Politiker und Wähler - ein hilfloser Flirt

Gefangen Der Kampf um die Wählergunst gleicht Flirtversuchen eines unsicheren Menschen, der nur Argumente hervorstottert, statt sich auf die Pyche der/s Angebeteten einzustellen.

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Mal ehrlich: Wer will schon dadurch erobert werden, dass der vermeintliche Traumpartner daherkommt und die Vorzüge einer Liäson - materielle Sicherheit - gute gesellschaftliche Stellung - schöne Wohnung aufzählt statt das Herz zu erobern und es zum Hüpfen zu bringen? Vielleicht gibt das eine Vernunftehe, bei der Aussehen, Charme, Witz, Humor, Esprit in den Hintergrund treten. Aber das wird schnell bräsig, monoton und scheidungssicher.

In der Politik gelten andere Gesetze? Weit gefehlt. Jeder gestandene Politiker weiß eigentlich: „Wähler wählen keine Wahlprogramme.“ Wähler wählen Personen, die begeistern UND eingetretene Denk- und Handlungspfade verlassen, Grenzen des Gewohnten hinter sich lassen UND Sicherheit geben. Es gilt aber, dies viel stärker auf der kommunikativ-psycholo­gi­schen als auf der inhaltlichen Ebene zu betrachten.

Politiker sollten ihre kommunikative und psychologische Kompetenz stärken

Die Bedeutung und Sprengkraft von psychologischen und kommunikativen Faktoren findet aufgrund der (Pseudo-)Rationalitätsorientierung von Politikern keine ausreichende Berücksichtigung - mit fatalen Folgen. Sie werden vom Wäher nicht erhört. Und dieser wird sicherheitshalber als unberechenbar hingestellt statt über die ungeeeigneten Instrumente der Annäherung nachzudenken. Flirtschule wäre eine gute Alternative.

So verärgert der allerorten vorherrschende Polit-Speech Zuhörer wie Wähler. Er verstärkt das Bild: „Die da oben verstehen uns überhaupt nicht mehr und reden nur mit sich selbst.“ Immer wieder höre ich Sätze wie „Politiker reden viel, ohne etwas zu sa­gen, dreschen hohle Phrasen“, „Das sind doch alles Profilneurotiker, die sich und ihre Partei nur in glänzendem Licht erstrahlen lassen wollen.“ Als Kommunikations- und Strategieberater kann ich bei Politikern immer wieder eine Aversion dagegen bemerken, sich kommunikativ und psychologisch schulen zu lassen. Es kommt mir oft so vor, als stünden sie lieber am Rande des Trainingsgeländes und bildeten sich ein, allein durch Zugucken schon siegreich in einer Disziplin werden zu können. Einige Galionsfiguren der Populis­ten - von Frauke Petry bis Donald Trump - beherrschen das Spiel perfekt, sind bis auf die Knochen durchtrainiert und spielen gestandene Politiker locker an die Wand , die allein auf die Kraft des Argumentes und Schaufensterpolitik als Imponiergehabe vertrauen. Ich habe zB. noch keinen einzigen Spitzenpolitiker erlebt, der neben Frauke Petry eine gute Figur gemacht hätte, auch wenn diese inhaltlich Blödsinn gere­det hat. Und man vertraue nicht darauf, dass die AfD sich nun selbst zerlegen wird, seit Petry nicht mehr in Erscheinung tritt.

Bei Politikern wird immer auf’s Neue ein Grundmechanismus unseres Denken, Fühlen und Han­delns verkannt.

„Menschen ändern sich nicht durch rationale Erkenntnis.“ NIE. Punktum.

Menschen ändern sich, lassen sich überzeugen – und leider auch verführen -, wenn sie von einer Sache, einem Thema innerlich ergriffen, begeistert, mitgerissen werden, d.h. wenn eine emotionale (Ver-) Bindung entsteht. Und dann kommt der Kopf hinterher und ordnet diese innere Erfahrung.

Von vielen Bürgern wird im politischen Wettstreit Nachdenklichkeit und eine kommunikative Streitkultur vermisst. Wie lange müssen wir eigentlich z.B. noch auf den Tag warten, an dem ein Politiker in einer Talkshow auf die Frage XY des Moderators antwortet: „Oh, interessante Frage/spannender/wichtiger Aspekt – darüber will ich mal einen Moment nachdenken – fragen Sie mich doch gleich nochmal.“ Oder darauf, dass sie erst einmal sagen, was sie am Standpunkt des polititischen Gegners gut finden, um dann umso genauer sagen zu können, an welcher Stelle und wieso man anders denkt, andere Schlüsse zieht und so zu anderen Positionen kommt. Stattdessen: Jonglieren mit auswendig gelernten Versatzstücken, die je nach Situation neu zusammengesetzt werden. Woher nur nehmen Politiker den Anspruch, sie müssten eine automatisierte, roboterhafte Auskunftei zu allem und jedem sein, was einem Moderator so in den Kopf kommt?

Von Donald Trump lernen? - Iiigittt!

Seit Donald Trump ist Realpolitik neu definiert/ definierbar. Was heißt es, von Trump und auch von der AfD zu lernen? Rechtspopulisten wissen um die Macht der Rhetorik, der Beeinflussung der Massen - völlig unabhängig von der Reali­tät. Sie freuen sich riesig darüber, wenn sich politische Wettbe­werber mit ihnen auf einen rationalen Diskurs einlassen. Und noch besser ist es, wenn man sie nicht erst nimmt, be­lächelt, abwartet, darauf vertraut, dass die Zivilgesellschaft sie schon ‚einhegen‘ wird usw. Das hat schon einmal nicht geklappt, wenn man an den Tag der Macht­ergreifung Hitlers zurückdenkt. Mittlerweile macht sich Trump zwar mehr und mehr lächerlich, aber das dahinter liegende Problem ist immer noch unzureichend fokussiert. Und eitle Menschen der Lächerlichkeit preiszugeben, ist ein sehr gefährliches Spiel!

Auch der Satz „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ ist im Zusammenhang mit Trump und der AfD fatal. Wenn Populisten und Demagogen ihre Taten zeigen, ist schon alles zu spät bzw. das Wesentliche passiert. Strategie und Taktik wirken verborgen im Hintergrund und setzen irgendwann das Uhrwerk in Gang. Die vor Monaten diskutierte Frage, ob Trump ein Narzisst ist, ist beileibe keine wichtige!

Wichtig ist hingegen sich klarzumachen, dass in dem Gespann Trump / Bannon / Spicer / Priebus / Conway vieles von dem, was zufällig, stümperhaft, tollpatschig wirkt, einem inneren System folgt.

Nur wenn man auf die vordergründigen Aktionen schaut, scheint Trump unberechenbar und dadurch gefährlich zu sein. In Wirklichkeit ist er berechenbar, und das, was man im Hintergrund erkennen kann, ist gefährlich. So schlimm z.B. seine Einreise-Dekrete wirken, eigent­lich sind sie Trump egal. Das ist nur Theaterdonner mit dem einzigen Ziel, an beliebigen Stellen die Belastbarkeit des Systems auszutesten.

Zufällig und stümperhaft ist auch nicht die Geburt der „alternativen Fakten“. Solange man das nicht begreift, hat man nichts verstanden. Für jedes totalitäre Regime ist die Gleichschaltung der Presse, die die öffentliche Meinung prägt, vornehmstes Ziel. Und da, wo dies nicht gelingen kann – das ist in den USA natürlich der Fall –, muss ich gezielt die mir nicht genehme Presse niedermachen. Das muss mir auch nicht bei allen gelingen, ich muss nur immer wieder Zweifel sähen. Und das klappt prima! Muster: Ich stilisiere mich und meine (potenzielle) Wählerschaft als Opfer mit dem Versprechen, dass ich durch die Wahl zum Retter werde. Die Presse ist Teil des Establishments, ist parteiisch, behandelt mich gezielt unfair. Das impfe ich meiner (potenziellen) Wählerschaft tagtäglich mantra­mäßig ein, egal wie abstrus die Belege sind. Und so hat Trump schon im Wahlkampf und dann erst recht als Präsident von einem „Krieg gegen die Presse“ gesprochen.

Im Mittel­punkt der Arbeit vor seiner Ernennung stand nicht die Vorbereitung auf die Regie­rungsverantwortung, sondern die minutiöse Planung, wie die demokratische Gesellschaft ‚gekapert‘ werden kann. Das hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun, sondern mit psychologischer „Kriegsführung“. Die hat ein wesentliches Ziel: Spaltung der Gesellschaft, Aufbegehren des Widerstands, aufwallende Emotionen, die sich in Extremen entladen und nach einer ‚ordnenden Kraft‘ rufen. Man lese dazu einfach einmal die einschlägigen Werke von Bannon, so wie es die Redakteure des SPIEGEL vor Monaten getan haben.

Sie können nun mühelos die obigen Namen durch die AfD-Führer und andere Rechtspopu­listen in Europa ersetzen, die Gefahren und Gefährder austauschen. Und denken Sie an „Lügenpresse, Lügenpresse“. Hat auch nichts mit Realität zu tun, aber erzielt die gewollte Wirkung. Und ein weiterer verborgener Mechanismus: Jemand prescht mit unsäglichen Aussagen vor, andere relativieren sofort und reden von Missverständnissen, Höckes‘ Schandmal-Rede soll erst mal zu einem Parteiausschluss führen, dann wird da doch nichts draus. Diese Dramaturgie ist nur Schaufensterpolitik zur Irreführung und Beruhigung der Massen.

Geeignete Gegenmaßnahmen

  • Es ist töricht und naiv zu versuchen, dem Phänomen Rechtspopulismus in der Öffentlichkeit argumentativ beizukommen. Aussagen können immer so gestrickt werden, dass darin ein Körnchen Wahrheit steckt. Und das reicht dem verführbaren Wähler völlig aus, um innerlich „Jawohl, endlich sagt’s mal einer“ zu sagen. Das Rezept, die Argumente durch Aufdröseln der kom­plexen Zusammen­hänge zu entkräften, funktioniert gegen Emotionalisierung nicht.
  • Es gibt eine wesentlich erfolgreichere Strategie. Ich muss nicht die Inhalte als falsch entlarven, sondern die dahinter liegenden verborgenen Mechanis­men aufdecken und versprachlichen!
    Eine verborgene Strategie, eine geheime Taktik wirkt nur solange, wie sie nicht ans Licht gezerrt wird. Geschieht das aber, ist der Budenzauber vorbei!
  • Politische Reflexe (wider das Establishment) lassen sich „spielerisch“ mit ein­fachen Gegenbeispielen entkräften, ohne zu belehren, etwa so: „Stellen Sie sich mal vor, ich würde mit meinen Kollegen wie am Biertisch reden und ver­handeln und Sie könnten zugucken. Wär vielleicht amüsant, aber: würden Sie denen Wichtiges anvertrauen oder doch lieber wie die „Gelben Seiten“: jemand, der sich damit auskennt. „Also die Frage, ob die Chemie stimmt, reicht da nicht.“ (Frauke P. ist bekanntlich Chemikerin)
  • „Man muss die Ängste der Bürger ernst nehmen“!??? NEIN, DASS MUSS MAN NICHT UND DAS DARF MAN AUCH NICHT!!! Was man ernst nehmen muss sind die Mechanismen, mit denen Angst erzeugt wird.
    Haben Sie schon mal probiert, einem Erwachsenen zu sagen: „Du brauchst keine Angst zu haben?“ Und? Ist nicht verschwunden, oder?!

Gegenmittel grundsätzlich: Glaubhaft Hoffnung verbreiten durch eine Vision, die über allen Einzelthemen steht und ein kohärentes Bild von der Zukunft entwickelt. Also nicht als Beschwichtigung (das hätte genauso wenig einen positiven Effekt) oder die mantrahafte Versicherung, die Polizei und Einzelüberwachung zu stärken, sondern: Da werden wir gemeinsam hinkommen. „Wir schaffen das (hinter der Angst stehende Problem, nicht die Angst!) gemeinsam, DU und ICH, und zwar so…“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ideenverwirklicher

Engagierter QuerDENKER, kreativ-innovativer Kommunikations- und Strategieberater, der gerne eingetretene Pfade von Scheinplausibiliät verlässt.

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