Im Mai 2011, nur wenige Tage bevor ihm sein Aufenthalt im Sofitel und der anschließende Vergewaltigungsvorwurf zum Verhängnis wurden, drohte der damalige Favorit auf die sozialistische Präsidentschaftskandidatur in Frankreich, Dominique Strauss-Kahn, noch über eine ganz andere Affäre zu stolpern: einer Fahrt mit einem Porsche Panamera. Ein Porsche, der ihm gar nicht gehöre, wie sein Imageberater rasch betonte.
Doch da war es schon zu spät: die Konservativen spotteten, die Sozialisten hätten wohl die rote Rose als Parteizeichen gegen den schwarzen Porsche eingetauscht und auch für die Parteigenossen und die extreme Linke passte das Bild von Luxus und sozialistischer Politik einfach nicht zusammen. Der Vergewaltigungsprozess drängte schon bald
schon bald die Porsche-Affäre aus den Medien und so wurde die Frage nie beantwortet: Ist es schlimm als Linker Porsche zu fahren? Schließen sich Luxus und linke Politik aus? In diesen Fragen steckt das ganze Dilemma des Peer Steinbrück.Problem eins: Steinbrück ist kein Working-Class-HeroWenn Peer Steinbrück in diesen Tagen immer und immer wieder wegen seiner Nebeneinkünfte angegriffen wird, dann geht es eigentlich nicht mehr um Transparenz und auch nicht um Glaubwürdigkeit. Es geht, wie damals bei Strauss-Kahn, um die Frage, ob Linke reich sein dürfen und Reiche links. Eigentlich wäre es das beste für Peer Steinbrück schlicht zuzugeben: „Ja, ich bin reich.“, doch das ist für einen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten ganz offensichtlich schwierig. Der Grund dafür ist einfach: es passt nicht zum Masternarrativ der Sozialdemokratie.Jede Partei besitzt einen solchen idealisierten Archetyp. Bei den Liberalen ist es der ehemalige Tellerwäscher als Millionär; bei den christlichen Parteien der bodenständige, aber erfolgreiche Bürger, der sonntags in die Kirche geht; bei den Grünen die Akademikerin (im Idealfall mit Migrationshintergrund), die schon als Studentin gegen Atomkraft protestierte; und schließlich bei der SPD der bescheidene Sohn aus einer einfachen Arbeiterfamilie, der sich gegen Widerstände nach oben gearbeitet hat. Der klassische Working-Class-Hero, und ein solcher ist Peer Streinbrück eben nicht und er wird es auch nie werden. Dem Kandidaten Steinbrück fehlt die heilende Verankerung im Malochermillieu und das wird mit jedem Euro mehr an Nebeneinkünften deutlicher.Problem zwei: Steinbrück ist ein SozialdemokratEs ist schon erstaunlich, dass die opportunistische Attacke von CDU/CSU und FDP mit den Nebeneinkünften so glatt gelaufen ist. Da schimpfen die Erfinder der intransparenten Nebeneinkünfte über intransparente Nebeneinkünfte – und das Publikum jubelt ihnen zu?! Peer Steinbrück hat wohl kurzzeitig gehofft, mit seiner Transparenz-Offensive den Spieß umzudrehen und die Koalition in Bedrängnis zu bringen, doch das hat ganz offensichtlich nicht funktioniert. Die Gegenstrategie ist gescheitert, weil es bei der Debatte um Nebeneinkünfte nie wirklich um den durchschnittlichen Bundestagsabgeordneten ging und schon gar nicht um die von FDP und CDU/CSU. Der Gegenangriff konnte auch nie wirklich reüssieren, da für die Liberalen Reichtum ein positiv besetzter Begriff ist und auch bei der CDU/CSU nicht unbedingt eine Sünde ist.Das unterscheidet beide Parteien von der SPD in der Frage der Nebeneinkünfte. So erzählte mir einmal ein CSU-Abgeordneter, der aus Gründen des Umweltschutzes und der Effizienz einen Kleinwagen fuhr, dass ihm dies in seinem Landkreis oft als Geiz ausgelegt werde. Wer zu den erfolgreichen und wohlhabenden Bürgern gehöre, der dürfe diese Position auch durchaus mit einem schicken Wagen präsentieren, meinten seine Wähler. Und dass er dies nicht tat, war für einige ein Zeichen dafür, dass er lieber geizig auf seinem Schotter sitzen blieb. Selbst wenn also Unionsabgeordnete und Liberale vielleicht gleich viel oder gar mehr verdienen als Steinbrück, würde ihnen dies wohl nie derart schaden, wie dem Sozialdemokraten.Reichtum ist in konservativ-liberalen Kreisen nichts Schlechtes. Bei der Linken offenbar schon. Die französische Satire-Sendung „Les Guignols de l'Info“ drückte das einst pointiert so aus: Lotto ist das Spiel des kleinen Mannes, also ist Lotto spielen links. Ein Lotto-Gewinn bedeutet Reichtum, also ist im Lotto gewinnen rechts. Eigentlich unfair, oder? Doch das wird dem SPD-Kandidaten nicht helfen, denn er tritt für die Sozialdemokratie an und wird sich an ihren Werten messen lassen müssen.Problem drei: Steinbrück hat viel GeldWahrscheinlich hat Peer Steinbrück gar kein so großes Problem mit Geld, wahrscheinlich spendet er tatsächlich eine beachtliche Summe und scheinbar gehört er nicht zu denen, die mit ihrem Reichtum protzen. Doch nicht Steinbrück hat ein Geldproblem, sondern die Linke – von der Sozialdemokratie bis zu den demokratischen Sozialisten – stört sich am Kapital. Das liegt in der linken politischen Idee begründet, die darauf basiert, dass es Personen gibt die viel besitzen und andere, die wenig haben. Und dass der Staat bestrebt sein müsse, die Unterschiede zwischen beiden Personengruppen zu reduzieren. Damit stehen sich per Definition Reiche und Arme konfrontativ gegenüber.Die unterschiedlichen Positionen in der Linken resultieren letztlich nur daraus, wie offensiv man die Konfrontation zwischen Reichen und Armen angehen möchte: Geht es um Umverteilungsmechanismen, die „nur“ garantieren, dass keiner ungebremst in die Armut fällt oder geht es tatsächlich um eine echte Nivellierung der Vermögensunterschiede? Egal wie radikal man die Idee zu Ende denkt, ergibt sich aus der klassisch linken Tradition ein eher negatives Bild vom Reichen. Egal wie sie erzählt wird, am Ende der Geschichte hat immer der Reiche zuviel und muss deshalb abgeben.Zugleich ist man in der Realität auf die Reichen angewiesen, weil in der Praxis oft von diesen das Vermögen kommen muss, das umverteilt werden soll. Aus diesem Gegensatz resultiert das Geldproblem der Linken und letztlich das des Peer Steinbrücks. Das traurigste daran: die Linke verliert durch die Frage der Nebeneinkünfte immer mehr an Glaubwürdigkeit und an Prozenten, während das konservativ-liberale Lager, das sich weitaus großzügigerer Nebeneinkünfte erfreut, davon profitiert. Und am Ende gewinnt Kanzlerin Merkel?Peer Steinbrücks Glück ist, dass bis zur Wahl im Herbst 2013 die Frage an Schlagkraft verlieren könnte, sein Pech ist aber, dass er das Grundproblem der Linken, einen gesunden Umgang zum Reichtum und der reichen Bevölkerung zu finden, kaum wird lösen können und damit die Frage seiner Nebeneinkünfte nie vollständig aus der Welt schaffen kann. Dabei wäre es doch wichtig, auch den wohlhabenden Bundesbürgern eine linke Perspektive aufzuzeigen, die über die Rolle des Bad Boys in der Geschichte hinausgeht – oder sollen Reiche wirklich nur rechts wählen dürfen? Vielleicht wäre ein reicher Linker ja sogar dazu prädestiniert, auch den Wohlhabenden eine sozialdemokratische Politik schmackhaft zu machen – was meinen Sie Herr Steinbrück?