Von Dachgärten und Kaffee als Energie-Quelle

Innovationspreis Was möchte ein großes, altes Wohnungsunternehmen wie die Berliner degewo von jungen Start-ups lernen?

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Alternative Energiegewinnung und Wohnraum für viele – das kann man durchaus zusammen denken (Symbolbild)
Alternative Energiegewinnung und Wohnraum für viele – das kann man durchaus zusammen denken (Symbolbild)

Foto: Andreas Rentz/Getty Images

Anlässlich der Verleihung des Innovationspreises „Smart Up the City 2018“ sprechen degewo-Vorstand Christoph Beck und Ulrich Jursch, Geschäftsführer der degewo netzWerk GmbH darüber, was sie sich von dem Preis erhoffen was das überhaupt sein könnte – smartes Wohnen.

Herr Beck, Herr Jursch: Die degewo verwaltet mehr als 75.000 Wohnungen. Wie smart sind die?

Christoph Beck: Die Grundlage für smarte Wohnungen ist die Infrastruktur für Datenübertragung. Natürlich sind alle Wohnungen von degewo mit modernster Breitbandkabeltechnologie ausgestattet. Wir sind dabei, über Funktechnologie die Messdienste vollumfänglich zu installieren. Insofern bewegen wir uns auf dem Weg, auch hier smarte Situationen zu schaffen.

Ulrich Jursch: Die Frage ist, was eine smarte Wohnung ist. Wenn man den Begriff ausweitet und dazu so etwas wie Lebensqualität und Ressourcenschonung nimmt, dann machen wir sicherlich sehr viel, dann sind unsere Wohnungen sehr smart – angefangen damit, dass wir beispielsweise den CO2-Verbrauch unserer Liegenschaften seit 1990 um circa 60 Prozent reduziert haben, weil die Liegenschaften in den allermeisten Fällen energetisch saniert sind.

Wir haben ein degewo-Quartiersmanagement und engagieren und dafür, die Bildungslandschaft voranzubringen. Wenn wir beim „Smarten“ vielleicht im engeren Sinne sind, da sind wir gerade dabei, unsere Liegenschaften mit Glasfasernetzen zu erschließen.

Was sind denn die nächsten Schritte?

Ulrich Jursch: Neben der Erschließung mit Glasfasernetzen, kann man auf mittlere Sicht sicherlich davon ausgehen, dass die analoge, „dumme“ Gebäudetechnik digitalisiert wird und wir dann in der Lage sind, unsere Technik in den Liegenschaften fernzusteuern, beziehungsweise zu überwachen. Das ist sicherlich ein großer Schritt. Außerdem wird es viele Lösungen geben, die es bisher noch gar nicht gab und die den Leuten das Leben erleichtern. Ich denke da an das Thema Mobilität/Immobilität. Wir beschäftigen uns zum Beispiel mit Paketkästen, die auf unseren Liegenschaften für viele Anbieter offen sind. Das ist keine abschließende Aufzählung. Da werden immer neue Lösungen auftauchen.

Damit sind wir direkt beim „degewo Innovationspreis: Smart Up the City“, der 2018 zum zweiten Mal vergeben wird. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Christoph Beck: Wir haben uns dafür entschieden, einen Innovationspreis auszuloben, um gerade in der smarten Technologie mehr darüber zu erfahren, was es für Anwendungen gibt, und vielleicht für unser Geschäftsmodell passendes Verbesserungspotenzial zu heben. Wir hatten das im vergangenen Jahr relativ offen gestaltet. Dieses Jahr haben wir Themen vorgegeben: digitale Bau- und Bauplanungsprozesse, effiziente Immobilienbewirtschaftung, Lösungen für bezahlbares Wohnen sowie smarte Steuerung der Gebäudetechnik.

Wenn Sie an letztes Jahr denken: Was waren für Sie die größten Überraschungen?

Christoph Beck: Wir sind zum einen immer darüber überrascht, welche Resonanz dieser Wettbewerb hat. Wir hatten 74 Bewerbungen aus aller Welt im vergangenen Jahr, dieses Jahr waren es 82 Bewerbungen. Die Aufmerksamkeit, die wir damit erzeugen, ist schon mal bemerkenswert.

Ulrich Jursch: Die Breite der Lösungen ist auch spannend – von Lösungen, die sehr anwendungsnah an dem sind, was wir in unserem Kerngeschäft tun, bis hin zu Dingen, die auf den ersten Blick überraschen. Wir hatten zum Beispiel ein Start-up, das gerne Gewächshäuser zur Versorgung der Hausbewohner auf unsere Dächer stellen möchte. Oder wir hatten im letzten Jahr ein Start-up aus Afrika, das Kaffee-Abfälle zu Energieträgern, nämlich zu Pellets pressen wollte. Also eine unglaubliche Lösungsvielfalt.

Welche Impulse kann denn ein so großes Unternehmen wie die degewo von Start-ups mitnehmen?

Christoph Beck: Natürlich ist die Innovationskraft solcher kleinen Einheiten größer als der alten, großen degewo. Und das wollen wir nutzen: Wie kann man mit dynamischen Ideen unser Geschäftsmodell verbessern?

Ulrich Jursch: Die Geschwindigkeit, mit der da an Lösungen gearbeitet wird, ist schon beeindruckend. Das liegt ein bisschen in der Natur der Sache, weil sie querdenken. Da sind einfach Menschen, die sich nicht um fertige Modelle scheren, sondern einen ganz anderen Blick auf die Sache haben. Das ist ein ganz großer Vorteil der Start-ups.

Und was können Start-ups von der großen alten degewo lernen? Wo stoßen ihre Ideen in in der Praxis an ihre Grenzen?

Christoph Beck: Sie können lernen, ob die Ideen, die sie entwickelt haben, Chancen haben, in den tradierten Geschäftsmodellen erfolgreich umgesetzt zu werden.

Ulrich Jursch: Sie können von uns lernen, wie wir Geschäftsmodelle verstehen – wo die Chancen, aber wo auch die Grenzen sind. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Mieter und Endkunden manchmal anders ticken, als Start-ups sich das so denken. Und last but not least: Ein großes Wohnungsunternehmen kann Prozesse aufstellen, die für viele Anwendungsfälle nutzbar sind. Dadurch können sich die Ideen in der Praxis beweisen.

Wie sieht es mit den Gewinnern von 2017 aus? Arbeiten Sie mit denen zusammen?

Ulrich Jursch: Wir haben ein Pilotprojekt gestartet. Im Dezember wird dieses Start-up – es heißt Lift Guardian – Installationen bei uns vornehmen. Die haben ihre Lösung technisch noch etwas verbessert. Im Übrigen haben wir in der Zwischenzeit zusammen mit dem Start-up noch weitere Anwendungsfälle definiert – auch Möglichkeiten, auf die wir am Anfang gar nicht gekommen waren.

Gibt es denn in Deutschland genügend Start-ups, die sich mit den Themen der Immobilienwirtschaft befassen?

Christoph Beck: Was heißt: genügend Start-ups? Es gibt ein vielfältiges Umfeld, es gibt viele Anwendungsbereiche in der Immobilienwirtschaft. Ob es nun genug gibt oder nicht – das kann man so gar nicht beantworten. Wir sind darüber erstaunt, mit welcher Vielfältigkeit an diese Themen herangegangen wird.

Ulrich Jursch: Es kann nie genug geben. Mehr ist auch tatsächlich mehr. Zumindest fanden wir es gut, dass wir in diesem Jahr etwa zehn Prozent Bewerber hatten, die wir im letzten Jahr auch schon hatten – und ansonsten waren sie alle neu.

Wer kann sich für den Preis bewerben?

Christoph Beck: Eigentlich machen wir da keine Vorgaben. Es kann sich jeder bewerben, der meint, eine gute Idee in die Umsetzung bringen zu können. Die Bewerbung muss nur auf Themen, die gesetzt waren, passen.

Für das Finale am 7. November haben sich fünf Bewerber qualifiziert. Wie haben sie die Jury überzeugt?

Christoph Beck: Die Jury besteht aus Experten und zusätzlich aus je einem Vertreter der Mieter- und Mitarbeiterschaft und mir und meiner Vorstandskollegin Sandra Wehrmann. Das heißt: eine sehr vielfältige Jury. Die hat die Bewerber nach der Funktionalität und Einsetzbarkeit ihrer Idee bewertet – und daraus haben sich die fünf Finalisten ergeben.

Wissen Sie schon, wie es 2019 weitergeht?

Ulrich Jursch: Das haben wir tatsächlich noch nicht diskutiert. Ich denke mal, man kann sagen, wir werden immer themenbezogener werden. Wir sind ja gestartet mit einem sehr breiten Anwendungsfeld, weil wir erst mal gesagt haben, wir wollen schauen, was es an Themen rund um die Immobilienwirtschaft gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir den Kurs, den wir dieses Jahr eingeschlagen haben, noch stärker vertiefen – und zum Beispiel ganz konkrete Aufgaben stellen, die sich aus unserer Digitalstrategie ableiten. Gleichzeitig haben wir aber auch in diesem Jahr schon eine Wild Card vergeben für besonders innovative Lösungen. Denn die Gefahr ist – wenn man nur mit den Anwendungsfeldern herangeht, die man selber definiert – aus dem Blick zu verlieren, was sonst noch in der Start-up-Welt passiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Inga Dreyer

Freie Journalistin in Berlin. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Politik. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Inga Dreyer

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