In der Falle des Klick-Journalismus

SEO versus Framing Wie gut steht ein Medienunternehmen mit Google? Welche Reichweite wird mit diesem oder jenem Wort erreicht? Framing und Suchmaschinenoptimierung bestimmen genau dies

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Versteht keine Ironie: Google
Versteht keine Ironie: Google

Adam Berry/Getty Images

Kurz, knackig, reißerisch – sind das die Voraussetzungen für erfolgreiche Texte im Netz? Fest steht: Wer gelesen werden will, muss gefunden werden. Framing und Suchmaschinenoptimierung (SEO) sind Strategien, die bei dem Format "PR trifft Journalismus" im Berliner taz Café diskutiert wurden. Es sei "eigentlich ganz smart" beides zu beachten, wenn man fürs Netz schreibe, sagt Moderator Matthias Bannas vom Bundesverband Deutsche Pressesprecher, der gemeinsam mit dem Deutschen Journalistenverband Berlin und meko factory zu dieser Veranstaltung geladen hat.

Aber: Was bedeutet es, wenn Medien und PR versuchen, sich mit ihrer Sprache an den Kriterien von Suchmaschinen zu orientieren? Bei SEO geht es unter anderem darum, bestimmte Schlüsselworte zu verwenden, nach denen Menschen im Internet suchen. Je häufiger diese Begriffe auftauchen, desto besser. So erhofft man sich, dass Texte in den Ergebnislisten von Suchmaschinen möglichst weit oben auftauchen. Das bedeutet aber auch: Beiträge, die alternative Begrifflichkeiten verwenden, tauchen in den Ergebnislisten von Suchmaschinen eventuell nicht oder erst später auf.

Produkt mit eingebauter PR

Framing hingegen bezeichnet die Einbettung von Themen in bestimmte Deutungsrahmen. Je nachdem, wie bestimmte abstrakte Begriffe beschrieben werden oder welche Synonyme verwendet werden, stellt man sie in einen Deutungskontext. Ein Beispiel ist die "Steueroase": Der Begriff vermittelt eine positive Konnotation, eine Oase verspricht Wasser in der Wüste. Ein anderes Beispiel ist der Begriff der "Flüchtlingskrise", der ebenfalls eine Wertung vorgibt – in diesem Fall eine negative. Für den Bereich des politischen Handels hat die Sprachwissenschaftlerin und Soziologin Elisabeth Wehling solche Mechanismen in ihrem Buch "Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht" analysiert. Wie aber können und sollten Medien solche Strategien nutzen, um ihre Inhalte im Netz an die Leserschaft zu bringen?

In einem Impulsvortrag berichtet Steffen Braun vom onlinebasierten Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Civey, wie das Start-up Suchmaschinenoptimierung und Framing nutzt. Ziel sei es, die externe Wahrnehmung und damit das Kaufinteresse zu beeinflussen. Wie wichtig das für den Erfolg eines Unternehmens ist, zeige eine Umfrage, die Civey im Vorfeld der Veranstaltung lanciert hat. Die Ergebnisse besagen, dass fast 55 Prozent der Befragten eher Informationen vertrauen, die sie auf externen Seiten über Firmen finden. Den Informationen, die Firmen über sich selbst verbreiten, vertrauen nicht mal neun Prozent der Befragten.

Das bedeutet: Informationen, die über externe Kanäle gestreut werden, kommen besser an. Bei Civey klappt das, denn das Produkt hat die PR quasi eingebaut. Die Ergebnisse von Umfragen, die Kunden wie Spiegel Online bei dem Unternehmen in Auftrag geben, binden diese auf ihren Seiten ein. So wird das Start-up auf reichweitestarken Seiten erwähnt, was es auch für Suchmaschinen interessant macht.

PR- und Marketingstrategien als Beispiel für Online-Journalismus?

Wie aber ist das bei Medienunternehmen? Inwieweit können und sollten diese sich ein Beispiel an PR- und Marketingstrategien nehmen? Konsumentinnen und Konsumenten von Medien wünschten sich, dass journalistische Inhalte frei von Marketing sind, sagt Till Fischer, Geschäftsführer von Fischer & Bochow, Partnergesellschaft für Marktforschung und Medienberatung. Prinzipien aus dem Marketingbereich, an denen sich Journalistinnen und Journalisten jedoch orientieren könnten, sei die Griffigkeit der Sprache und die Messbarkeit der Verbreitung. Denn auch bei Verlagen habe es sich durchgesetzt, zu prüfen, welche Inhalte wo ankommen.

Fischer stellt trotzdem grundlegende Unterschiede zwischen Journalismus, PR und Marketing heraus. Der grundlegendste: Journalistinnen und Journalisten berichteten von einem unabhängigen Standpunkt aus. Trotz des Werbens um die Leserschaft: "Journalismus sollte nicht das Ziel haben, Klicks zu generieren, wenn das die Neutralität gefährdet."

Das Problem: Es wirke sich durchaus auf die Inhalte aus, wenn man auf die technischen Voraussetzungen achte. Sich der Logik von Suchmaschinen unterzuordnen, verändere einen selbst, sagt Till Fischer. Er bezeichnet das als "symbiotisches Verhältnis zu einem Player, der die Regeln vorgibt." Unabhängige Medien sollten sich überlegen, wie sie mit dieser Situation umgehen und auch eigene Standards setzen, rät er. Dennoch scheint der Konflikt schwer aufzulösen. "Man kann nicht sagen: Wir nutzen kein Facebook mehr. Dazu ist es, glaube ich, auch zu spät."

Mehr als nur Klicks

Der Medienmanager betont, dass jenseits von Klicks auch noch andere Maßstäbe gäbe, an denen man den Erfolg von Texten im Internet messen könne. Auffindbarkeit sei ein Faktor, aber man könne auch fragen, wie nachhaltig bestimmte Inhalte seien. Wie häufig werden sie geteilt? Erreichen sie Menschen, die für Inhalte zahlen würden? Kann man Leserinnen und Leser mit einem Text nachhaltig begeistern? Im Sinne solcher Fragen plädiert Fischer für einen breiteren Blick auf die Optimierung von Inhalten.

Kritik an der SEO-optimierten Häufung von Schlagworten kommt aus dem Publikum. "Für einen Zeitungsleser wird das ziemlich schnell ziemlich langweilig", sagt ein Zuhörer und betont, das Interessante seien Widersprüche und Ironie. "Rechner verstehen keine Ironie."

Im Internet zählt – wie überall – nicht nur der Inhalt, sondern auch die Verpackung. Die Sprache bestimmt dabei, wie und ob etwas verstanden wird – nicht nur in den Bereichen Journalismus und PR. Auch die Ergebnisse von Markt- und Meinungsforschung seien von der gewählten Formulierung abhängig, berichtet Steffen Braun von Civey. Wichtig sei, Fragen kurz und verständlich zu stellen, um möglichst viele Antworten zu bekommen.

Wie ist das im Journalismus? Wie simpel darf es werden, ohne dass der Inhalt leidet? Bei dieser Ausgabe von "PR trifft Journalismus" fehlt leider die Perspektive des Journalismus, um dem Titel der Reihe und der Veranstaltungsankündigung gerecht zu werden. Spannend wäre gewesen, aus der journalistischen Praxis zu erfahren, in welche Zwickmühlen Online-Redaktionen bei der Verwendung bestimmter Begriffe und bei der Optimierung von Texten für Suchmaschinen geraten – und wie sie damit umgehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Inga Dreyer

Freie Journalistin in Berlin. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Politik. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Inga Dreyer

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