Gaspreisbremse: Zwischenbericht der Kommission ist eine Enttäuschung

Energiekrise Für private Haushalte soll die Gaspreisbremse frühestens im März in Kraft treten. Auch sonst gilt für das, was die Expertenkommission vorschlägt: Das ist zu spät und zu wenig
Ausgabe 41/2022
Als Unterstützung für Haushalte und Unternehmen soll es zunächst eine Einmalzahlung geben
Als Unterstützung für Haushalte und Unternehmen soll es zunächst eine Einmalzahlung geben

Foto: Christopher Furlong/Getty Images

Die Gaspreisbremse kommt – aber die kommt für die meisten zu spät. Dieses Fazit lässt sich ziehen im Angesicht des Ergebnisses von 35 Stunden Beratungen der Kommission Energie und Wärme.

Denn für Haushalte soll die Preisbremse erst von März oder April an gelten – für jeden einigermaßen klar denkenden Menschen ist das ein Hohn. Denn natürlich fallen die Heizkosten in den Monaten zuvor an. Die Sorge vor immensen Erhöhungen der Abschlagszahlung und astronomisch hohen Nachzahlungen gibt es schon jetzt.

Bremse gilt erst ab März oder April

Die Kommission begründet ihren Vorschlag damit, dass der Staat vorher technisch nicht in der Lage sei, die Verbrauche für Haushalte zu erschließen und entsprechend über die Versorger zu deckeln. Für die Industrie hingegen soll bereits von Januar 2023 an eine Preisbremse gelten – sie gilt für ein Volumen von 70 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2021. Dieses Volumen kostet Unternehmen sieben Cent pro Kilowattstunde. Für private Haushalte erstreckt sich die Bremse zwar auf 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs – dort schlägt aber ein immer noch saftiger Preis von zwölf Cent pro Kilowattstunde zu Buche.

Damit geht ein zentraler Vorteil des Gaspreisdeckels flöten – nämlich dessen inflationshemmende Wirkung. Sowohl makroökonomisch als auch für die einzelnen Menschen und ihre Sicherheit im Winter wäre es sinnvoll gewesen, wenn der Deckel zu einem günstigen Preis früher eingeführt wird.

Der Verbrauch der oberen zehn Prozent

Im vorliegenden Entwurf fehlt darüber hinaus eine sinnvolle und strikte Ober- und Untergrenze, wie sie ein Sondervotum von Verdi-Chef und Kommissions-Mitglied Frank Werneke einfordert. In dieser Ausgestaltung ist das Modell keinesfalls sozial gerecht. Es bevorteilt die vielzitierten Villen-Besitzer, also die oberen zehn Prozent. Genau die haben laut neuester Berechnung der Süddeutschen Zeitung einen ebenso hohen Verbrauch wie die unteren 40 Prozent. Hier könnte ein kluger Gaspreisdeckel die Schieflage mildern. Aber dafür fehlte offenbar die Zeit – und der politische Wille.

Stattdessen soll es für den Dezember eine Einmalzahlung richten, die sich an den Abschlägen des Vorjahres orientiert. Was zunächst nach einer unkomplizierten Idee klingt, ist eine ziemlich billige Maßnahme, um für einen Monat das Schlimmste zu verhindern und die Haushalte über Weihnachten zu besänftigen. Was für die Monate Oktober, November, Januar und Februar helfen soll, ist damit überhaupt nicht geklärt. Die Einmalzahlung geht also an der Realität und den Ängsten der Menschen vorbei.

Einmalzahlung und Doppel-Wumms

Die Einmalzahlung kostet außerdem nur über vier Milliarden Euro, die Kosten des Gesamtpakets werden schätzungsweise 90 bis 100 Milliarden Euro betragen. Dabei stehen für den „Doppel-Wumms“ inklusive Unternehmenshilfen und Gaspreisbremse mehr als 200 Milliarden Euro zur Verfügung. Warum es hier nicht mehr Geld für die Haushalte im Winter geben soll oder die Gaspreisbremse nicht rückwirkend gezahlt werden kann, darüber lässt die Kommission im Unklaren. Zumal die Einmalzahlung auch besteuert wird und der Staat paradoxerweise dadurch sogar wieder Einnahmen hat, mit denen er vorher nicht rechnete.

Es wird in den kommenden Wochen darauf ankommen, was die Bundesregierung aus diesem Vorschlag der Kommission macht. Diese hat immerhin nur einen „Zwischenbericht“ vorgelegt; bis zum Endbericht und zum endgültigen Gesetzesvorschlag kann noch einiges passieren. Und es sollte auch noch einiges passieren, denn die Bundesregierung hat es selbst zu verantworten, dass sie monatelang an einer Gasumlage festhielt, die ökonomisch nicht sinnvoll, ungerecht und juristisch fragwürdig war. Wiederholt sie nun diesen Fehler und stolpert in den Winter mit einer unausgegorenen Preisbremse, wird aus einem guten Instrument nur ein neues Werkzeug, das den Menschen nicht die Ängste nimmt, sondern sie sogar noch verschärft.

Wie viel mehr wäre möglich gewesen, wenn der Staat vorsorgend gehandelt und bereits ab Juni ein Modell für Industrie und Haushalte berechnet hätte! Nun sind es wieder die breite Mehrheit und vor allem arme Menschen, die unter dieser Krise leiden werden. Das wäre leicht zu verhindern gewesen, und ist es noch jetzt, wenn der politische Wille dafür aufgebracht wird.

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