Schluss mit Klein-Klein!

Spiegelbild desWahlkampfs Die gescheiterten Verhandlungen sind exaktes Spiegelbild des blutleeren Wahlkampfs. Man verliert sich im Kleinklein, statt eine Gesamt-Vision zu entwickeln.

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Angst statt Visionen

Es ist zum Haare-Ausraufen! Ganz offenbar haben es unsere Politiker verlernt, in großen Linien zu denken. Wo sind die Volksvertreter, die ihr Handeln im Einzelnen aus einer Gesamtvision für die Zukunft ableiten? In Deutschland war Helmut Schmidt der letzte dieser Gattung. Bei ihm speisten sich Äußerungen zu Einzelthemen aus einer Gesamtsicht auf die weltpolitische Lage und auf Grundüberzeugungen.

Der Wahlkampf war nicht von Leidenschaft für eine zukünftige Gesellschaft geprägt, sondern von Angst. Die Politiker aller Parteien haben taktiert, um den Wähler nicht zu verschrecken, haben die Angst der Wähler mit Angst vor dem Wähler beantwortet, statt der Angst etwas entgegen zu setzen. Das hat den Erfolg der Partei Angst für Deutschland (AfD) überhaupt erst möglich gemacht.

Willkommen auf dem Spielplatz

Und wenn jetzt von Herrn Lindler zu hören ist, dass noch am letzten Verhandlungstag 200 Fragen offen waren, dann kann man nur fassungslos den Kopf schütteln. Eigentlich hätte man sagen können: "Komm, egal, jeder bekommt ein paar Förmchen, und dann ist wieder Ruhe im Sandkasten." Der Bundespräsident hat mit seinem Appell an etwas Grundsätzliches erinnert: Es geht nicht darum, dass eine Partei möglichst viel vom eigenen Wahlprogramm umgesetzt bekommt, sondern um das, was für das Wohl des Deutschen Volkes - und man muss hier zumindest Europas hinzufügen - das Beste ist. Die Parteien haben sich im Wahlkampf und dann danach in den Sondierungen so geriert, als gäbe es den mündigen Bürger nicht, sondern nur den Stimmenlieferanten. Es ging nicht um die Fragen, die die Gesellschaft zusammenhalten und nach vorne bringen, sondern wir konnten abstimmen über Themen, die sich die Parteien aus eigenem Kalkül ausdacht hatten. Man denke nur an die Obergrenze, aus der dann ein "atmender Deckel" wurde, der mehr an die Augsburger Puppenkiste denn an politische Verantwortung erinnert.

Der grundlegende Kategorienfehler - unausrottbar?

Anders gesagt: "Schwarze Null? Völlig egal." - "Steuersenkungen, Steuererhöhungen? Völlig egal." - 200.000 oder 500.00 Flüchtlinge. Völlig egal. Mindeslohn 8,50 oder 12,50? Völlig egal." "Co²-Ausstoß 5 oder 7 Gigawatt? - Völlig egal." Bevor jetzt die Aufschreie losgehen: Dies sind alles MASSNAHMEN. Und solange nicht klar ist, welchen übergeordneten ZIELEN diese gehorchen, wie sich diese Ziele zu anderen Zielen verhalten und wie diese Ziele wiederum zu einer VISION von gelingender Zukunft passen, kann ich das alles vergessen, und die Auswahl wird beliebig. Politiker - und im übrigen auch Journalisten - ignorieren hartnäckig Grundgebote, ohne deren Berücksichtigung jedes Unternehmen pleite ginge: Ich brauche ein 'Ableitungsverhältnis' von oben nach unten, um im Klein-Klein des Polit-Alltags Orientierung zu haben und dem Bürger zu geben: Vision-Ziele-Strukturen-Maßnahmen.

Und jetzt? Ein neuer Wahlkampf verspricht nicht, dass wir mit anderem als Klein-Klein traktiert werden, nur wird der Kampf um Förmchen härter als vorher, das Geschrei größer. Da sollte der Souverän die Eltern-Rolle einnehmen und "Basta"! rufen. Jetzt hört endlich auf. Und wenn ihr schon erwachsen sein wollt, dann benehmt euch auch so! Erstaunlich z.B., dass niemand über eine GAGROKO (Ganz Große Koalition) aus CDU/CSU, GRÜNEN und SPD nachdenkt. Für die SPD waren die GRÜNEN eh der Wunschpartner, und CDU/CSU und GRÜNE haben nach eigenem Bekunden gerade Vertrauen aufgebaut und zu allen wesentlichen Punkten Einigkeit erzielt.

Zukunft wird in Frankreich geschrieben

Und dann sollten alle Parteien, allen voran die SPD, eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber anstoßen und dauerhaft führen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Auch da lohnt ein Blick nach Frankreich. Die Bewegung von Emanuel Macron macht - weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit - vor, wie das in in der Fläche geht. Wen's interessiert, der abonniere einfach den Blog "La République en marche" (allerdings in französisch).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ideenverwirklicher

Engagierter QuerDENKER, kreativ-innovativer Kommunikations- und Strategieberater, der gerne eingetretene Pfade von Scheinplausibiliät verlässt.

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