Die populistische Versuchung

AfD Die Alternative für Deutschland ist mehr als eine Anti-Euro-Partei. Sie betreibt intellektuellen Nationalismus und verführerischen Populismus. Das macht sie gefährlich

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Die populistische Versuchung

Foto: Johannes Eiseler/ AFP/ Getty Images

Am Ende wird sie vielleicht nicht so heiß gegessen werden, wie sie gekocht wurde, die selbst ernannte Alternative für Deutschland. Doch am Wochenende dominierte ihr Gründungsparteitag sämtliche Medienkanäle. Die Kommentatoren bedachten sie mit zahlreichen Meinungsartikeln, die von heftiger Kritik bis zu vorsichtiger Bewunderung reichten. Immer im Fokus war dabei der Euro, den die AfD zur Wurzel allen Übels auserkoren hat und daher lieber heute als morgen beseitigen möchte. Kein Euro, keine Euro-Krise, verblüffend einfach, erstaunlich logisch – oder?

Doch die Gründung der AfD war weitaus mehr als eine monetäre Veranstaltung und es ging in Berlin nur vordergründig um Währungsfragen. Tatsächlich hat die AfD, anders als viele Kommentatoren glauben, kein „schmales“ Parteiprogramm, das sich auf den Euro-Ausstieg beschränken würde. Denn was mit dem Euro-Ausstieg und der Rückkehr zur Deutschen Mark symbolhaft zum Ausdruck gebracht wird, ist der Wunsch nach einer Renationalisierung auf allen Ebenen: Für die AfD sind es die nationalen Interessen, die in Zukunft die Politik leiten sollen, von der Währung bis zur Einwanderung. Die AfD ist keine Anti-Euro-Bewegung, mit ihr ist eine nationalliberale Partei in Deutschland entstanden.

Die Alternative für Deutschland verspricht mit der Rückkehr zur Deutschen Mark weitaus mehr als eine Lösung der Euro-Krise, sie verspricht eine Rückbesinnung auf das überschaubare Kleine in dieser so undurchsichtig gewordenen Welt. Mit einfachen Antworten auf die großen Probleme: Die Energiewende soll nicht dem Stromkunden zu Lasten fallen, das berüchtigt-bürokratische Finanzamt mit Hilfe eines neuen Steuerrechts rationalisiert werden und einwandern sollen nicht länger die, die es nötig haben, sondern die, die „wir“ nötig haben. So weit, so einfach, so verlogen.

Seit Union und FDP die innerparteilichen Euro-Skeptiker einigermaßen ruhig gestellt haben, suchen die Befürworter eines Europas der starken Nationalstaaten eine Heimat. Denn hinter der Euro-Frage steckt die Europa-Frage. Die als Finanzdiskussion verkleidete Analyse, dass die „schwachen“ Südstaaten ohne eine Abwertung ihrer Währung nicht mit den „starken“ Nordländern mithalten könnten, diskutiert kein Wirtschaftssystem, sondern eine politisch-gesellschaftliche Ordnung für Europa: Jeder zum Denken befähigte Mensch muss doch schließlich erkennen, dass Griechenland für uns nur noch ein Klotz am Bein ist – also weg damit! Dann kann Griechenland wieder faul in der Sonne liegen und die Fleißigen aus dem Norden werden in ihrem Wachstum nicht länger gehemmt. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!

Dass wir objektiv die größten Profiteure der Einheitswährung, aber vor allem der derzeitigen Krise(!), sind, wird dabei wohlwissend verschwiegen. Dass der Euro von Beginn an auch ein Schritt zu mehr Integration sein sollte, der ein Wiedererstarken nationalistischer Tendenzen – insbesondere im wiedervereinten Deutschland – vermeiden sollte, erklärt, warum nicht wenige der AfD-Mitglieder sich schon länger gegen den Euro aussprachen. Sie sprachen und sprechen nicht gegen die Währung, sie sprechen gegen den Souveränitätsverlust der Nation.

Die Alternative für Deutschland wirbt kaum versteckt für die Losung, die wir von regionalen Unabhängigkeitsbewegungen – von Katalonien bis Bayern – längst kennen: „Wir können es alleine besser. Oder mindestens genauso gut.“ Damit wären wir wieder bei der komplexen, globalisierten Welt und der Sehnsucht nach dem Einfachen. Die populistischen Versprechen der AfD sind für alle Wahlberechtigten eine süße Versuchung. Ginge es uns ohne Griechenland, ohne den Euro, ja vielleicht gar ohne „diese“ EU nicht viel besser? Sind „die“ Griechen nicht auch ein bisschen selber Schuld? Was können „wir“ dafür, wenn die „es“ nicht gebacken bekommen?

Dass die AfD genau diese Fragen bedient und auf komplexe Probleme mit scheinbar einfachen Antworten aufwartet, macht sie so attraktiv. Dass sie diese vereinfachende Rhetorik im Gewand von Wirtschaftskompetenz und Doktortiteln kleidet, macht sie höchst gefährlich. Der intellektuelle Nationalliberalismus ist in Deutschland angekommen.

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