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Arctic Security: Die vom Eis befreite Arktis ändert das Kalkül für militärische Operationen und rückt den Nordpol immer mehr in den Vordergrund von potenziellen Konflikten.

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Über Generationen hinweg suchten Seefahrer nach einer Nordwestpassage von Europa nach Asien durch die Arktis. Jetzt hat der Klimawandel weite Teile des Nordpols freigelegt und so ist diese seit Jahrhunderten “heißbegehrte” Route am schmelzen.

Doch nicht nur vor dem Hintergrund der weltweit konstant hohen oder gar steigenden Nachfrage nach Rohstoffen und der Hoffnung auf kürzere und damit auch wirtschaftlichere Warentransportwege zwischen Ost und West ist nun der Arktische Ozean im Fokus, sondern besonders auch im Kontext von militärischen Ambitionen verschiedener Akteure.

Die USA und ihre Verbündeten sorgen sich um ihre langfristige Verteidigung, die fünf Küsten-Anrainerstaaten der Arktis erheben territoriale Ansprüche und das Interesse von nicht-arktischen Staaten wie China oder Indien steigt.

Welche Möglichkeiten eines gemeinsamen Konsens es geben könnte, wird jedes Jahr im Rahmen der Arctic Security Series diskutiert. Diese Arctic Security Roundtables werden regelmäßig durch die Münchner Sicherheitskonferenz zu aktuellen Debatten und Sicherheitsherausforderungen rund um die Arktis organisiert.

“Es ist unerlässlich, dass wir uns weiterhin aktiv in der Region engagieren - insbesondere mit arktischen Verbündeten und Partnern, wo alle arktischen Nationen regelmäßig militärische Trainings und Übungen durchführen", sagte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Botschafter Ischinger bei dem diesjährigen "Roundtable on Arctic Security" in Helsinki.

Russland - ein undurchschaubarer Partner ?

Russland ist eine weitere Nation, die ihr Interesse an der Arktis bekundet und kürzlich einen robusten arktischen Militarisierung Plan gestartet hat. Russische Streitkräfte haben sieben ehemalige sowjetische Stützpunkte am Polarkreis wieder besetzt und auch neue Stützpunkte gebaut.

"Die Öffnung der Arktis ist eine Gelegenheit, mit anderen Nationen zusammenzuarbeiten, um Sicherheit und Stabilität in der Region zu gewährleisten und mit denen, die bereit sind, zur Erhaltung der Freiheit der Meere beizutragen", sagt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Botschafter Ischinger.

Allerdings lässt sich Moskau nicht in die Karten schauen und gibt zwar vor einen aktiven Dialog mit den anderen arktischen Akteuren zu führen, doch bleiben die wahren Intentionen der Russen immer noch unklar. Einzig sichtbar sind die Aktionen und diese lassen auf fragwürdige Ziele schließen.

So versucht Russland, die Souveränität in der Region zu beanspruchen. Die Regierung verabschiedete kürzlich eine politische Änderung, die von souveränen Schiffen verlangt, 45 Tage im Voraus den Transit durch die Nordseeroute - die arktische Route, welche die Kola-Halbinsel mit der Beringstraße verbindet - anzukündigen.

Dieses neue Gesetz verlangt weiterhin, dass ausländische Kriegsschiffe einen russischen Lotsen einschiffen und Details über das Schiff angeben, was jedoch eine klare Verletzung der souveränen Immunität darstellt und eindeutig gegen das Völkerrecht verstößt.

China - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Das China auch an der Arktis interessiert ist, wundert wohl kaum einen. Erst letztes Jahr verkündete China eine eigene Arktis-Politik. Peking zieht Investitionsmöglichkeiten am Nordpol in Betracht, die von der Erforschung natürlicher Ressourcen bis hin zum zukünftigen kommerziellen Seeverkehrspotenzial der “Polar Silk Road” reichen.

Doch halten sich die Chinesen noch recht bedeckt mit etwaigen militärischen Plänen und legen ihren Fokus auf eine Art “Unabdingbarkeit”, in Hinblick auf finanzielle Unterstützung bei Großprojekten in der arktischen Region.

Aus diesem Grund werden durchaus chinesische Investitionrn von regionalen Akteuren des Norpols begrüßt, darunter das “China Iceland Joint Arctic Science Observatory”. Die Kosten wurden laut Halldor Johannsson, stellvertretender Vorsitzender der neuen Forschungseinrichtung im Norden Islands, vollständig von der chinesischen Regierung übernommen. Ursprünglich zur Überwachung des Nordlichts gedacht, haben sich beide sowohl die Chinesen als auch die Isländer bereits zum Ausbau ihrer Aktivitäten verpflichtet. Trotz früherer Verdachtsmomente im Jahr 2011 in Bezug auf private Investitionen eines chinesischen Milliardärs bleibt Islands Haltung gegenüber der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China neutral und das Observatorium wurde im Oktober 2018 eingeweiht.

In anderen Fällen wurden die chinesischen Investitionen jedoch mit wachsamen Augen betrachtet. Grönland, eine dünn besiedelte, aber riesige Insel, ist beim Transport von Gütern und Personen auf die Luftfahrt angewiesen. Als 2017 zwei chinesische Bauunternehmen eine staatliche Ausschreibung für den Bau von drei Flughäfen beantragten, weckte ihr Angebot zur Verbesserung des Infrastrukturnetzes der Insel die Befürchtung einer Übernahme Chinas durch das dänische Parlament. Um zu verhindern, dass Grönland in eine potenzielle "Schuldenfalle" gerät, bot Dänemark an, die Projekte zu finanzieren.

Aber auch in Schweden wurde eine neu eröffnete Forschungseinrichtung in Kiruna genau unter die Lupe genommen, nachdem die Swedish Defense Research Agency, eine Einrichtung des schwedischen Verteidigungsministeriums, argumentierte, dass ihre Überwachungskapazitäten vom chinesischen Militär missbraucht werden könnten. Chinas erste Satellitenbodenstation wurde im Januar 2019 eröffnet und soll den globalen Satellitendatenempfang verbessern. Doch die stark verwischten Grenzen zwischen dem zivilen und dem militärischen Bereich in Chinas Weltraumbemühungen führen dazu, dass mögliche militärische Anwendungen seiner neuen Satellitenbasis nicht ausgeschlossen werden können.

Genau solche Bedenken schüren den US-Antagonismus in Richtung einer wachsenden chinesischen Präsenz am Nordpol.

Der Dialog als Garant für Frieden und Stabilität

Im Mai 2019 hielt der Arktische Rat seine Ministertagung in Finnland ab, wo Finnland den Vorsitz an Island übergab. Die arktische Diplomatie ist seit der Gründung des Rates im Jahr 1996 solide, aber - wie das Eis des Hohen Nordens - beginnt es einige Risse zu sehen. Das Interesse der nicht-arktischen Staaten hat Herausforderungen mit sich gebracht und so versucht der Arktische Rat diese so gut es geht souverän zu lösen.

Mit den tiefgreifenden Veränderungen, die sich in der Arktis vollziehen, wächst auch die geopolitische Bedeutung der Region. Erfahrungen im Umgang mit den Risiken und Chancen zunehmender Großmacht Präsenz wurden bislang aber viel zu selten zwischen der Arktis und anderen ( maritimen) Regionen ausgetauscht. Mit einem "Roundtable on Arctic Security" in Helsinki, Finnland, der parallel zur Ministerkonferenz des Arktischen Rates in Rovaniemi stattfand, wollte die MSC hier einen Wendepunkt einleiten.

Als vertrauliche Treffen von nicht mehr als 40 Teilnehmern, die das Jahr über am Rande internationaler Veranstaltungen auf der ganzen Welt stattfinden, ermöglicht solch eine Plattform einen Dialog zwischen verschiedenen internationalen hochrangigen Vertretern von Regierungen, Militärs, Nachrichtendiensten, Forschung und der Zivilgesellschaft.

Zu den eingeladenen Gästen zählten dieses Jahr Pauli Niinistö, Präsident von Finnland, Timo Soini, Außenminister von Finnland, Clive Johnstone, Kommandeur des Allied Maritime Command der NATO, Sergey Kislyak, Mitglied des Föderationsrats des russischen Parlament und früherer Botschafter in den USA sowie ausgewählte Vertreter internationaler Nachrichtendienste.

"Durch die Nutzung von Erfahrung und Wissen durch nordische Partner können wir viel gewinnen: Sie verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz bei Operationen im nördlichen Breitengrad und sind hoch qualifiziert, technologisch fortschrittlich und Nachbarn, die auch mit NATO-Truppen interoperabel sind." sagte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Botschafter Ischinger, während des "Roundtable on Arctic Security" in Helsinki.

Die Teilnehmer des Roundtables betonten ebenso die Vorbildfunktion arktischer Kooperation für andere Regionen. Der konstruktive Dialog, den die arktischen Staaten pflegen bezeichneten sie als willkommenen Kontrast zu den wachsenden Spannungen vor allem zwischen Großmächten. Trotz Konfrontationen an vielen anderen Fronten kooperieren arktische Staaten, darunter die USA und Russland end in einer ganzen Reihe von Theme Feldern, darunter Sicherheit aus See, Umweltschutz und Meteorologie. Damit beweisen diese Staaten, dass kleine gemeinsame Schritte möglich sind - und das Vertrauen, das daraus erwächst, vielleicht sogar helfen kann Spannungen zwischen vielen politischen Akteuren abzubauen.

Die Arktis ist Teil der sich verändernden geostrategischen Umgebung. Erwärmungstrends haben ein zunehmendes Interesse an den reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen und potenziellen Seehandelsrouten der Arktis geweckt auch aus nicht-arktischen Staaten. Nun geht es darum die Zukunft des kleinsten Ozeans der Welt im Einklang mit gemeinsamen Werten und Interessen aktiv zu gestalten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Isabelle-Constance V.Opalinski

Journalistin, Autorin, Publizistin

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