Die Scheu vorm smarten Geschirrspüler

Digitalisierung Berliner Netzwerktreffen young+restless widmet sich der Digitalisierung der Energiewelt

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ob Smart Meter oder Sektorkopplung: Bei manchen Menschen stoßen diese Begriffe auf Begeisterung, bei anderen auf Skepsis. Wie viele Branchen befindet sich die Energiewirtschaft mitten in der Digitalisierung. Was das bedeutet, haben Start-up-Gründer und Politiker beim Netzwerktreffen young+restless im Telefónica Basecamp in Berlin-Mitte diskutiert.

Ein aktuelles Beispiel lieferte Christian Bogatu von "Fresh Energy". Das Unternehmen nutzt Smart Meter, um Kunden mit Hilfe einer App einen detaillierten Überblick über ihren Stromverbrauch geben zu können. Die intelligenten Zähler, sogenannte Smart Meter, zeigen unter anderem den Stromverbrauch jedes Geräts im Haushalt an. Die Möglichkeiten gehen so weit, dass anhand des Stromverbrauchs der Spülmaschine berechnet werden kann, wann die Spülmaschinen-Tabs leer sind. Wenn der Kunde dies möchte, kann automatisch ein Geschirrspülmittel-Hersteller beauftragt werden, Nachschub zu liefern.

Umfragen des Marktforschungsinstituts CIVEY zeigen jedoch, dass 70 Prozent der Deutschen glauben, dass Haushaltsgeräte, die mit dem Internet verbunden sind, eine Gefahr darstellen könnten. 82 Prozent denken, dass beim Einsatz von Smart Metern Daten weitergegeben werden. "Im Bereich Daten ist noch Überzeugungsarbeit zu leisten bei den Deutschen", sagte CIVEY-Geschäftsführer Gerrit Richter. Skepsis wird auch bei der Frage deutlich, ob Smart Meter helfen könnten, Strom zu sparen. Lediglich unter Studenten, Auszubildenden und Schülern bejahen diese These knapp 50 Prozent der Befragten.

Auch Hans-Wilhelm Dünn, Generalsekretär des Cyber-Sicherheitsrates Deutschland, unterstrich die Bedeutung von Erklärungen und Vermittlung beim Thema Digitalisierung und Datenschutz. "Wir brauchen Dolmetscher", forderte bei der Podiumsdiskussion des Netzwerk-Abends. Wichtig sei, zwischen Bereichen unterscheiden, in denen es sinnvoll sei, Daten zu sammeln und weiterzugeben – etwa die Krebsforschung – und anderen Bereichen, in denen Daten zurecht geschützt werden müssen.

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann (CDU) forderte eine grundsätzliche Änderung im Umgang mit Daten. Dass diese zu einem Rohstoff geworden seien, könne auch durch Datenschutz nicht verhindert werden – man müsse aber damit umzugehen lernen. "Ich glaube, dass wir ein Datengrundgesetz brauchen." Ziel sei, eine allgemeingültige gesetzliche Grundlage zu schaffen, die sich auf zukünftige technische Entwicklungen anwenden lasse. Dafür brauche es Zeit. "Wir können nicht hinter jeder Innovation ein Gesetz schreiben", betonte er.

Die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (SPD) unterstrich die Bedeutung von vertrauensbildenden Maßnahmen. Diese trügen dazu bei, dass Menschen sich überhaupt auf Digitalisierung einlassen. Sie plädierte für verständliche Datenschutzerklärungen, die auf eine Seite passen. "Datenschutz, das ist kein Interesse, das ist ein Grundrecht", betonte sie.

Marco Junk vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) forderte in diesem Zusammenhang eine klar erkennbare Richtung für die anstehenden Gesetzesvorhaben. Momentan herrsche große Unsicherheit. "Nichts ist schlimmer als eine Industrie, die sich auf mehrere Szenarien vorbereiten muss." Er warb dafür, die Chancen des aktuellen digitalen Wandels zu erkennen. "Datenschutz und Digitalisierung schließen sich ja nicht aus." Energiewende werde nur durch intelligente Netze möglich. "Dazu braucht es die Akzeptanz der Verbraucher."

Wenn es um aktuelle Entwicklungen in der Energiewelt geht, ist Sektorkopplung ein wichtiges Stichwort. Was das eigentlich bedeutet, erklärte Ingrid Nestle, Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Bundestag. Im Zentrum steht dabei, Sektoren der Energiewirtschaft und der Industrie sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Schon jetzt gäbe es Zeiten, in denen mehr Erneuerbare Energien produziert würden, als verbraucht werden können, sagte Ingrid Nestle. Trotzdem sei sie der Meinung, dass die Produktion Erneuerbarer Energien weiterhin ausgebaut werden müsse.

Aber nicht nur die Quantität, auch die Qualität müsse gesteigert werden. Dabei kommt die Sektorkopplung ins Spiel. Wenn mehr Strom erzeugt als verbraucht wird, könne die Energie in andere Sektoren eingespeist werden – beispielsweise in Wärmespeicher. Auch E-Autos könnten beispielsweise nachts aufgeladen werden. So können Schwankungen ausgeglichen werden, ohne in teure Speicher zu investieren. Das funktioniert jedoch nur, wenn gerade mehr Strom produziert als nachgefragt wird. "Wenn alle gleichzeitig Strom nutzen, bringt Sektorkopplung nichts", erklärte Ingrid Nestle.

Sie betonte, dass die Kopplung von Sektoren kein Ersatz für den Ausbau großer Stromtrassen sei. Netzengpässe seien das größte Problem beim Ausbau der Erneuerbaren.

Dass nicht nur der Bau neuer Anlagen, sondern auch die Pflege der alten wichtig sei, betonte Christian Shuster von Ucair, einer der jungen Unternehmer, die sich bei dem Netzwerkabend vorstellten. Das Geschäftsmodell: Mit Hilfe von Drohnen werden Anlagen überwacht und Fehler gefunden. Shuster unterstrich, dass sich durch vernünftige Wartung viel mehr Strom erzeugen lasse als bisher und fand dafür ein werbewirksames Bild. "Wir haben Ucair gegründet, um eine Welt zu schaffen, in der keine Sonnenstrahlen mehr verlorengehen." Das Unternehmen "Shine" – ebenfalls Gast bei young + restless – hingegen unterstützt Haushalte dabei, selbst Strom zu produzieren. Über einen sogenannten Energiemanager werden die Produktion und die Energieflüsse im Haus gesteuert.

Bisher erzeugen erst 15 Prozent der deutschen Haushalte eigenen Strom, fand CIVEY in Umfragen heraus. Auf dem Land seien es deutlich mehr als in der Stadt, berichtete Gerrit Richter. Während die Start-up-Szene in Berlin-Mitte netzwerkt und smarte Ideen präsentiert, wird also gleichzeitig in der Provinz ganz praktisch an der Energiewende gearbeitet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Inga Dreyer

Freie Journalistin in Berlin. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Politik. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Inga Dreyer

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden