Für die meisten war es eine große Überraschung, als über Twitter verbreitet wurde, dass sich Pamela Anderson zur Gelbwesten-Bewegung in Frankreich äußerte – und das auch noch pointierter als die meisten politischen Kommentatoren. Sie würde Gewalt verabscheuen, schrieb sie in einem Blogbeitrag ihrer Stiftung, doch die Gewaltszenen des Protests würden eine strukturelle Gewalt des Staates und der Eliten offenbaren, zu denen auch Emmanuel Macron gehöre. Die Regierungen und Staatsapparate verabscheuten die einfachen Leute – der Protest sei also das legitime Aufbegehren gegen die Herrschenden. Wenige Tage zuvor hatte sie in einem öffentlichen Brief an den französischen Staatspräsidenten einen Termin erbeten, um ihm eine Petition für die Rechte von Zirkustieren zu überreichen.
Andersons Engagement für die Tierrechtsorganisation PETA war bereits seit Jahren bekannt. Doch man tat es in Berichten als etwas sehr Feminines, fast schon Kindisches ab: wie sich eine Frau, die im Wesentlichen für einen roten Badeanzug, den Playboy und ein Sextape bekannt war, jetzt eben auch fürsorglich um Tiere kümmert.
Dabei begann der politische Aktivismus der Schauspielerin nach eigenen Angaben schon mit 22 Jahren und ihrem Leben in Los Angeles. Er mündete in der 2014 gegründeten Pamela Anderson Foundation, die sich für Menschen-, Tierrechte und den Naturschutz einsetzt. „Es ist alles miteinander verbunden“, heißt es auf der Seite, auf der auch die politischen Texte und Lyrik Pamela Andersons erscheinen. Durch diese Texte könne sie sich artikulieren wie sonst nirgends, sagt sie.
Mehr als nur Wohltätigkeit
Als sie die Stiftung in Cannes bei den Filmfestspielen vorstellte, blieb allerdings nur die Nachricht von Vergewaltigungen in ihrer frühen Jugend hängen. Zerstörerische Beziehungen, das konnte die Welt bei Tommy Lee und Kid Rock hautnah miterleben, hatte sie in der Folge einige. Sie überlagerten immer das Engagement für etwas anderes, etwas sehr Versöhnliches. Allerdings hatte Pamela Anderson selbst immer wieder auch die Nachrichten und Bilder geliefert, nach der die Boulevardpresse gierte.
Dabei transformierte sie sich als Schauspielerin, als Aktivistin und zuletzt auch in ihrem Äußeren. Mittlerweile schminkt sie sich natürlicher, trägt kleinere Brustimplantate und achtet mehr auf ihre Gesundheit. Da nun auch die zwei Söhne der 51-Jährigen aus dem Haus sind, hat sie Zeit, um ihre Rolle als öffentliche Person zu nutzen, um Präsidenten an geltende Menschen- und Tierrechte zu erinnern. Nach den Überschwemmungen in Folge des Hurrikan Katrina sorgte sie dafür, dass Busse heimatlos gewordene Hunde von New Orleans nach Virginia brachten. Mit Hilfe von Filtertüten möchte sie den Zugang zu sauberem Wasser weltweit revolutionieren. Sie engagiert sich in der Flüchtlingshilfe. Die Liste ihrer Hilfsprojekte ließe sich fortsetzen.
Doch sie betreibt nicht nur das, was man als Wohltätigkeit abtun könnte. Immer wieder positionierte sie sich und rief zur Unterstützung linker Politiker auf. Schon bevor sie nach Marseille zog und die französische Politik selbst erlebte, unterstützte sie Jean-Luc Mélenchon. In ihrem aktuellsten Beitrag auf dem Blog bezieht sie Position zum Brexit: weder die EU-liebenden Eliten – auch Medien wie der Guardian –, noch die Brexiteers mit ihren migrationsfeindlichen Lügen würden der komplizierten Situation gerecht. Sie fordert eine radikale Reform der EU, Kritik an supranationalen Institutionen, die letztlich nur dem Kapital dienten, und spricht sich gleichzeitig gegen nationalstaatliche Alleingänge aus. Zuletzt warb sie für Jeremy Corbyn, in den sie politisch ein bisschen verknallt sei. Kapitalismuskritik mit einem Zwinkern.
Ambivalente Rolle
Genau auf diese Weise setzt sie sich für die Freilassung Julian Assanges ein. Mehrfach besuchte sie ihn in der ecuadorianischen Botschaft in London. „Wir sind in einer romantischen Beziehung für die Aufklärung der Welt verbunden“, sagt sie, und lässt alle, die über eine Affäre spekulieren, im Regen stehen. Sie zeigt ein übergroßes Maß an Bewusstsein für dieses Spiel mit dem Sexuellen im Politischen. Ihre eigene Rolle darin ist ihr bewusst, die Fragen nach ihrem Privatleben immer schon einkalkuliert. Das "dumme Blondchen" karikiert sie selbstbewusst und trotzdem mädchenhaft in TV-Sendungen.
Dadurch bleibt ihre Rolle ambivalent, was sich vor allem bei ihrer Haltung zum Feminismus zeigt. Die dritte Welle der Frauenbewegung übertreibe es und sei langweilig, kritisierte Pamela Anderson. Frauen würden immer auch ihre eigenen Entscheidungen treffen, so wie sie sich frei für den Playboy entschieden habe. Dass sie Hugh Hefner dabei als Versteher der zweiten Frauenbewegung bezeichnet, ist eigentlich nur folgerichtig. Ihre Kritik am Opfer-Status von Frauen trifft auf einen Wunsch nach versöhnten, tiefgehenden Beziehungen, geprägt von gegenseitigem Respekt. In ihrem Buch Lust for Love mit dem Rabbi Shmuley Boteach geht es um nichts weniger als die Rückgewinnung der romantischen Liebe und Lust. Männer sollten lernen, Frauen gegenüber respektvoll zu sein, zugleich aber noch den ersten Schritt machen. Wie auch immer man zu ihren Positionen steht: Anderson jedenfalls ist dabei, sich Respekt zu erarbeiten.
Wäre es ebenso überraschend gewesen, wenn Baywatch-Co-Star David Hasselhoff sich für den Protest der Gelbwesten ausgesprochen hätte? Vielleicht. Trotzdem hätte man seinen Artikel nicht für einen Fake gehalten, so wie viele das zunächst bei Pamela Andersons Text annahmen. Manch ein männlicher Kommentator fragte, ob es nun wieder politisch korrekt sei, das Baywatch-Poster aufzuhängen anstatt den Artikel einfach als lesenswert zu teilen. Solche spätpubertäre Reaktion auf Andersons Wandel zeigt vor allem eines: Er wurde schlicht nicht gesehen.
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