Es ist ein energiepolitischer Krimi: die staatliche Rettung des Gasimporteurs Uniper. Zunächst kaufte der Staat vor genau zwei Monaten 30 Prozent der Anleihen, um das Geschäft am Laufen zu halten. Am 21. September wurde dann bekannt, dass der Staat mit 99 Prozent der Anteile den Konzern de facto verstaatlichen würde. Das wird den Bund, der das Vorhaben über die staatliche Kreditbank finanziert, etwa 30 Milliarden Euro kosten.
Ein ähnlich riesiges Unterfangen der Unternehmensrettung auf Kosten der Allgemeinheit gab es zuletzt in der Finanzkrise, als Banken „too big to fail“ waren. Uniper beliefert mehr als hundert Stadtwerke mit Gas, die auf diese Versorgung angewiesen sind. Dem Staat blieb also in der Tat nichts anderes übrig, als den Konzern zu ret
ern zu retten, wenn Millionen Haushalte im Winter mit Gas versorgt werden sollen.Ob sich das Geschäft mit Uniper dabei jemals wieder rentieren wird – im Moment entstehen laufend eher noch mehr Folgekosten –, ist fraglich. Aber muss es das überhaupt? Der Clou an der Verstaatlichung ist, dass nicht nur die Verluste aufgefangen, sondern zumindest potenziell das gesamte Geschäft des Konzerns umgekrempelt werden könnte. Nun bestand Unipers bisheriges Geschäftsmodell daraus, billiges Gas aus Russland zu importieren. Eine einseitige Strategie, die jetzt direkt in die Krise geführt hat. Aber auch ohne den Angriffskrieg Russlands war das Geschäft auf Sand gebaut: Es hätte im Zuge des Umbaus der Wirtschaft nach sozialökologischen Maßstäben ohnehin radikal verändert werden müssen. Insofern ist die Folge des Krieges eine, die schon wegen der Klimakatastrophe auf die Gesellschaft zugekommen wäre.Die Verstaatlichung bietet jetzt die Möglichkeit, die Gaslieferungen für den Winter sicherzustellen und auch den betroffenen Stadtwerken Hilfspakete anzubieten. Das kann aber nur die kurzfristige Lösung sein. Denn die mittel- bis langfristige Perspektive wäre, einen staatlichen Versorger so umzubauen, dass er nicht mehr auf russisches Gas oder überhaupt fossilen Brennstoff angewiesen ist. Nur wenn der Staat die Mittel dafür bereitstellt, wäre es auch möglich, diesen Übergang zu schaffen.Alles fürs GemeinwohlDafür ist allerdings notwendig, dass es eine politische Debatte darüber gibt, wer die Krisenkosten für diese Maßnahmen trägt. Werden die Kosten direkt an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben? Ist es eine Subventionierung des Unternehmens auf Kosten der Mehrheit, also de facto Umverteilung von unten nach oben? Oder werden auch Krisenprofiteure an der Rechnung beteiligt, etwa durch eine Übergewinnsteuer für die Unternehmen, die an Pandemie und Krieg sogar noch übermäßig verdient haben? So ließe sich die Last gerechter verteilen.Dies diskursiv auszuhandeln ist für eine Demokratie unabdingbar, weil sie ohne Beteiligung durch die betroffenen Menschen in sich zerfällt. Schlimmstenfalls zahlen die Menschen für die Rettung eines Unternehmens, das nach dem Winter wieder privatisiert wird und nach dem gleichen Geschäftsmodell funktioniert wie vorher. Um dies zu verhindern, gilt es nicht nur zu verstaatlichen, sondern Konzerne wie Uniper auch zu vergesellschaften.Wie bei der Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen, worüber im Volksentscheid in Berlin genau vor einem Jahr abgestimmt wurde, geht es darum, einen Konzern nicht nur aufzukaufen, sondern ihn anschließend auch demokratisch zu kontrollieren. Im Falle Unipers würde das bedeuten, dass auch Beschäftigte und überhaupt betroffene Menschen mitentscheiden können, wie Uniper umgebaut und wie zukünftig Energie auch durch andere als fossile Brennstoffe erzeugt werden kann und welche Investitionen es dafür braucht.Die Verstaatlichung ist erst einmal nur der Notnagel in einer verschärften Krisensituation. Es gibt keine Garantien, dass der Staat daraus das Beste macht, geschweige denn die Kosten angemessen verteilt. Das kann nur kontrolliert werden, wenn sich die Eigentümerstruktur tatsächlich ändert, mehr Menschen an den Entscheidungen beteiligt werden und die Ziele des Unternehmens dem Gemeinwohl folgen. Dies wäre energiepolitisch sinnvoll und überdies der einzige Weg, die notwendige ökologische Transformation auch demokratisch zu legitimieren und die Menschen dabei mitzunehmen. So birgt die Krise auf einmal jähe Chancen. Werden wir sie nutzen können?