des Arktischen Rates ändern würde, wäre das ein langfristiger und vor allem langwieriger Prozess, der von allen unterstützt werden müsste und das wäre wohl nicht realistisch.

Es liegt in der Verantwortung aller Mitglieder des Artktischen Rates besonders Frieden und Stabilität im Nordatlantik sowie am Polarkreis zu sichern und zu verhindern, dass das Gebiet Opfer eines geopolitischen Machtkampfes wird.

Auch ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass der Artktische Rat tatsächlich über einen soliden Rechtsrahmen für die Arktis im Völkerrecht und in der UN-Konvention über das Recht der Meere verfügt. Wäre eine eigenständige Organisation nun doch vielleicht die Lösung?

Während der Eröffnung des Polarkreises haben sowohl die finnischen als auch die isländischen Ministerpräsidenten diese Frage aufgeworfen, wie man Wege finden kann, um wichtige sicherheitspolitische Fragen zu diskutieren. Dennoch hat Svendsen den Eindruck, dass die Mitgliedsstaaten mit der aktuellen Situation im Arktischen Rat zufrieden sind.

Das liegt daran, dass sich der Arktische Rat auf die Umwelt sowie auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung konzentriert hat, in denen ein Konsens erzielt werden konnte. Wir sollten nicht vergessen, dass der Arktische Rat eines von sehr wenigen internationalen Foren ist, in denen der Dialog zwischen Russland und dem Westen durchweg gut war. Und das liegt genau daran, dass die Sicherheitspolitik vom Tisch bleibt."sagte der Senior Arctic Official Norwegens.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Isabelle-Constance V.Opalinski

Journalistin, Autorin, Publizistin

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