Mit 7,4 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen ist Blackrock die größte Finanzmacht der Welt. Im Verhältnis dazu ist der aktuell verhandelte Bundeshaushalt von knapp 508 Milliarden Euro schon fast ein Witz. Trotz dieser massiven Größe des schwarzen Felsens in der Finanzwelt weiß kaum jemand um die Geschäfte der Bank und ihren Einfluss auf die Politik. Sie und andere Vermögensverwalter agieren im Hintergrund, weshalb die Bezeichnung der Schattenbank vermutlich treffender ist.
Nun steht die weltweit größte Schattenbank am Pranger. Beim Blackrock-Tribunal in Berlin kamen am vergangenen Wochenende diverse deftige Anklagepunkte zusammen: Blackrock entwickele sich zu einer unkontrollierbaren Finanzmacht, investiere in die Naturzerstörung und den Mietenwahnsinn, fördere Aufrüstung und Kriegsgefahr, übe selbst massiv politischen Einfluss aus und zerstöre damit die Demokratie. Es fehlt nicht an Anklägern und Beweisen bei diesem Prozess. Das einzige Problem: Das Tribunal kann sich nicht auf ein Rechtssystem oder eine Aufsichtsbehörde stützen, nur auf das allgemeine Recht der Vereinten Nationen, das allerdings nicht bindend ist. Deswegen wird das Tribunal an der Freien Universität Berlin auch nur inszeniert.
Für die Verteidigung spielt der Kabarettist Max von Uthoff den früheren Blackrock-Aufsichtsratsvorsitzenden Friedrich Merz, der sich gerade um den CDU-Vorsitz bewirbt. Er wollte selbst nicht erscheinen. Das Lachen vergeht den Teilnehmenden bei der gekonnten Persiflage erst dann, als Uthoff alias Merz die bittere Einsicht ausspricht: „Nun, willkommen im Kapitalismus, meine Damen und Herren.“
Das Gefühl macht sich breit, dass Blackrock schier unangreifbar ist. Die Bank spielt nach den Regeln des Kapitalismus – nur, dass kaum jemand die genauen Vorgänge kennt. Der Politikwissenschaftler und Bewegungs-Urgestein Peter Grottian, Initiator des Tribunals, fasst zusammen: „Da die Tätigkeiten von Blackrock sichtbar und unsichtbar zugleich sind, wird Kritik nicht mehr möglich. Der Kapitalismus steht am Pranger, aber Blackrock nicht.“ Entsprechend zeigt das Plakat des Tribunals die Spitze eines Eisbergs und den schwarzen Koloss unterhalb der Oberfläche: Blackrock entzieht sich nicht nur unseren Blicken, sondern auch politischer Regulierung.
Fast so stark wie Google
Blackrock hält Anteile an allen 30 DAX-Unternehmen auf dem deutschen Aktienmarkt. Laut Jörg Cezanne, Finanzpolitiker der Linkspartei und Ankläger beim Tribunal, ist der Finanzakteur mit insgesamt 21,6 Prozent Anteilen der größte Investor. Bei Hauptversammlungen ist die Bank somit Teil von Unternehmensentscheidungen. Die brauche sie allerdings gar nicht, um ihren Einfluss geltend zu machen. Direkte Gespräche seien mehr und mehr das völlig ausreichende Mittel der Wahl.
Mit einer eigenen Software für Risikomanagement namens „Aladdin“ habe sich Blackrock laut Cezanne die Möglichkeit geschaffen, Anlagen in den Portfolios ständig zu bewerten. Auch andere Banken verwenden mittlerweile die künstliche Intelligenz von Blackrock für ihre Geschäfte. Mit diesem „Superhirn“, wie Heike Buchter in ihrem Buch über Blackrock beschreibt, durchdringe die Schattenbank den Markt beinahe genauso stark wie andere Tech-Riesen vom Kaliber Google und Facebook.
Mittlerweile geht das Business ohnehin weit über Geschäftsanteile hinaus. Blackrock beriet nach der Weltfinanzkrise von 2008 Investmentbanken und Versicherungsunternehmen, auch die Europäische Zentralbank oder die amerikanische Federal Reserve gehören nunmehr zu den Kunden der Schattenbank. Seit Kurzem berät sie sogar die Europäische Kommission in der EU-Klimapolitik, obwohl sie zugleich, wie die Anklage feststellt, für die Entwaldung des Amazonas und die Klimakrise direkt mitverantwortlich ist.
Seit Jahren treibt Blackrock zudem die Privatisierung der Renten voran. Nicht überraschend also, dass sich Friedrich Merz für das Anlegen auch kleiner Renten auf dem Aktienmarkt einsetzt. „Merz will uns ermuntern, die staatliche Rente auf den Müll zu schmeißen“, stellt Peter Grottian fest. Sobald alle ihre Ersparnisse erst einmal Blackrock anvertrauen, werden „Anleger zu Bürgerinnen und Bürgern von Blackrock.“ Das sei brandgefährlich, stellt die Jury am Ende des Prozesses fest.
Wie sehr die Bank damit nicht nur in die Altersvorsorge, sondern auch buchstäblich in unsere privatesten Räume eindringt, wird am Wohnungsmarkt erkennbar. Knut Unger vom MieterInnenverein aus Witten beschreibt, dass Blackrock mit 7,5 Prozent an dem Wohnungskonzern Vonovia beteiligt ist, bei Deutsche Wohnen sind es sogar über zehn Prozent. Blackrock kontrolliere damit zwar keine einzelnen Unternehmen, sei aber auf dem Gesamtmarkt ein zentraler Akteur. Die Bank habe damit Einfluss auf den lokalen Wohnungsmarkt, besonders in Berlin, aber auch im Ruhrgebiet oder Hamburg. Blackrocks Zwang zur Renditeoptimierung stehe dabei laut Ankläger Unger im grundsätzlichen Konflikt zum Menschenrecht auf Wohnen, da es sich um einen „systematischen Missbrauch von Gemeinwohneigentum“ und „Mietpreistreiberei“ handele.
Rouzbeh Taheri von der Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ betont Blackrocks strategische Bedeutung auf dem Wohnungsmarkt. Im Rahmen der Kampagne zur Enteignung der größten Wohnkonzerne in der Stadt hätten sich die Treffen von Vertretern von Blackrock mit den Immobilienkonzernen in den vergangenen beiden Jahren verdoppelt, auch beim Regierenden Bürgermeister von Berlin habe man interveniert und mit ausbleibenden Investitionen gedroht. Die Ratingagentur Moody’s, bei der Blackrock größter Aktionär ist, drohte mit Abstufung der Kreditwürdigkeit der Stadt Berlin. Blackrock sei so Strippenzieher im Hintergrund und koordiniere systematisch die Einflussnahme, ist sich Taheri sicher. Zum Volksbegehren in Berlin erwartet er eine starke Lobbykampagne.
Urteil? Kopf ab! (Gelächter)
Karin Baumert aus der Jury, ebenfalls mietenpolitisch aktiv, hält Blackrock für eine kapitalistische Form der Vergesellschaftung, an der alle auf eine gewisse Art beteiligt seien. Wenn dem aber so sei, wäre es da nicht eine Möglichkeit, der Hydra den Kopf abzuschneiden? Endlich wieder Lachen im Saal. Wie genau allerdings der Bestie der Kopf abzutrennen wäre, bleibt auch am Ende des Wochenendes unklar.
In jedem Fall soll es weitergehen: Das nächste Tribunal ist in einem Jahr geplant. Weitere Tribunale in New York und anderen Städten sollen folgen. Bis dahin könnte das Volksbegehren in Berlin bereits von Blackrock zunichtegemacht worden sein – oder aber den größten Finanzakteur der Welt herausgefordert und zumindest in einem Bereich zurückgedrängt haben. Da sich die Bank der Öffentlichkeit entzieht, ist es das Verdienst des Tribunals, den mächtigen Riesen ins Rampenlicht gerückt zu haben. Wenn es stimmt, dass die Schattenbank die Demokratie zerstört, hätte das Tribunal eigentlich in den öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen werden müssen. Jede und jeder in diesem Land sollte wissen, wie schleichend jegliche ökonomische und politische Macht in die Hände einer Schattenbank gelegt wird.
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