der bayerische filmpreis sparte dokumentation ging an jens schanze für
"Plug & Pray -Von Computern und anderen Menschen"
in dem wir dem großen joseph weizenbaum wiederbegegnen.
"Ich bin kein Computerkritiker. Computer können mit Kritik nichts anfangen. Ich bin Gesellschaftskritiker", so Joseph Weizenbaum. Vitale Bereitschaft, die eigene Erfahrung einzubringen, Verantwortung zu übernehmen, sich gegen Entmündigung zu wehren, das ist sein Kennzeichen.http://www.interactivearchitecture.org/2008/joe2.jpg
Der Film taucht ein in eine Welt, in der Computertechnologie, Robotik, Biologie, Neurowissenschaft und Entwicklungspsychologie verschmelzen.
Doch ausgerechnet einer der Pioniere der Computerentwicklung und der künstlichen Intelligenz, der ehemalige MIT-Professor Joseph Weizenbaum, hat sich zum schärfsten Kritiker dieser technologischen Allmachtsvisionen entwickelt. Er betrachtet die weit verbreitete Ansicht, die Natur sei mit Hilfe der Wissenschaft vollkommen zu erfassen und somit objektiv berechenbar, als katastrophale Fehlentwicklung des menschlichen Denkens. Weizenbaum, der Schöpfer von ELIZA, dem ersten Spracherkennungsprogramm überhaupt und somit der Mutter aller Chatbots, wurde Zeuge, wie der Mensch innerhalb weniger Jahrzehnte dem Computer immer mehr Aufgaben und sogar Entscheidungen anvertraute. Unbeeindruckt vom durch grenzenlose Fortschrittsgläubigkeit geprägten Zeitgeist fragt er: Brauchen wir das alles? Welches Menschenbild liegt diesen Ideen zugrunde?
"Er liebte das deutsche Wort „Quatsch“ und benutzte es oft. Joseph Weizenbaum, geboren 1923 in Berlin, war ein weiser und köstlicher Quatschbekämpfer, der wusste, dass Lachen frei macht. Frei zu denken, sich nicht von den Moden - heute heißt es „Hypes“ - der sogenannten Informationsgesellschaft verblöden zu lassen, das propagierte er, und sein Humor nährte sich aus bitterem Ernst."
Der Film "Plug & Pray" ist weit mehr als ein Abschied vom großen Technik-Skeptiker Joseph Weizenbaum, sondern eine Einladung zur Auseinandersetzung mit Dingen, die wir zunehmend als selbstverständlich ignorieren.
Kommentare 7
Vielen Dank, Indyjane, an diese großartigen Denker und Menschen zu erinnern.
Er gehört zu denen, die mich mit davor bewahrt haben in meiner Begeisterung auch für Technik ihr und dem blinden Glauben an sie zu verfallen. Als Sprachwissenschaftler lieferte er mir Bestätigung aus dem Herzen der IT-Branche, der Technikwissenschaft heraus, dass der Computer wohl nie wird sprechen können, d.h. dem sprachlichen Ausdruck verleihen wird ja das verwirklichen wird, was wir bisher und hoffentlich immer den menschlichen Geist nennen.
"Wer erfindet die Computermythen?"
Nachdem ich Anfang der 90er beruflich mit diesem eher irrationalen AI/KI-Hype zu tun hatte, war das genannte Buch von Weizenbaum gerade die richtige Entspannung, zum ad acta legen des in Walldorf Vernommenen. Aber das Holiday Inn dort war OK, existiert immer noch...
Heute, rund zwanzig Jahre später kann man mit "brute-force" natürlich viel mehr machen, oft realtime gar und muss nicht auf den nächtlichen Batchlauf warten.
Aber mit "Intelligenz" hat das weiterhin wenig bis nichts zu tun.
@indyjane: von mir auch vielen dank für den hinweis!
@ luggi schrieb am 14.01.2011 um 22:21
Schuster bleib bei deinen Leisten! - Wühl weiter Luggi!
Hat mich schwer beeindruckt der Film und die Sequenzen aus dem Leben dieses gelehrten und klugen Mannes.
Traurig, die Szene als er die Oper "komm, du schöner Tod" (oder so) hört, ganz versonnen und ernst, und soweit ich weiß, ist er noch vor Fertigstellung des Films gestorben.
Die einfachste Form, einen Menschen zu replizieren, ist die gute alte Fortpflanzung, die schon mehrere tausend Jahre funktioniert und zwar so gut, dass wir uns ziemlich gut vermehrt haben.
Die Vorstellung von Wissenschaftlern, dass ein Mensch sich selbst als technisches Modell replizieren könnte, womöglich noch in einer verbesserten Variante, intelligenter als sein Erschaffer, ist ein Ergebnis der menschlichen Hybris oder schlicht ein Wunschtraum.
Alle, die davon reden, dass das machbar sei, benutzen recht häufig das Wort "glauben". Sie wissen es also nicht, können es auch nicht schlussfolgern, sondern sie bewegen sich im Rahmen des Wunschdenkens, der Phantasie und des Glaubens oder auch der Hoffnung.
Das fängt man mit der mechanischen Belastbarkeit und der Präzision von Einzelkomponenten (bauen sie einen Muskel und eine Sehne, die mit gleicher Kraft, Präzision und Geschwindigkeit arbeitet...) und hört auf bei der Lösung von neu auftretenden Problemen mittels Erfahrung, Intelligenz, Logik und Intuition.
Emotionen wird man einer Maschine niemals einprogrammieren können und die sind es letzlich, die einen Menschen ausmachen. Jeder der hier wegen bestimmter Sätze explodiert und auf persönlichen Angriff umschaltet, kann keine Maschine sein.
Wenn Leonardo da Vinci als Frau auf die Welt gekommen wäre, wäre die Decke der Sixtinischen Kapelle vielleicht nie ausgemalt worden - und wenn er als siamesische Zwillinge auf die Welt gekommen wäre, hätten sie nur die Hälfte der Zeit dafür gebraucht. Eine Maschine jedenfalls, die hätte das niemals hinbekommen.