Weather Project. Wenn Besucher von der Ausstellung in der Londoner Tate Gallery berichten, kommen ihre Augen noch immer zum Leuchten. Vor knapp sieben Jahren hatte der isländisch-dänische Künstler Olafur Eliasson eine riesige Sonne in eine alte Turbinenhalle des Kunsttempels hängen lassen. Am Boden waberte Nebel. Tagelang lagen die Besucher verzückt im Bann des glühenden Gestirns. Über zwei Millionen Menschen sahen zur Jahreswende 2003/04 das Spektakel: die größte Einzelaustellung eines lebenden Künstlers, die es jemals gab.
Überwältigungsästhetik ist ein Etikett, das seitdem hartnäckig an Eliasson klebt. Nichts wäre falscher als das. Denn was in London zu sehen war – die Apparaturen, mit denen dieses „Naturschauspiel“ hergestellt wurde –, ist auch in Berlin zu sehen. Der umgedrehte Kristallkörper, den der Künstler in die Mitte des Gropius-Baus gestellt hat und der das Berliner Tageslicht – dem Titel der Ausstellung gemäß – in das Innere des ehemaligen Kunstgewerbemuseums spiegelt, verzaubert auf den ersten Blick wie ein kostbares Spiegelkabinett. Doch an den rückwändigen Stahlverstrebungen, an den leicht zitternden Folien, aus denen er zusammengesetzt ist, kann man sofort das Gemachte erkennen: Schönheit, so der 42-Jährige, der seit 1994 in Berlin lebt, ist herstellbar.
Spiegel spielen eine große Rolle in Eliassons Werk. So wird während der Dauer der Ausstellung ein LKW durch Berlin fahren, auf dessen Dach ein sich drehender Spiegel montiert ist. Das Ganze funktioniert wie eine Metapher auf den Mechanismus, nach dem Wahrnehmung funktioniert: Die reale und die gespiegelte Realität sind zwei Seiten derselben Medaille. Und auf die Pfaueninsel im Süden Berlins hat er eine modifizierte Variante seines Blind Pavillon von der Venedig-Biennale 2003 gestellt. Auf einem nach dem Prinzip der Zentralperspektive gebauten Parcours sind wechselweise lichtdurchlässige und undurchlässige Glasbausteine und Spiegel montiert. Mal sieht man etwas, mal wird der Blick geblendet. Der Betrachter ist auf seine Rolle als Betrachter zurückgeworfen: Der Pavillon schaut zurück. Wer aus Eliassons Werk einen Zusammenhang von Demokratie und Ästhetik zu destillieren versucht, stößt auf das Prinzip Aufklärung durch Selbstaufklärung: „Ich glaube, das Potential von Kunst ist es, wie schaffen wir es, unsere Selbstreflexivität oder Selbstkritikalität zu verschärfen“, erläutert er sein Credo.
Den großen Tisch mit den glitzernden Objekten aus gewundenen Draht oder silberüberzogenen Steinen, den er in den Gropius-Bau gestellt hat oder die vier künstlichen Wasserfälle, die er 2008 längs des New Yorker East Rivers aufgestellt hat – immer geht es Eliasson darum, in ein Zwischenreich zu entführen – zwischen Naturwissenschaft und zweckfreier Kunst, in dem die Grenzen zwischen Natur und Kultur zu fließen beginnen. Doch ausgerechnet ein isländischer Landsmann hat ihm jetzt einen Strich durch die kulturalistische Rechnung gemacht. Die beeindruckende Aschewolke, die der Vulkan Eyjafjallajökull vor ein paar Wochen über spuckte, mag zwar „sehr schön“ sein, wie Eliasson vergangene Woche in Berlin anerkennend sagte, ist aber nichts anderes als: Natur.
Olafur EliassonInnen Stadt Außen. Berlin (mehrere Orte). Bis 9. August. Katalog 29
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